Ein letztes Mal musste der HSV in diesem seltsamen Corona-Jahr zu einem Pflichtspiel antreten. Gegner Karlsruher SC entpuppte sich als typische Zweitliga-Mannschaft: Mit zwei Viererketten, ein bisschen Pressing und schnellen Kontern wollten die Badener den Favoriten aus dem Norden ärgern. Das wurde aber nichts. Bedanken bedarf sich der HSV bei einem starken linken Flügel, einer stabilen Defensive sowie bei Torgarant Simon Terodde.
Und plötzlich spuckt Gladbachs Thuram seinen Gegenspieler an. Eklig, respektlos, niederträchtig! Und die Rote Karte darf meiner Meinung nach eine lange Sperre nach sich ziehen. Also alles nichts, was man feiern kann. Aber ich war zumindest wieder wach. Denn der gesamte Spieltag, von der Zweiten Liga bis hin zur Schlussphase der Erstligakonferenz sowas von langweilig. Ehrlich gesagt hat mein Erstliga-Interesse durch den HSV-Abstieg eh maximal gelitten. Bayern gewinnt in aller Regel weiter, irgendeine Mannschaft mischt bis fünf, sechs Spieltage vor Schluss noch latent oben mit und unten wird spannend. Mag sein, dass mich der HSV in den letzten Erstligajahren schon so auf den Tabellenkeller eingenordet hat, dass meine Aufmerksamkeit automatisch eher unten als oben ist. Aber heute hat mir noch einmal deutlich gemacht, wie unfassbar langweilig ich Bundesliga ohne HSV finde. Unabhängig von der Ligazugehörigkeit.
Das Training des HSV war noch nicht beendet, da war Manuel Wintzheimer schon in der Kabine. Der Offensivspieler hatte mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen. Ausfallen wird er glücklicherweise dennoch nicht – zumindest klang das bei Trainer Daniel Thioune heute so. Denn der gab nach dem Training Entwarnung. „Das ist eine Prellung, die ihm ein bisschen Probleme bereitet. Heute haben wir ein bisschen ausprobiert und ihn etwas weniger belastet. Wenn er darauf positiv reagiert und keine Probleme hat, ist er morgen ganz normal wieder dabei.“ Und falls nicht? Darf Sonny Kittel dann wieder ran? Ich glaube ehrlich gesagt, dass Kittel in egal welcher Konstellation am Montag beim Karlsruher SC (Anpfiff 20.30 Uhr) wieder dabei sein wird, obgleich er nach seiner dummen Gelbroten Karte zuletzt noch ein zweites Spiel zuhause bleiben musste? Alles deutet daraufhin. Thioune erklärte diese Maßnahme: „Es war nicht ganz überraschend für ihn. Ich hatte mit ihm das Gespräch gesucht und er konnte es nachvollziehen.“
Die Zeit eignet sich bestens dafür, in Fettnäpfchen zu treten. Corona hat die Menschen derart sensibilisiert, in Angst versetzt und leider in einigen Teilen auch in existenzielle Nöte gebracht, dass die Unsicherheit auch bei den ansonsten souveränen Menschen unter uns greifbar ist. Wie verhalte ich mich den anderen gegenüber, wenn ich sie auf der Straße treffe? Wie verhalte ich mich, wenn mir mal einer zu nah auf die Pelle rückt? Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber grundsätzlich empfinde ich den Umgang der Menschen in Deutschland noch immer als sehr diszipliniert und respektvoll. Anstehen vor Supermärkten ohne zu Meckern, Nachbarn, die sich gegenseitig im Bewältigen des Alltages helfen - die Maßgaben der Regierung werden befolgt. Und auch den Auftritt von DFL-Boss Seifert gestern empfand ich als sehr angemessen. Ganz im Gegensatz zu den Klubs, die im Anschluss an diese Pressekonferenz, die vielen Vereinen neue Hoffnung aufs Überleben gegeben hatte, nichts Besseres zu tun haben, als sich über vermeintlich entstehende Nachteile zu beschweren.
Es ist das Albtraumszenario in der Spielvorbereitung: Nur wenige Tage vor dem Spiel entlässt der Gegner den Trainer. Plötzlich taugen die Aufnahmen der vergangenen Partien nicht mehr zur Analyse, schließlich weiß niemand so genau, was der neue Trainer vorhat. Kommt dann noch hinzu, dass der Neuling wenig bekannt ist, gestaltet sich die Vorbereitung als schwierig bis unmöglich.
Beim HSV herrscht gute Laune vor. Zwei Siege aus zwei Spielen, Spieler die aus der Rekonvaleszenz zurückkehren, ein Schulterschluss zwischen HSV-Ultras und der HSV-Führung - und dazu noch ein volles Haus beim Heimspiel am Sonnabend (13 Uhr, Volksparkstadion) gegen den Karlsruher SC. Bislang sind knapp 49.000 Tickets verkauft - und es deutet vieles daraufhin, dass der HSV seine Mini-Siegesserie fortsetzen kann. Zumal der KSC unter der Woche gerade das bittere Pokals beim Underdog FC Saarbrücken hinnehmen und dabei auch noch über die Verlängerung und das Elfmeterschießen gehen musste. Die Kunst des Aufsteigens läge darin, „immer genau zu wissen, dass nichts von allein kommt“ sagte HSV-Mittelfeldregisseur Louis Schaub im heutigen Mopo-Interview. Und Trainer Dieter Hecking untermauerte diese Forderung mit klaren Ansagen bei der Pressekonferenz. Was Ihr vor dem Duell mit dem KSC wissen müsst, haben Christian und ich Euch hier im Analyse-Blog zusammengetragen:
Dieter Hecking hat keine lange Einarbeitungszeit benötigt beim Hamburger SV. Die Saison ist erst vier Spieltage jung, und doch haben sich unter dem neuen Trainer bereits ein klares System und eine klare Stammelf etabliert. Gegen den Karlsruher SC greifen fast alle Rädchen beim HSV ineinander – zumindest bis zur unnötig spannenden Schlussviertelstunde.
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