19. Dezember 2020
Und plötzlich spuckt Gladbachs Thuram seinen Gegenspieler an. Eklig, respektlos, niederträchtig! Und die Rote Karte darf meiner Meinung nach eine lange Sperre nach sich ziehen. Also alles nichts, was man feiern kann. Aber ich war zumindest wieder wach. Denn der gesamte Spieltag, von der Zweiten Liga bis hin zur Schlussphase der Erstligakonferenz sowas von langweilig. Ehrlich gesagt hat mein Erstliga-Interesse durch den HSV-Abstieg eh maximal gelitten. Bayern gewinnt in aller Regel weiter, irgendeine Mannschaft mischt bis fünf, sechs Spieltage vor Schluss noch latent oben mit und unten wird spannend. Mag sein, dass mich der HSV in den letzten Erstligajahren schon so auf den Tabellenkeller eingenordet hat, dass meine Aufmerksamkeit automatisch eher unten als oben ist. Aber heute hat mir noch einmal deutlich gemacht, wie unfassbar langweilig ich Bundesliga ohne HSV finde. Unabhängig von der Ligazugehörigkeit.
Vorweggeschickt: Ich will wie die allermeisten natürlich den Wiederaufstieg. Aber wenn ich sehe, wie deprimierend Schalke spielt, oder wie destruktiv Köln sich gegen fußballerisch einfach bessere Leipziger abmüht und am Ende fast noch gewinnt, dann weiß ich auch, dass ich den Moment genießen sollte, in dem der HSV die bessere Mannschaft ist und ich in JEDEM Spiel an jedem Spieltag der Saison berechtigt auf einen Sieg hoffen darf. Auch am Montag beim Karlsruher SC, der seinerseits die Punkte dringend braucht, um nach einem Vier-Spiele-Zwischenhoch nicht wieder ganz unten reinzurutschen. Alles andere hatte ich (einfach zu lange).
Deshalb zurück zum HSV und zu dem, was passiert ist. Und natürlich zu dem, was uns unmittelbar bevorsteht. Denn der letzte Spieltag des Jahres 2020 wird noch einmal knackig für den HSV. Stark aufspielende Bochumer und Fürther haben schon erfolgreich vorgelegt. Kiel kann morgen noch nachziehen, ehe der HSV am Montag den gesamten Bundesligafußball für 2020 mit der Auswärtspartie bei Karlsruhe abschließt.
Ich könnte jetzt hier lange über das naheliegende Thema debattieren, ob eine Verpflichtung von Karlsruhes Philipp Hofmann den HSV stärken würde – aber ich mache es (wie mit dem Rest des Blogs heute auch) kurz: Hofmann hat meiner Meinung nach sehr wohl das Potenzial zum Erstligastürmer. Und bei allen Verpflichtungen , die der HSV jetzt und in diesem Moment anstrebt, sollte er immer den Faktor Erstligatauglichkeit sichergestellt wissen.
Zugegeben, Hofmann ist den Beweis schuldig. Aber ich glaube, dass er das Potenzial hat. Seine Kaltschnäuzigkeit, gepaart mit seiner Ballfertigkeit und seiner Robustheit ist für mich zumindest spannend. Andererseits hat der HSV hat einen solchen Spieler schon dabei. Genau genommen sogar zwei, auch wenn Lukas Hinterseer schon seit Monaten nicht mehr zeigen konnte, dass man sich genau diese Fertigkeiten von ihm erhofft hatte, als er 2019 zum HSV gelotst wurde.
Fakt ist, der HSV muss sich erst einmal von Spielern trennen, bis er sich über Neue Gedanken machen kann. Hinterseer ist sicher einer der Kandidaten, die erkannt haben dürften, dass sie hier kaum Chancen unter dem neuen Trainer haben. Ebenso wie Gideon Jung, der meinen Kollegen vom Boulevard zufolge sogar schon von anderen Top-Zweitligisten „gejagt“ wird. Aber: Sollte dem tatsächlich so sein, dürfte dem Wechsel doch wirklich gar nichts mehr im Wege stehen. Denn Jung ist beim HSV in der aktuellen Konstellation für alle erkennbar hintendran.
Und während man sich von Jung und Hinterseer auf HSV-Seite noch ein paar Euro verspricht, stehen auch zwei Youngster vor dem Absprung. Das Mysterium Xavier Amaechi, der als Toptalent teuer eingekauft wurde, zum einen. Der Engländer, der so viele einzelne Fähigkeiten besitzt und sie doch nie zeitgleich auf den Platz bekommt, ist inzwischen nicht einmal mehr im Training so auffällig, dass man sich wenigstens mit Fantasie seinen Durchbruch vorstellen könnte. Ich behaupte sogar, dass Amaechi verkauft würde, wenn er nicht so überteuert eingekauft worden wäre. So aber darf, kann oder muss man sich von einem Leihgeschäft den entscheidenden Schritt zum Erwachsenen-Fußball erhoffen. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet.
Ein Szenario, das bei Jonas David gänzlich anders ist. Hier ist die Situation klar. Denn der Youngster hat zumindest ansatzweise schon gezeigt, dass er es könnte. Wenn er denn die nötige Spielzeit dazu bekäme. Sein Problem: Sowohl in der Innenverteidigung als auch auf der Sechs hat er mit Stephan Ambrosius bzw. Amadou Onana zwei zu starke Youngster als Konkurrenz. An den zweien kommt er nicht vorbei. Das müsste er aber, da Trainer Thioune offensichtlich Wert darauf legt, dass neben einem vergleichsweise unerfahrenen Spieler immer ein routinierte Spieler (Gjasula, Hunt oder Heyer im defensiven Mittelfeld, Leistner oder Heyer in der Innenverteidigung) steht. Von daher ist für David (wieder mal) kein Platz. Seine Ausleihe ist meiner Ansicht nach alternativlos unter Thioune.
So schade es auch ist, dass David noch nicht mehr Spielzeit beim HSV bekommen hat. Der Junge hat Potenzial. Auf der anderen Seite darf bei großen Zielen nichts zum Selbstzweck werden. Letztlich geht es darum, den HSV bestmöglich aufzustellen. Immer. Meiner Meinung nach immer unter der Prämisse, den jüngeren Spieler dem älteren vorzuziehen. Nicht aus Prinzip, aber definitiv in dem Moment, wo der Trainer beide Spieler auf einem gleichen Leistungsstand sieht.
Für das Spiel in Karlsruhe, für das sich Manuel Wintzheimer heute wieder gesund zurückmeldete, während Ambrosius erkältet passen musste (sein Einsatz ist nicht gefährdet), bin ich tatsächlich sehr gespannt, was sich Thioune personell einfallen lässt. Im Training deutete er nämlich an, dass er mehr Tempo ins Spiel bekommen will (siehe Helm Peters hofprofessionell kommentiertes Video ;-)). Trainer Daniel Thioune hat seinen Spieler heute erneut sehr lautstark vermittelt, dass er schnellere Entscheidungen und sauberere Pässe verlangt. Und ich bin gespannt, ob und wie wir das schnellere Spieltempo in Karlsruhe umgesetzt sehen. Aber dazu morgen mehr.
Ich hoffe jetzt erst einmal, dass das Topspiel Erster (Leverkusen) gegen Dritter (Bayern München) meinen Fußballtag zumindest einigermaßen ansehnlich abschließt und melde mich dann morgen wieder, wenn der Trainer auf der abschließenden Pressekonferenz gesprochen hat. Allerdings sei noch kurz erwähnt, dass Finanzvorstand Frank Wettstein HSV-Medien noch einmal betont, dass man hier in den letzten Jahren das Beste aus der schlimmen Situation gemacht hätte und aktuell stabiler sei, als man es eigentlich ob der Umstände hätten erwarten dürfen. Wobei – nein! Auf diese Diskussion habe ich gerade tatsächlich noch weniger Bock als auf eine Wiederholung von Schalke gegen Bielefeld im TV.
In diesem Sinne, bis morgen!
Scholle