Tobias Escher

26. August 2019

Dieter Hecking hat keine lange Einarbeitungszeit benötigt beim Hamburger SV. Die Saison ist erst vier Spieltage jung, und doch haben sich unter dem neuen Trainer bereits ein klares System und eine klare Stammelf etabliert. Gegen den Karlsruher SC greifen fast alle Rädchen beim HSV ineinander – zumindest bis zur unnötig spannenden Schlussviertelstunde.

Hecking schickte seine Elf erneut in einem 4-3-3-System auf das Feld. Es gab nur eine personelle Veränderung im Vergleich zur Vorwoche: Khaled Narey durfte für Jeremy Dudziak beginnen. Narey startete als Rechtsaußen, Bakary Jatta wechselte auf die linke Seite. Das erlaubte Sonny Kittel, in seiner präferierten Position aufzulaufen: Statt als Linksaußen durfte er im zentralen Mittelfeld spielen, genauer gesagt als halblinker Achter.

Kittels neue Position im Mittelfeld war zugleich die größte Veränderung im Hamburger Spiel im Vergleich zum 1:0-Erfolg gegen Bochum. Im Mittelfeld gab es eine recht klare Aufteilung: Kittel agierte als offensivster Spieler, Adrian Fein übernahm die Rolle als tiefer Sechser. David Kinsombi positionierte sich zwischen den Beiden und wich auch immer wieder auf die Außen aus.

Es war aber das Zusammenspiel zwischen Fein und Kittel, das den HSV in der ersten Halbzeit prägte. Gegner Karlsruhe versuchte, im 4-4-2-System die Räume eng zu machen. Kittel bot sich immer wieder im offensiven Mittelfeld als Anspielpunkt für Sechser Fein an. Er suchte dabei die Räume zwischen Karlsruhes Viererketten. Nicht immer bekam Kittel den Ball; zumindest aber zwang er Karlsruhe dazu, sich im Mittelfeld eng zusammenzuziehen. Fein konnte in der Folge das Spiel immer wieder auf die freien Außen verlagern.

Dieses Ballbesitzspiel über Fein ist ein Pfeiler für die Hamburger Dominanz in dieser Saison. Der HSV lässt den Ball laufen, ohne dabei nur quer zu spielen. Gewichtiger Faktor ist Fein: Er fordert vor der Abwehr die Bälle, will das Spiel immer wieder nach vorne tragen. Fein ist dabei kein klassischer Spielmacher, der aus der Tiefe agiert. Immer wieder kurbelt er das Spiel mit kurzen, aber effektiven Dribblings an. Seine Präsenz und Übersicht im zentralen Mittelfeld haben dem HSV in der Vorsaison gefehlt.

Der zweite Faktor für die dominanten Auftritte des Hamburger SV ist die starke Absicherung gegen Konter. Heckings System ist nicht auf taktische Spielereien ausgelegt. Die Spieler halten recht starr ihre Positionen. Das Aufrücken der Außenverteidiger wird abgesichert durch die tief verbleibenden Sechser. Vor allem Kinsombi musste die (etwas undankbare) Aufgabe erledigen, die Vorstöße der Außenspieler abzusichern. Kinsombi war offensiv wenig präsent, Tim Leibold dafür umso mehr. Er kurbelte das Spiel von der linken Seite an. Mit der frühen Führung (16.) im Rücken konnte der HSV das Spiel verwalten – dem guten Ballbesitzspiel und der defensiven Stabilität sei Dank.

Taktische Aufstellung KSC-HSV

 

Karlsruhes Offensivrausch beeindruckt den HSV in der Schlussviertelstunde

Nachdem Karlsruhe sich in der ersten Halbzeit auf die Verteidigung versteift hatte, mussten sie nach der Pause angesichts eines 0:2-Rückstandes weiter aufrücken. Marvin Wanitzek rückte aus dem defensiven ins offensive Mittelfeld vor. Karlsruhe agierte fortan in einer Raute aus einem 4-1-3-2-System. Wild stürmten sie auf die Hamburger Abwehr hinzu, wollten Ballgewinne provozieren.

Einen Fehler, den viele Teams in dieser Situation begehen: Sie antworten auf die stürmische Taktik des Gegners mit ebenso stürmischen Kontern. Das kann gutgehen, wenn man die eigenen Konter in Tore ummünzt. Im schlechten Fall schenkt man jedoch den Ball wieder her. Der Gegner muss nicht nach hinten eilen, sondern kann selbst wieder angreifen. Ein Spiel, das von Strafraum zu Strafraum läuft, liegt im Zweifel eher im Interesse des zurückliegenden Teams.

Der HSV beging diesen Fehler nicht, im Gegenteil. Es imponierte mir, wie sie zwischen der 46. und der 75. Minute auf Karlsruhes Sturmlauf reagierten. In Situationen, in denen Karlsruhes offensive Aufrücken Konterangriffe zuließ, ergriffen die Hamburger Spieler die Gelegenheit. Lief sich der Konter jedoch in der gegnerischen Hälfte fest, brachen sie den Angriff ab. Sie ließen den Ball dann in der gegnerischen Hälfte laufen. Das tut dem Gegner besonders weh: Die Mannschaft muss weit in die eigene Hälfte zurücklaufen und verteidigen. Das schlaucht körperlich wie psychologisch.

In der Schlussviertelstunde gelang dem HSV diese Form der Entlastung nicht mehr. Karlsruhe hatte nun auf totale Offensive umgestellt: Ihre Viererkette lösten sie auf, sie griffen im 3-4-3 mit drei echten Strafraumstürmern an. Flanke um Flanke flog in den Hamburger Strafraum. Gerade als es noch einmal spannend zu werden drohte, konnte der HSV das 4:2 erzielen.

 

Fazit

Die Handschrift des Trainers lässt sich von Spieltag zu Spieltag deutlicher erkennen. Der HSV spielt keinen spektakulären, aber grundsoliden Ballbesitz-Fußball. Gegen Karlsruhe gelang die bislang vielleicht beste Saisonvorstellung. Der HSV trat in fast allen Phasen des Spiels dominant auf – offensiv wie defensiv, vor wie nach der Pause.

Einzig in der Schlussphase hatte das Team Probleme mit Karlsruhes totaler Offensive. Hier deutet sich an, dass doch ein Qualitätsunterschied zwischen erster Elf und Einwechselspielern besteht – nicht in der individuellen Qualität, aber in der Art und Weise, wie sie Heckings Plan auf dem Rasen umsetzen. Die Stammelf dürfte sich auf absehbare Zeit nur auf wenigen Positionen ändern.

FAQs

 
 

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