Marcus Scholz

30. Januar 2018

Noch knapp ein Tag bleibt. Dann ist das Transferfenster für diesen Winter wieder geschlossen. Und vieles deutet daraufhin, dass der HSV leer ausgeht. Zumindest Stand jetzt. Denn dem HSV fehlt das Geld für Neue. Von daher werden alle bislang genannten Namen sowieso schon abgetan mit den Worten: „Der wäre auch wirtschaftlich gar nicht machbar.“ Wobei in dieser Aussage eben auch jener Konjunktiv steckt, der offenlässt, ob sich das noch ändert. Obgleich Sportchef Jens Todt auch sagt: „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass noch etwas passiert.“ Ergo: Klaus Michael Kühne konnte noch immer nicht motiviert werden, noch mal den Geldbeutel zu öffnen. Zumindest nicht so bedingungslos, wie es sein müsste, damit HSV-Boss Heribert Bruchhagen, der heute auf einer Podiumsdiskussion in Düsseldorf weilt, und seine Führungsriege es zulassen.

Dass es keine innige Liebe zwischen Kühne und Bruchhagen werden würde, war schon vor dem Amtsantritt des HSV-Bosses abzusehen. Dafür hatte sich Bruchhagen in verschiedenen Interviews zu deutlich gegen das Investorenmodell Kühne geäußert. Dennoch hofften viele, dass sich die beiden im Sinne der Sache zusammenraufe und eine funktionierende Zweckgemeinschaft bilden würden. Bislang ohne Erfolg. Denn ich bleibe dabei: Dieser HSV braucht noch personelle Verstärkung. Tatsächlich in allen Mannschaftsteilen. Vor allem aber in der Offensive, wo Bobby Wood seit Monaten und weiterhin seiner Form der ersten HSV-Spiele hinterherläuft, während Jann Fiete Arp gerade einmal 18 Jahre jung ist, zudem seit einigen Wochen von einem Infekt geschwächt ausfällt. Auch heute fehlte der junge Hoffnungsträger im Mannschaftstraining.

Dennoch: Was ein wenig Tempo gepaart mit Spielwitz im Sturmzentrum ausmachen kann, hat in Leipzig Interimsmittelstürmer Filip Kostic gezeigt, den Hollerbach von seiner linken Außenbahn befreite und endlich den Raum gab, den er braucht, um sein Tempo maximal und nicht so ausrechenbar zu nutzen. Aber: Es gibt im Team eben nur diesen einen Kostic. Und dem fehlt ein kreativer Passgeber, wenn Aaron Hunt ausfällt oder einen weniger guten Tag hat. Aber beides kommt leider nicht selten vor. Insofern: Der Bedarf ist akut. Und auch Kühne weiß das. Allein er vertraut nicht in die hier Handelnden – und die wollen sich nicht weiter an den Tropf des Milliardärs hängen.

Der HSV steckt in der Sackgasse.

Und wenn man sieht, dass wirklich fast jede Mannschaft in der Bundesliga in der Lage ist, personelle Veränderungen herbeizuführen (selbst Werder wurde heute noch mal aktiv), sollte man meinen, der ach so große HSV schafft das auch. Wobei auch hierin wieder ein Konjunktiv steckt, der dem HSV zum Verhängnis werden kann. Denn wie sagte Todt heute: „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass noch etwas passiert.“ Auch, weil man es wieder nicht geschafft hat, Spieler kostensparend abzugeben geschweige denn gewinnbringend zu verkaufen. Aber okay, bevor ich der HSV-Führung jetzt schon ein vernichtendes Urteil ausspreche: es bleiben noch ein paar Stunden, in denen sie überraschen können. Auch hier gilt, wie fast überall: Die Hoffnung stirbt zuletzt...

Etwas hoffen darf der HSV wieder auf Albin Ekdal. Der Schwede trainierte gestern bereits mit und war auch heute – wenn auch zumeist individuell – wieder am Ball. Und es wäre tatsächlich wichtig, dass der Schwede schnell wieder gesund wird, da Walace jederzeit von seiner hochschwangeren Frau nach Brasilien abgerufen werden könnte. Dann würde die Präsenz fehlen, die Walace in Leipzig trotz seines nicht einmal außergewöhnlich guten Spiels eingebracht hat. Und wie wichtig die Präsenz und Erfahrung auf der Position ist, hat nicht zuletzt der HSV-Auftritt davor gegen Köln gezeigt, wo mit Gideon Jung und Vasilije Janjicic zwei Youngster das Zentrum dichtmachen sollten – und es nicht schafften.

Nein, dieser HSV wackelt. In sich - mehr denn je. Und es wird sich mir nie erschließen, nach welchen Kriterien die Verantwortlichen investieren. Und dazu zähle ich auch Hauptgeldgeber Klaus Michael Kühne. Weit mehr als 100 Millionen Euro hat der Milliardär bislang in sein „liebstes Hobby“, wie er den HSV nennt, gesteckt. Eine unvorstellbar große Summe Eigenkapital – wenn auch nicht komplett ohne Gegenleistung. Denn Kühne ist der Mann, von dem alles abhängt im Moment, das wissen alle hiesig Verantwortlichen. Und das weiß auch Kühne selbst. Er spielt die Karte aus, die er entgegenzusetzen hat, wenn ein Vorstand sich ihm widersetzt. Und das darf ihm noch nicht einmal jemand vorwerfen. Aber ich frage mich, wie tief die Gräben sein müssen, dass sich ein Mäzen wie Kühne in dieser Situation widersetzt, während er sieht, dass sein Verein und damit auch seine bisherigen Investitionen Gefahr laufen, abzuschmieren. Aber diese Frage werden nur Bruchhagen und Kühne selbst beantworten können. Wobei ich mir sicher bin, dass die Antworten höchst gegensätzlich ausfallen würden.

Dieser HSV hat weiterhin ein massives Führungsproblem. Oder besser gesagt: Es fehlt schlichtweg Führung. Denn die, die nominell dafür verantwortlich sind, haben weder die Ideen noch die (finanziellen) Mittel, um dem HSV zu helfen, wie man an der bisherigen Transferperiode ablesen kann. Und deshalb werden sie in der Wahrnehmung bei Außenstehenden immer geschwächt rüberkommen. Zurecht übrigens. Zumindest werden sie für die Beobachter immer hinter denen rangieren, die helfen könnten. Und die wiederum lancieren, dass sie weder mit dem Vorstandsvorsitzenden noch mit der sportlichen Führung zufrieden sind. Ich hatte gehofft, dass durch den Trainerwechsel und die Verbindung zwischen dem neuen Trainer Bernd Hollerbach und Felix Magath das Vertrauen bei Kühne ein wenig wachsen würde – aber das ist bislang leider nicht erkennbar.

Womit wir wieder beim Wahlkampf angekommen sind, der genau diese Führungsschwäche zum Kernthema haben wird. „Wenn die AG hustet, bekommt der e.V. eine Lungenentzündung“, hatte Bernd Hoffmann nachvollziehbar veranschaulicht, was gerade beim HSV passiert. Denn die Situation ist gefährlich. Und das schreibe ich, obgleich ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass es im Fall der Fälle – also dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte – finanziell keine Hilfen geben würde, wenigstens nicht och weiter runtergereicht zu werden. Allerdings ist das weniger faktenorientiert denn ein Bauchgefühl. Und das hatte ich eigentlich auch in Hinsicht auf Hilfe für diesen Winter...

Aber zurück zum Wahlkampf, der tatsächlich sehr unterschiedlich geführt wird. Auf der einen Seite höchst professionell (Hoffmann), auf der anderen Seite noch erschreckend instinktiv (Meier). Und damit will ich nicht die thematischen Inhalte der beiden Präsidentschaftskandidaten und deren Team bewerten, sondern einfach nur das Vorgehen. Denn während sich der eh in diesem Geschäft sehr erfahrene Hoffmann von einem renommierten ehemaligen Agenturbesitzer in Sachen PR professionell beraten lässt, setzt die Gegenpartei auf Zahlen und Fakten ihrer Amtszeit. Was sie vielleicht falsch einordnen: Dabei werden sie sich auch an den AG-(Miss)Erfolgen messen lassen müssen, deren Hauptanteilseigner nun mal sie als Vertreter des e.V. sind...

Aber okay, abwarten. Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen und bis zum Ende der Wintertransferperiode sind es wenigstens noch ein paar Stunden. Ich bin gespannt. Sehr sogar. Denn es wird spannend. Schon morgen.

 

Bis dahin und voller Zweckoptimismus,

Scholle

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