Tobias Escher

16. Dezember 2019

Nur fünf Punkte hat der Hamburger SV aus den vergangenen fünf Partien geholt. Zeit für Trainer Dieter Hecking, etwas zu verändern. Seine Startaufstellung gegen Sandhausen überraschte, funktionierte aber in der ersten Halbzeit keineswegs schlecht. Wirklich dominant trat der HSV aber erst auf, nachdem Hecking in der zweiten Halbzeit sein Team taktisch veränderte.

Es war eine mittelschwere Überraschung, als die Startaufstellung vor dem HSV-Gastspiel in Sandhausen bekannt gegeben wurde. Auf dem Papier gab es nur drei Wechsel im Vergleich zum Spiel gegen Heidenheim. Doch was waren das für Wechsel! Kein Adrian Fein, kein Rick van Drongelen, kein Sonny Kittel: Drei der zentralsten Akteure der bisherigen Saison fehlten. Das musste eine veränderte Spielstruktur nach sich ziehen – und das tat es auch.

Außenverteidiger im Fokus

Hecking setzte zwar weiterhin auf eine Mischung aus 4-3-3 und 4-2-3-1. Aber wichtiger als die Formation war die Rolle der einzelnen Spieler: Mit van Drongelen und Fein fehlten die zwei Akteure, über die der HSV normalerweise das Spiel aufbaut. Andere Spieler mussten diese Lücke füllen.

In der Abwehr übernahm Ewerton die Rolle van Drongelens fast deckungsgleich. Er sollte im Spielaufbau die Pässe mit Raumgewinn spielen, Timo Letschert hingegen spielte häufiger quer. Allerdings funktionierte die Ballverteilung anders als zuletzt: Das zentrale Mittelfeld sowie die Halbräume standen nicht im Vordergrund. Der neu ins Team gekommene Gideon Jung verfügt nicht über die Spielmacher-Qualitäten eines Fein, fällt dafür durch mehr Zweikampfstärke sowie ein saubereres Stellungsspiel auf.

Statt über Sechser Jung aufzubauen, wurde häufig der Passweg auf die Außenverteidiger gesucht. Über diese wollte der HSV Raumgewinn erzielen. Das lag nicht zuletzt an der Formation des Gegners: Sandhausens Trainer Uwe Koschinat stellte seine Elf in einem 4-3-1-2 auf, einer sogenannten Rautenformation. Diese Formation ist vor allem im Zentrum gut besetzt, hier agieren vier zentrale Mittelfeldspieler. In diesem Bereich agierten die Sandhausener äußerst mannorientiert: Jung, Aaron Hunt und Jeremy Dudziak wurden eng gedeckt. Dafür taten sich aber Lücken auf den Flügeln auf; eine bekannte Schwäche einer Raute.

Taktische Aufstellung Sandhausen-HSV

 

Es endet im Strafraum

Eine Erklärung nach dem Gusto, bei einer Raute tun sich Lücken auf den Flügeln auf, klingt klug in der Theorie; in der Praxis funktioniert Fußball selten so simpel. Selbst wenn die Außenverteidiger frei den Ball erhalten, rückt der nächst postierte Mittelfeldspieler hinüber und nimmt ihn auf. Problem erkannt, Problem gebannt.

Die Stärke des HSV in der ersten Halbzeit war eine andere: Ihm gelang es, das Spiel von Außenverteidiger zu Außenverteidiger zu verlagern – direkt, ohne Umwege und ohne Zeitverlust. Das brachte die weit auf eine Seite rückenden Mittelfeldspieler Sandhausens in eine Bredouille. Hamburgs Außenspieler erhielten frei den Ball, sie hatten Zeit und die Möglichkeit, Flanken zu schlagen oder ins Eins-gegen-Eins zu gehen.

Das taten sie auch. Der HSV gelangte vergleichsweise häufig in den gegnerischen Strafraum. Hier scheiterten sie jedoch an der vielfüßigen Defensive der Sandhausener. Diese zogen sich, sobald ihr recht hohes Pressing überspielt war, kollektiv in den eigenen Strafraum zurück – eine Seltenheit im Fußball. Teils acht Verteidiger standen im eigenen Strafraum. Der HSV agierte hier zu kleinteilig. Man hätte sich manchmal gewünscht, dass sie den Ball einfach zurücklegen an den Strafraum und von dort ihr Glück versuchen.

 

Systemwechsel

Der HSV hatte dennoch genug Möglichkeiten, um in Führung zu gehen. Doch es kam, wie es in solchen Situationen gerne kommt: Über einen Eckball schossen die Sandhausener aus dem Nichts das 0:1. Nun zogen sie sich weiter zurück. Nach der Pause agierten sie häufiger in einer 4-2-3-1-Formation, um die Breite des Feldes besser abdecken zu können.

Hecking musste nach der Pause reagieren. Und er tat es auch. Er brachte mit Adrian Fein und Sonny Kittel (59., für Jung und Hunt) zwei Kreativspieler. Fein gliederte sich auf der Sechs ein, Kittel im halblinken Mittelfeld. Der HSV fokussierte nun wieder stärker das Spiel über das Zentrum, erst im letzten Drittel spielten sie den Ball nach Außen.

Entscheidender war aber eine Systemumstellung, die Hecking vornahm: Spätestens nach der Einwechslung von Jairo Samperio (73., für Dudziak) agierte der HSV mit sehr breiten Raute. Martin Harnik rückte neben Lukas Hinterseer in den Sturm. Vor allem Letzterer überraschte durch die weiten Wege, die er ging: Hinterseer bewegte sich häufig auf den rechten Flügel. Der eingewechselte Jairo Samperio konnte dadurch etwas zentraler bleiben, er bekam häufig den Ball im Halbraum oder an der Kante Elfmeterpunkt-Strafraum.

Der HSV profitierte in dieser Phase von einem müder werdenden Gegner. Sandhausen gab das frühe Pressing in der Raute auf, stattdessen zogen sie sich konsequent an den eigenen Strafraum zurück. Auf Hamburgs Raute antworteten sie mit einer Umstellung zurück auf eine Raute. Kontrolle erlangten sie über das Spiel damit nicht. Der HSV wich zu weit aus, zeigte sich zu weiträumig in den Bewegungen.

Tore nicht gemacht

 

Am Ende standen 24 Schüsse für den HSV am Konto. Der HSV war von neunzig Minuten mindestens 70 dominant und klar besser als der Gegner. Drei Euro ins Phrasenschwein, aber: Das alles hilft nichts, wenn vorne die Chancen nicht verwertet werden. Außer dem Ausgleichstreffer durch Hinterseer (75.) erzielte der HSV kein Tor mehr.

Zumindest spielerisch konnte Hecking mit seiner überraschenden Aufstellung den Abwärtstrend stoppen. Die Chancenverwertung ist das zentrale Thema des HSV in dieser Saison. Gegen Darmstadt müssen diese Ansätze am kommenden Samstag veredelt werden – mit Toren.

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