Marcus Scholz

28. Juli 2020

„Wer den Schaden hat, der braucht für Spott nicht zu sorgen“ - heißt es . Und auf wenige Klubs trifft das momentan noch mehr zu, als auf den HSV. Wobei, ein Verein würde mir da sofort einfallen: Der arg gebeutelte Clemens-Tönnies-Klub FC Schalke 04, dem nach etlichen auf Jahre bereits vorfinanzierte Einnahmen und dem Verlust von Milliardär Tönnies schnell ein sehr ähnliches Schicksal wiederfahren könnte, wie dem HSV. Dass sich heute ausgerechnet ein Schalke-Idol und einer meiner absoluten Lieblingsspieler aus meiner Jugend (vor allem wegen des geilen Fallrückziehertreffers im WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich) über den HSV ärgert – es entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Aber dieser Umstand darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gesagte sehr wohl zutrifft und tatsächlich alles andere als komisch ist. „Die haben so viele Probleme, die sie sich wahrscheinlich selbst gemacht haben. Da kann man mal sehen, dass es nicht so einfach ist, von der 2. in die 1. Liga aufzusteigen“, sagte der heute 70-jährige Fischer dem NDR und kritisierte dabei vor allem die Führung des HSV: „Wer ist denn beim HSV vorne in der Führung ein ehemaliger Fußballer? Ich wüsste keinen. Ein Marcell Jansen – um Gottes Willen. Wenn man sich die Spieler mal angeschaut hat, fragt man sich, wer für den Einkauf verantwortlich war. Wie kommen die auf solche Spieler?“

Mein Jugendheld Fischer nimmt HSV ausenander

Harter Tobak vom „Schützen des Tores des Jahrhunderts“, dem aber schon die Statistik des HSV Recht gibt.  Fraglich finde ich allerdings, dass Fischer sich aus größerer Entfernung dazu herablässt, den HSV so zu kritisieren. Und wäre ich aktuell in der Führungsetage des HSV, ich würde Fischer wahrscheinlich noch immer für seine Fallrückzieher lieben, aber ich würde seine Äußerungen nicht allzu ernst nehmen.

„Der Blick zurück bringt uns nichts mehr“, hatte Dieter Hecking schon vor einem Jahr bei seinem Amtsantritt in Hamburg gesagt – und diesen Satz jetzt nach Bekanntgabe seiner Unterschrift als Sportvorstand des 1. FC Nürnberg übrgens wiederholt. Und auch Neu-HSV-Trainer Daniel Thioune hatte diesen Satz sinngemäß formuliert, als er sich in Hamburg das erste Mal vorstellte. Und ich behaupte, vor allem für ihn muss dieser Satz auch uneingeschränkt gelten. Denn er ist es, der aktuell mit den HSV-Verantwortlichen einen neuen HSV aufbauen soll – und will.

Mit anderen Worten, Fischers Worte sind ebenso korrekt für die Vergangenheit, wie irrelevant für die neue sportliche Führung des HSV, die aktuell weiter auf der Suche nach einem Innenverteidiger und einem Mittelstürmer ist – dafür aber zunächst abwarten muss, dass Gelder erlöst werden. Ein Thema ist dabei der neue Hauptsponsor, mit dem der HSV dem Vernehmen nach schon in weit fortgeschrittenen Gesprächen steckt.

Zuletzt hatte der ausgeschiedene Hauptsponsor Emirates 1,4 Millionen Euro pro Jahr gezahlt. Ein Betrag, den der neue Hauptsponsor deutlich überschreiten soll. Zusammengerechnet mit dem Verkauf des Namensrechtes (zuletzt hatte Klaus Michael Kühne hier rund 4 Millionen Euro pro Jahr gezahlt) am Stadion hofft der HSV darauf, die Gesamtsumme von gut 5 Millionen Euro wieder zu erzielen. In einem Abendblatt-Interview hatte HSV-Chef-Vermarkter Hendrik Schiphorst gesagt: „Wir sind optimistisch, dass wir mit beiden Partnerschaften zusammen auf ein ähnliches finanzielles Volumen wie vorher kommen.“ Und wenn meine Informationen stimmen, dann hofft man das nach den bisher geführten Gesprächen noch immer. „Tatsächlich gibt es durch den erstmaligen Wechsel des Hauptsponsors seit 14 Jahren finanziell für den HSV mehr Chancen als Risiken“, so Schiphorst weiter.

Weitere Anteilsverkäufe sollen und können helfen

Wobei sich jetzt eine weitere Einnahmequelle aufgetan haben soll, wie die BILD heute berichtet. Demnach stünden die HSV-Verantwortlichen um Finanzvorstand Frank Wettstein in direkten Verhandlungen zum Verkauf der letzten 1,09 Prozent der AG-Anteile, die noch bis zu der satzungsmäßig festgelegten  Obergrenze von 24,9 Prozent zu erwerben sind. Rund vier Millionen Euro sollen dafür geboten worden sein. Ein guter Preis, wenn man bedenkt, dass dieser Preis auch von den bisherigen Anteilseignern gefordert worden war – auf Erstligaebene wohlgemerkt. Demnach würde der Unternehmenswert des HSV auf aktuell auf rund 370 Millionen geschätzt werden, was realistisch klingt – was aber angesichts früherer Tage und dem, was der HSV eigentlich darstellen könnte/sollte/müsste eher traurig ist.

Wir hatten Euch gefragt, ob Ihr einen Anteilsverkauf befürworten oder ablehnen würdet. Und Stand 19 Uhr waren mehr als 85 Prozent der Meinung, ein Anteilsverkauf wäre sinnvoll. Eine Meinung, die man sehr kontrovers diskutieren kann. Denn zum einen kann es laufen wie Fischer es für die letzten Jahre korrekt zusammengefasst hat und der HSV verbrät die vier Millionen für Spieler, die nicht helfen. Zum anderen aber ist der HSV wie nahezu alle anderen Klubs durch die Coronakrise dazu gezwungen, sowohl zu sparen als auch alternative Geldquellen aufzutun. Und ein Anteilsverkauf – zumal zu dem Preis – ist zweifellos eine solche Alternative.

Es wird letztlich wie immer die eine, alles entscheidende Frage sein: Was machen die Verantwortlichen aus dem Geld? Und wenn meine Infos stimmen, wird zumindest bei der Kaderplanung endlich ein Weg gegangen, der nach einer Strategie klingt. Soll heißen: Der Trainer gibt vor, welche Qualität er für welche Position braucht, und die HSV-Scouts um Sportdirektor Michael Mutzel suchen nach passenden Kandidaten. Der neue Trainer hat demnach einen klaren Plan, was er spielen lassen will. Vor allem aber macht er sich so komplett frei von alten Seilschaften zu befreundeten Spielern und vor allem Spielerberatern und fokussiert seine Auswahl ausschließlich auf die Qualität.

Thiounes Kaderplanung ist wohltuend vernünftig

Dass auch das kein Garant für Erfolg ist – logisch. Zuletzt sind beim HSV viele Spieler gewesen, deren nominelle Qualitäten definitiv geholfen hätten, aber eben nicht abgerufen wurden oder anders formuliert: nicht abgerufen werden konnten. Aber es ist zumindest einmal ein erster Schritt in die richtige Richtung. Das Herunterbrechen der Spielerwünsche auf die Attribute des jeweils Neuen kann als eine Art Selbstschutz verstanden wissen.

Sollte das am Ende auch noch erfolgreich sein, könnte das der Plan sein, den beispielsweise Ex-NDR-Kommentator Gerhard Delling in einem sehr hörenswerten Podcast beim Hamburger Abendblatt gefordert hatte. Der ehemalige ARD-Kommentator hatte prophezeit, dass Investor, Sponsor und Klub-Mäzen Klaus Michael Kühne wieder ins Boot zu holen zu wäre mit einem entsprechend klaren, guten Plan.  Sofern das überhaupt gewollt ist.

Aber, und das ist für mich entscheidend, Thiuones Plan für den Kader des HSV ist losgelöst von Spielern, die er kennt bzw. mit denen er vorher gut zusammengearbeitet hat. Es ist ein Plan, der von der Art her wohltuend vernünftig klingt. Denn er ist, wie gestern an dieser Stelle gefordert, frei von Eitelkeiten und von persönlichen Beziehungen. Er ist ausschließlich geprägt vom Wunsch, den HSV zu verbessern. Eben einfach vernünftig.

Einen vernünftigen Weg versucht derzeit auch die DFL zu finden, um in den Stadion wieder Zuschauer zuzulassen. Ich habe hierzu ein paar Unterlagen erhalten und werde mich mit dem Thema morgen einmal intensiver befassen. Zudem kann ich Euch neben dem MorningCall um 7.30 Uhr für den Nachmittag wieder den Community-Talk empfehlen, in dem Janik und ich wieder versuchen werden, alle Eure Fragen rund um den HSV zu beantworten.

Bis dahin Euch allen noch einen schönen Abend!

Scholle

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