Marcus Scholz

12. August 2020

Michael Mutzel hat beim HSV derzeit wahrscheinlich den Job, bei dem er am allerwenigsten gewinnen kann: Er muss den Kader zusammenstellen. Dementsprechend gefragt ist der Sportdirektor derzeit auch. Noch nimmt er das Ganze mit einem Lächeln. „Die Bedingungen sind perfekt. Der Trainer geht eine hohe Intensität trotz der Temperaturen und die Mannschaft zeigt eine hohe Bereitschaft – es ist ein guter erster Eindruck“, sagt Mutzel heute im Gespräch am Rande des Vormittagstrainings. Er weiß, dass er gleich auf seinen Bereich angesprochen wird, der aktuell noch relativ brachliegt. Nirgendwo warten die HSV-Anhänger mehr auf positive Vollzugsmeldungen, als bei Transfers. Auch deshalb ergreift Mutzel die Flucht nach vorn. „„Es hat sich ja schon eine bisschen was verändert. Wir haben nicht mehr so viele Jungs da. Letztes Jahr war es schon ein ganz großer Kader. Jetzt sind ein paar Jungs von unten dabei fürs Training.“

Neue gibt es bislang zwei. Amadou Onana und Klaus Gjasula sind fürs defensive Mittelfeld gekommen. In der Innenverteidigung und im Angriff wird weiter intensiv gesucht. Und ehrlich gesagt, scheint es inzwischen fast jeden Tag einen Namen zu geben, der mit dem HSV in Verbindung gebracht wird. Nicht immer neue – so wurde heute zum wiederholten Male Simon Terodde vom 1. FC Köln beim HSV ins Gespräch gebracht, nachdem gestern erst Karlsruhes Philpp Hofmann als heißester Kandidat ins Spiel gebracht worden war. Dass der HSV einen kräftigen groß gewachsenen Stürmer sucht, ist klar. Ob Hofmann für den HSV interessant sei? Mutzel weicht aus. „Es ist ja nicht nur sein Name gefallen, sondern noch gefühlt jeder Zweitligastürmer“, so Mutzel, der wie sonst auch auf einen Kommentar zu Gerüchten verzichtet. Stattdessen sagt er: „Ich will dazu noch mal sagen, dass mir da Lukas in der letzten Zeit auch zu schlecht gemacht wurde. Ich habe noch mal geguckt, er hat in den letzten drei Saisons in 90 Spielen 55 Torbeteiligungen. Jetzt nach dem ersten Test zu sagen, wir sind da zu schlecht aufgestellt, halte ich für nicht richtig. Wir sind froh, die Jungs hier zu haben, halten aber immer auch Augen und Ohren offen. Aber alle Namen zu kommentieren wäre schwierig. Das würde zu lange dauern.“ Dennoch sei Hofmann, so sagt es Mutzel, „ein guter Spieler“.

Der HSV kann aktuell keine Ablösesummen zahlen

Wenn man mit den Kader-Verantwortlichen spricht, kann man sich die Antworten zu den Fragen schon denken. Solange nichts passiert, sprich: niemand verpflichtet wird, werden alle Beteiligten betonen, dass sie fleißig im Hintergrund arbeiten und den einen, richtigen Moment abwarten. Warum? Weil es stimmt. So sagt heute auch Mutzel: „Wir haben ganz klar gesagt, wir lassen uns jetzt auch nicht treiben. Wir wissen, dass der Markt anders ist. Und wenn wir etwas machen wollen, dann muss es auch passen. Wir sind da ganz entspannt, sind im Austausch, sind aktiv und werden nur etwas machen, wenn wir auch sagen, dass es passt hundertprozentig.“

Sätze, die jedes Jahr fallen. Wobei man dieses Jahr tatsächlich eine besondere Situation auf dem Transfermarkt vorfindet. Die Coronakrise hat die Vereine finanziell nachhaltig geschwächt. Die einen können nicht agieren – die anderen wollen noch nicht. Die zuvor aberwitzigen Millionenablösen der letzten Jahre wird es wahrscheinlich trotzdem noch geben – allerdings nur noch auf allerhöchster Ebene bei den Top-Ten Europas. „Es ist schon schwieriger geworden als in den vergangenen Jahren“, erklärt Mutzel, „da hat die Coronakrise schon Wirkung gezeigt auf dem Transfermarkt. Ich glaube, das beobachten alle, dass es wenige Transfers gibt. Große Transfers auch nur von den großen Vereinen, die auch richtig Polster haben. Ansonsten ist jeder noch etwas vorsichtig.“

Auch der HSV. Aktuell fehlen dem HSV zum einen Verkäufe von Spielern, die man loswerden möchte. Zum anderen müssen Einnahmen aus Werbebereichen generiert werden, die verlässlicher planen lassen. Dass „Ich weiß, dass alle daran arbeiten, dass wir diese Krise meistern. Ich weiß, dass was passiert und alle Gas geben, damit wir hier im Sport eine gute Möglichkeit haben. Die Krise hat sicher auch bei uns Wirkung hinterlassen. Wie auch sonst bei allen Vereinen in ganz Europa. Ob der HSV überhaupt in der Lage ist, bei Ablösesummen wie bei Hofmann (Marktwert 1,5 Millionen Euro) mitzubieten? Eher nicht.

 

Auch deshalb ist Mutzels Position ebenso wichtig wie er selbst im Moment ohnmächtig. Der HSV muss darauf hoffen, dass sich andere bewegen. Entweder mit Werbeeinnahmen oder eben mit Transfers, die den Markt in Schwung bringen. „Deshalb ist der Markt so schwierig. Große Ablösesummen sind für uns nicht machbar. Wie wahrscheinlich für alle Klubs in Deutschland – abgesehen von den Großen.“ Klar ist dabei nur, und das weiß auch Mutzel, dass der HSV nicht mehr als Erster zugreifen kann. Dafür fehlen die Mittel und Perspektiven. Mutzel und Co. müssen warten, bis sich der Post-Corona-Markt auch für die kleinen Klubs sortiert hat. Was ich meine? Mutzel erklärt es: „Die Summen sind allen noch gar nicht klar. Die zwei Millionen Euro Ablöse von heute sind die acht Millionen von vorher. Nur ist das bei den ganzen Vereinen noch nicht so ganz angekommen. Weil jetzt jeder Verein das Maximale herausholen will, aber der Markt es nicht hergibt. Niemand ist bereit, höhere Summen zu zahlen.“

„2 Millionen heute sind wie 8 Millionen vorher“ 

Auf der anderen Seite aber will jeder Verein die maximale Ablöse generieren, um das Corona-Minus ein wenig abzufedern. Der Traum vom Mega-Angebot irgendeines überpotenten Topklubs ist überall. Mutzel: „Jeder abgebende Verein hofft auf die hohen Summen. Deshalb kann man nicht pauschal sagen, das geht und das nicht. Da passieren wöchentlich Dinge. Da gibt’s Abschlüsse mit einer Versicherung, mit Sponsoren – wir können nicht eine Summe sagen sondern sind im ständigen Austausch. Daher ist es sehr anspruchsvoll den richtigen Moment abzuwarten, wo wir sagen, jetzt passt alles optimal.“ Ob bis zum Trainingslager am 24. August noch etwas passiert? „Das kann ich nicht pauschal sagen“, so Mutzel, „der Wunsch ist, alle schnell beisammen zu haben. Deshalb ist es ja gerade so schwierig. Wir müssen aber gucken, dass es passt. Und wenn das etwas später ist - dann ist das etwas später.“

Bis dahin macht der HSV das, was er machen kann: Er betont die Chance, die sich dadurch jungen Spielern bietet. „Es wurde auch ausgerufen, dass wir ein Stück weit mehr entwickeln wollen und müssen“, so der Sportdirektor. „Man sieht auf dem Platz ja auch gerade sehr viele junge, talentierte Spieler. Das ist schon ein Weg, den wir gehen wollen. Erfolgreich sein und mehr jungen Spielern die Chancen geben, damit die auf die nächste Stufe kommen. Die Jungs dafür sind da.“ Das hätten zuletzt gegen Hansa Rostock insbesondere Jonas David und Stephan Ambrosius gezeigt. Mutzel: „Es gab schon viele Beispiele, wo junge Spieler spielen mussten und ihre Chance genutzt haben.“

 

Mutzel selbst ist seit dieser Saison noch ein Stück weiter raus aus dem Nachwuchs in Richtung Profimannschaft gerückt. Er sei noch ein bisschen näher dran an Trainer und Mannschaft, da man für den Nachwuchs Horst Hrubesch hatte gewinnen können. „Das Thema Nachwuchs zu machen bzw. mitzumachen, ist sehr schwierig“, gesteht Mutzel Probleme in der Vergangenheit ein, „dafür musst du sehr präsent sein. Und Horst ist jemand, der komplett im Nachwuchs da ist.“ In Zukunft würde man sich weiterhin regelmäßiger austauschen. Die Verzahnung von Nachwuchs- und Profibereich soll mit Hrubesch noch einmal intensiviert werden. Mutzels klare Ansage: „Das wird mit Sicherheit auch reibungslos funktionieren.“

Mutzel über Amaechi: „Tendenz geht nach oben“

Bei Mutzels erstem, großen Nachwuchstransfer war es bislang nicht erfolgreich. Der mit 2,5-Millionen Euro teure Youngster Xavier Amaechi konnte sich in der vergangenen Saison nicht durchsetzen. Dieses Jahr soll ein neuer Anlauf genommen werden. Mutzel: „Ich hoffe, dass er einen Schritt weiterkommt. Er ist letztes Jahr schon trotz der wenigen Spiele einen großen Schritt weitergekommen. Im Training hinterlässt er gute Eindrücke. Wichtig ist die Tendenz - und die geht nach oben.“ Hoffentlich nicht nur da.

In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich selbstverständlich um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch und der HSV trainiert wieder doppelt. Leider auch weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit. 

Scholle

 

P.S.: Zu Simon Teroddes Wechselgedanken hat sich inzwischen auch Kölns Sportdirektor Horst Heldt geäußert: „Es gibt kein Angebot. Wenn jemand nicht spielt, macht er sich Gedanken. Wir haben mit Simon aber einen guten Austausch. Alles ist möglich. Wir arbeiten sehr gerne mit ihm zusammen und haben nicht den Drang oder die Notwendigkeit, ihn abzugeben.“

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