22. Dezember 2018
Köln verliert am Freitagabend und eröffnet dem HSV die tolle Gelegenheit, seinen Herbst- und Weihnachtsmeister-Titel mit drei weiteren Punkten Vorsprung auf Rang zwei auszubauen. Also alles top, oder? Ja! Denn sportlich stimmt es tatsächlich. Heute konnten Leo Lacroix und auch Pierre Michel Lasogga sowie Hee-chan Hwang wieder voll mittrainieren und stehen allesamt morgen im Kader für das Spiel bei Holstein Kiel, das das erste Spiel der Rückserie ist und als Wiedergutmachung für das 0:3 aus dem Hinspiel herhalten soll. Und wer Wolf beim Abschlusstraining beobachtet hat, der konnte sehen, dass dieser HSV ohne auch nur einen Hoch von Überheblichkeit in das Spiel beim Tabellenfünften gehen wird. Und das ist auch gut so. Denn viel wichtiger als diese Titelchen bisher sind die Punkte auf dem Konto: Und ein Vier-Punkte-Vorsprung auf den Zweiten würde die Weihnachtszeit eines jeden HSVers zweifellos extrem versüßen.
Weniger schön ist das Drumherum derzeit. Zumindest das, was sich da gerade abzeichnet. Denn schon im Vorfeld wird politisiert und Wahlkampf betrieben. Das war zu erwarten. Wie immer. Und mittendrin beschweren sich jetzt - ebenfalls erwartungsgemäß - die abgelehnten Kandidaten, oder besser gesagt: in diesem Fall ein Kandidat, öffentlich darüber, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Der nicht zugelassene Anwalt Rainer Ferslev bedient sich dabei der fragwürdigen Methode, angeblich eine Kandidatin schützen zu wollen, nur um seine Ablehnung damit ebenfalls infrage zu stellen. Und das alles ohne die Anführung auch nur eines einzigen Beweises, was zumindest als Indiz dafür gewertet werden darf, dass der Beirat zumindest in der Personalie Ferslev die richtige Entscheidung getroffen hat.
Und, nur damit das hier niemand falsch versteht, auch ich glaube, dass der Beirat niemals komplett objektiv beurteilen kann. Der Beirat - so eine Art Wahlmann für die Mitgliedschaft - ist für mich Segen und Fluch zugleich. Denn dem willkommenen Vorsortieren des demokratisch gewählten Beirats, der den Kandidaten die Bühne vorenthalten soll, die Mitgliederversammlung inhaltlos einfach einmal für ihren großen Auftritt nutzen wollen, steht das schlagende Argument gegenüber, dass letztlich die Mitglieder entscheiden sollten, wer die beste Wahl ist. Und das komplett unabhängig von der subjektiven Meinung der fünf Beiräte, die schlichtweg nie alle Mitgliedermeinungen vereinen können. Selbst wenn sie es wollten…
Entzweien wird die Mitglieder offensichtlich auch wieder die Frage, ob der jeweilige Präsidentschaftskandidat pro oder contra Bernd Hoffmann ist. Schon seit einiger zeit wird direkter Wahlkampf betrieben. Und das weitert sich aus. Bernd Hoffmann wird vorgeworfen, sich in den Abteilung und insbesondere bei Fanclubs für Marcell Jansen stark zu machen, was er selbst leugnet. Auf der anderen Seite wird das Schreckensszenario des allmächtigen, bösen Bernd Hoffmanns gezeichnet, sofern denn „sein“ Kandidat Jansen am Ende die Wahl gewinnt. Immerhin würde Jansen dem Vorstandsvorsitzenden in seinem versprochenen Gehorsam auch die verbliebenen 76 Prozent der AG-Anteile mehr oder weniger widerstandslos anvertrauen.
Tja - das ist der HSV, wie ihn eigentlich keiner mehr erleben will, oder? Und trotzdem machen alle wieder mit. Dass das alles nur in einer Niederlage für alle enden kann ist dabei von vornherein klar. Und so wenig ich tatsächlich daran geglaubt habe, so etwas verhindern zu können, so wenig Lust habe ich, dem Theater zu folgen, es nachzuzeichnen und zu beurteilen. Denn nichts von dem, was jetzt passiert, kommt unerwartet. Im Gegenteil. Es kotzt einen (also mich zumindest) ehrlich gesagt nur noch an.
Denn es geht hier schon wieder nicht um den HSV, also lange nicht mehre um den Besten/die Beste für das Amt, sondern um die Interessen vieler anderer. Dass ausgerechnet der mit Abstand extrovertierteste Kandidat Jürgen Hunke bislang am ruhigsten ist - überrascht ein wenig. Dass der prominenteste Kandidat, Marcell Jansen, via BiILD-Interviews immer wieder sehr präsent ist, während Dr. Ralph Hartmann noch gar nicht aufgetaucht ist, eher nicht. So funktioniert (sicher nicht nur) der Boulevard.
Aber: Er ermöglicht Klüngel, er erschafft Klüngel - und er beschwert sich am Ende darüber. So lange sich Geschichten ergeben, ist alles genommen. Dafür werden Deals gemacht. Wer Infos gibt, bekommt Geschichten/wird gestützt. Und ich rede hier nicht mehr nur über den HSV oder den Fußball an sich. Nein, das größte Problem heute ist, dass sich viele Leser mehr von Schlagzeilen beeinflussen lassen als von den Tatsachen, die tatsächlich dahinterstehen.
Populismus schlägt Inhalte - das hat der HSV absolut nicht exklusiv, wie wir anhand (viel zu) vieler Wahlergebnisse überall auf der Welt erkennen können. Immer häufiger wiegen substanzlose Versprechungen schwerer als deutlich inhaltlicher orientierte, realistischere und dadurch weniger glamouröse Lösungsansätze. Übrigens ist diese, meine Theorie auch ein Argument gegen die Briefwahl, die ich als überzeugter Demokrat an sich als wichtig erachte. Denn wer als Mitglied beim HSV als Zahler willkommen ist, der sollte auch über die Geschicke seines Klubs mitbestimmen dürfen.
Selbst dann, wenn es die Gefahr deutlich erhöht, dass Wahlen weniger über die Inhalte denn über die PR des/der jeweiligen Kandidaten/-in entscheiden werden. Immerhin bekommt ein in Hamburg lebendes und oftmals vor Ort bei Veranstaltungen anwesendes Mitglied naturgemäß mehr mit als ein in München lebendes HSV-Mitglied.
Aber, Demokratie bedeutet eben auch, ein demokratisch gewähltes Ergebnis anzuerkennen, das man selbst so nicht gewählt hat. Und das sehr gern in konstruktiver Opposition, die ich in jedem größeren Gemeinschaft für unabdingbar halte, womit ich gern einen Wunsch loswerden würde zu Weihnachten bzw. zur MV im Januar: Ich wen sehe mir für den HSV einen Präsidenten, der sich als Vertreter der e.V.-Mitglieder in eine konstruktive Oppositionzu dem AG-Vorstand begibt. Das bedeutet, er darf sich sehr gern sehr gut mit dem aktuellen Vorstand(svorsitzenden) verstehen, solange er die Interessen der 85.000 Mitglieder (von denen 97 Prozent nicht wählen konnten) vertritt. Was das bedeutet, muss jeder für sich entscheiden. Und dann auch bestem Wissen und Gewissen wählen.
In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich noch einmal vor Heiligabend bei Euch und hoffe, Euch von einem packenden, hochklassigen Auswärtssieg berichten zu können, bei dem Fiete Arp leider nicht mitwirken kann. Der junge Angreifer hat seine Halsentzündung zwar auskuriert, ist aber körperlich noch nicht wieder bei 100 Prozent. Für ihn reiste Manuel Wintzheimer ebenso mit nach Kiel wie Pierre Michel Lasogga und Leo Lacroix.
Die beiden Letztgenannten konnten heute im Abschlusstraining komplett mittrainieren und spielten im B-Team, während das A-Team identisch zur Vorwoche aufgestellt war. Sollten beide auch morgen noch gesund sein, sollen beide dabei bleiben, während voraussichtlich Manuel Wintzheimer oder Matti Steinmann aus dem 19-Mann starken Kader (Pollersbeck, Lacroix, van Drongelen, Bates, Santos, Narey, Holtby, Lasogga, Ito, Mickel, Moritz, Hunt, Jatta, Wintzheimer, Hwang, Sakai, Mangala, Vagnoman, Steinmann) gestrichen werden könnten. Soll heißen, für morgen erwarte ich folgende Startelf: Pollersbeck - Sakai, Bates, van Drongelen, Santos - Mangala - Narey, Holtby, Hunt, Jatta - Hwang.
Bis morgen! Scholle