Marcus Scholz

10. Dezember 2017

Es war erstaunlich gesellig in kleiner Presserunde heute Mittag, als HSV-Trainer Markus Gisdol noch einmal seine Eindrücke vom jüngsten 0:0 gegen den VfL Wolfsburg schilderte und auf die Partie gegen Eintracht Frankfurt übermorgen blickte. Nur zwei Kameras standen vor Gisdol – eine davon auch noch vom HSV selbst. „Das zeigt, dass keine Krise ist“, schmunzelte der Trainer vorab. Das hat es wohl lange nicht gegeben, dass Bayern, Dortmund, Bremen und dazu noch der FC St. Pauli ihren Trainer getauscht haben, ehe beim HSV die Debatte ernsthaft aufgekommen ist. Ist das bereits ein Zeichen einer neuen Stabilität rund um den Volkspark? Markus Gisdol will sich nicht blenden lassen. „Es ist zu früh, davon zu sprechen. So etwas kann man nach einer Saison sagen. Natürlich sehe ich uns nach drei Spielen in Folge ohne Gegentor stabiler. Aber es ist nur eine Momentaufnahme. Wir sind überhaupt nicht über den Berg, und es ist noch nicht normal. Wir müssen weiter hart arbeiten und Einsatz zeigen.“

Die Lage in der Tabelle ist ja auch nach wie vor angespannt. 15 Punkte nach 15 Spielen sind die Bilanz eines Teams, das sich im Abstiegskampf befindet. Wie eng dieser Abstiegskampf sein wird, zeichnet sich nach dem dramatischen 4:3 des SC Freiburg heute bei den fast schon bedauernswerten (und fast schon vorzeitig abgestiegenen Kölnern) ab. Und die Aussichten, dass sich daran grundlegend etwas ändert bis Weihnachten, sind angesichts der schweren Partien gegen Eintracht Frankfurt (zweitbeste Auswärts-Mannschaft) und bei Borussia Mönchengladbach (auf Kurs Champions- oder Europa League) auch nicht rosig. Dennoch: Der HSV scheint seine Ergebniskrise aus dem September/Oktober überwunden zu haben. „Es hilft uns, dass wir eine Achse haben“, sagte Markus Gisdol. Dazu zählt er den Torwart Christian Mathenia („Bemerkenswert, wie stabil er im Moment spielt“), die Innenverteidiger Mergim Mavraj und Kyriakos Papadopoulos („Wir haben da oft gute Lösungen gefunden, auch wenn Rick van Drongelen gespielt hat“) und das defensive Mittelfeld („Alle Sechser verleihen uns Stabilität“).

Vor allem um ‚Papa‘ gibt es dabei Schlagzeilen. Der Grieche wurde vom Wolfsburger Stürmer Mario Gomez gestern nach dem Spiel angegangen. Fairplay sei bei Papadopoulos nur minimal ausgeprägt, er sei kein Sportsmann, schimpfte Gomez, der sich am Hamburger Abwehrspieler die Zähne ausbiss. Abgesehen davon, dass Gomez selbst von seinem Trainer Martin Schmidt relativ wenig Unterstützung für diese Thesen erhielt, bekannte sich auch Gisdol deutlich zu Papadopoulos. „Wir alle lieben ihn wegen seiner Spielweise und seiner Art hier in Hamburg. Es ist alles im Rahmen, was er macht.“

Dazu zählt Gisdol auch die Gestik des Griechen, der als ständiger Anpeitscher funktioniert. Und so gewaltig ‚Papas‘ Rettungsaktionen manchmal aussehen, so erstaunlich ist darüber hinaus, mit welch gutem Timing er seine Grätschen ansetzt. Da kann man als gegnerischer Stürmer schon mal frustriert sein. Vor allen Dingen, wenn so gut wie gar nichts gelingt. 13:2 Torschüsse für den HSV – eine beeindruckende Statistik. Vor zwei Wochen haben die Hamburger schon Hoffenheim weitgehend vom eigenen Tor weggehalten. Nun die Wolfsburger, wobei deren zwei Torschüsse noch dazu völlig harmlos waren.

Das Fazit des Wolfsburg-Spiels würde noch positiver ausfallen, wenn der HSV nach vorn effektiver wäre. Nicht jeder der 13 Torschüsse war eine Top-Chance, und die Gelegenheiten, die als 100-Prozentig zu bezeichnen sind, haben nicht gesessen. „Wir haben gegen Hoffenheim und Stuttgart jeweils drei Treffer erzielt. Da hätte ich mir gern ein Tor aufgehoben für das Duell mit Wolfsburg“, so Gisdol. War aber nicht, das ist der fade Beigeschmack dieses Spiels, der verhindert hat, dass die Hamburger einen großen Schritt unten raus machen konnten.

An Fiete Arp liegt es ganz sicher nicht. Natürlich hätte er seine große Chance in der 31. Minute machen können, nachdem er zunächst den Wolfsburger Verteidiger Uduokhai aussteigen ließ, den Ball dann auch an Keeper Casteels, aber eben auch am VfL Tor vorbeischob. Dennoch: „Es wundert mich ein wenig und überrascht mich positiv, wie er dagegen hält – auch körperlich. Man darf nicht vergessen: Vor einem halben Jahr hat Fiete noch U 17 gespielt. Er zeigt keine Einbrüche oder Schwächephasen. Ich traue ihm zu, auch in den restlichen beiden Spielen noch zwei Mal voll zu gehen.“ Das sagte Markus Gisdol über Fiete Arp.

Tatsächlich wirkt Arp jetzt schon besser gerüstet für die Bundesliga als beispielsweise der drei Jahre ältere Tatsuya Ito, der gestern nicht so zaubern konnte, wie er das schon gezeigt hat. Gisdol über Arp: „Ich weiß nicht, ob Hoffnungsträger der richtige Begriff für ihn ist. Aber für den HSV und für die Stadt Hamburg tut es gut, wenn wir so einen jungen Burschen haben, so eine blonden Hamburger. Das ist ein positives Image für unseren Club.“ Aber Gisdol rechnet auch damit, dass es bei Fiete nicht nur bergauf gehen kann. Das anstehende Abitur werden diesen „jungen Burschen“ noch ordentlich fordern. „Das wird eine schwierige Phase und eine Doppelbelastung, keine Frage.“

Möglich ist, dass nun gegen Eintracht Frankfurt eine Mini-Rotation beim HSV greift. Vielleicht ein bis zwei Positionen, höchstens drei – das deutete der Trainer heute an. Wobei es keine Blessuren aus dem gestrigen Spiel gibt. Mit Bobby Woods Rückkehr ist noch nicht zu rechnen. Der Amerikaner musste gestern ja mit Knie-Problemen passen. Großen Respekt vor dem anstehenden Gegner hat Gisdol allemal. Frankfurt sei ein „dicker Brocken“, eine Mannschaft die „auswärts stärker aufgetreten ist als zu Hause“. So gesehen werde es keine wahnsinnige Anzahl an Tormöglichkeiten geben.

Vermutlich wird die Zuschauerzahl auch nicht wahninnig berauschend sein. Gestern waren etwa 45.200 Fans im Stadion. Minusrekord für diese Saison. Gegen Frankfurt sind bisher noch weniger Karten verkauft worden, so dass der Zuschauerschnitt weiter sinken dürfte. Man hat den Eindruck, dass dies die Spätfolgen des jahrelangen Abwärtstrends sind. Angesichts der Tatsache, dass die Top-Teams der Liga alle schon im Volkspark waren und der Winter noch lang ist, wackelt womöglich erstmals seit langer Zeit wieder die 50.000er Marke. Sollten gegen Frankfurt 45.000 kommen, was nach heutigem Stand eher optimistisch ist, dann ginge der HSV mit einem Zuschauer-Durchschnitt von 50.658 in die Winterpause.

Und nun noch ein Hinweis: Andre Hahn ist ab 18 Uhr im "Sportplatz Hamburg" bei NDR 90,3 Studiogast von Britta Kehrhahn. Das komplette Interview gibt's zum Nachhören hier.

Morgen meldet sich Scholle wieder bei Euch. Habt einen schönen Restsonntag!

Lars

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