Marcus Scholz

4. August 2020

Der zweite Trainngstag der Sommervorbereitung hatte beim HSV lediglich einen Seitenwechsel zur Folge. Soll heißen, die Spieler, die gestern im UKE ihre medizinischen Leistungstests abgelegt hatten, waren heute im Gym des HSV-Campus am Volksparkstadion – und umgekehrt. Morgen soll es dann das erste Mal auf den Platz gehen mit allen Spielern. Alles unter Ausschluss von Zuschauern – leider. Und: Noch. Denn die DFL hat heute einen ersten Schritt hin zur Öffnung für Zuschauer bei Spielen gemacht. Der Weg zu Zuschauern beim Training dürfte dementsprechend ebenfalls nicht mehr weit sein. „Der Profifußball kann wie alle anderen Bereiche nur in Etappen zurückkommen in einen Normalbetrieb. Es wird nicht diesen einen initialen Moment geben, dass die Politik den Startschuss gibt für volle Stadien ab dem nächsten Spieltag“, sagte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert heute im Anschluss an die Vollversammlung der 36 DFL-Klubs. Ansätze wie „alle oder keiner“ seien zwar nachvollziehbar, so Seifert, aber eben auch nicht zielführend. Der DFL-Boss: „Der Fußball muss in kleinen Schritten die Normalität für uns zurückerobern, das geht nicht von null auf 100.“

Und während sich viele jetzt darauf freuen, wieder ins Stadion zu laufen, sehe ich das ganze Thema weiter kritisch. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Großveranstaltungen an sich aus gesundheitlichen Gründen untersagt bleiben sollen, Stadionbesuche aber erlaubt. Der Profifußball an sich hat meiner Meinung nach mit dem Restart der Saison seine Sonderrolle zugewiesen bekommen – und die Chance beachtlich gut genutzt. Dennoch ist der grundsätzliche Erhalt des Spielbetriebes und damit der dazugehörigen Arbeitsplätze in den Klubs  noch einmal etwas anderes, als  die grundsätzliche Umgehung der Corona-Regeln für Fans. Wobei die das selbst gar nicht mal befürworten. Auch das Fan-Bündnis „Unsere Kurve“ hatte die Pläne der DFL schon im Vorfeld kritisiert. „Bei aller Sehnsucht, die ich selber als regelmäßiger Stadiongänger habe, wir leben in einer Pandemie. Und die Vernunft sollte immer den Gesundheitsschutz nach vorne stellen“, sagte Vorstandsmitglied Jost Peter und betonte: „Wenn die Fallzahlen steigen und sich daraus ergibt, dass das Fußballspiel nicht zu besuchen ist, dann habe ich das zu akzeptieren.“

DFL will Zuschauer zulassen - Fans üben Kritik

Dass die DFL indes andere Pläne bei der Rückführung der Stadionzuschauer durchzusetzen versuche, sei im Ergebnis nicht anders erwartet worden, so Peter heute. Falls wieder Zuschauer in die Arenen gelassen werden würden, „würde es eher einem Theaterbesuch ähneln. Mit Fankultur hat das nichts zu tun“, so Peter weiter. Die 36 Vereine der Deutschen Fußball Liga (DFL) hatten sich zuvor auf ein einheitliches Vorgehen zur möglichen Rückkehr zumindest einiger Zuschauer in die Stadien geeinigt. Die Mitgliederversammlung der DFL beschloss auf Antrag des DFL-Präsidiums vorübergehende Änderungen in der Spielordnung: keine Gästefans, keine Stehplätze, kein Alkohol. Seifert: „Die Profiklubs werden bis zum Ende des Jahres auf den Verkauf von Tickets für Gästefans verzichten. Ebenfalls planen die Vereine, die Heimspiele zunächst bis zum 31. Oktober ohne Stehplätze durchzuführen. Vollkommen unberührt davon ist das grundsätzliche Bekenntnis zum Erhalt der Stehplätze. Sollten Spiele mit Fans möglich sein, verzichten die Klubs außerdem auf den Ausschank von Alkohol.“

Ein vierter zentraler Punkt ist die zeitweise Einführung personalisierter Online-Tickets, mit denen während der Corona-Pandemie die Nachverfolgung von Infektionsketten möglich sein soll. Peter indes vermutet, dass auch eine Kontrollfunktion damit erreicht werden könnte. Er forderte: „Die beim Ticketing abgegebenen Daten sollen nur zum Gesundheitsschutz genutzt werden und nicht für andere Zwecke, wie etwa einer Überwachung der Fans.“ Diese Verpflichtung müsse von den Vereinen offen ausgesprochen werden.

Viel wichtiger als das aber fände ich, dass die Fan-Organisationen bei Gesprächen über die von ihnen geforderte Reform des Profifußballs mit am Tisch sitzen. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hat heute angekündigt, dass die Taskforce „Zukunft Profifußball“ im September ihre Arbeit aufnehmen soll und laut DFL-Geschäftsführer Christian Seifert „einige Entwicklungen zur Vergangenheit reflektieren“. Den Arbeitsgruppen sollen Vertreter der Erst- und Zweitligisten, sowie externe Personen aus verschiedenen Bereichen angehören. Die Besetzung solle zeitnah erfolgen. Anschließend werde sich das DFL-Präsidium mit den Ergebnissen beschäftigen und mögliche Maßnahmen intensiv besprechen. Hintergrund sind die zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie entstandene Grundsatzdebatte über Dinge, die sich im Fußball in der Vergangenheit in die falsche Richtung entwickelt haben. Dabei waren vor allem auch die ausufernden Ablösesummen sowie Spieler- und Beratergehälter ein zentrales Thema. Und allein der Umstand, dass man sich damit beschäftigt ist für mich schon grundsätzlich positiv. Es ist zumindest schon einmal ein erster, kleiner Schritt in die richtige Richtung.

 

Und wer heute (Dienstag-Ausgabe) das Interview mit Frank Wettstein im Hamburger Abendblatt gelesen hat, die/der wird erkannt haben, dass man sich hier beim HSV schon sehr ernsthaft Gedanken über einen Liquiditätsengpass macht. Der Finanzvorstand räumte in dem sehr interessanten Interview ein, dass in absehbarer Zeit sehr wohl Szenarien denkbar seien, bei denen man innerhalb des HSV über weitere Anteilsverkäufe nachdenken müsse. Wettstein machte mit rosig gewählten Worten schon deutlich, dass der HSV finanziell am Scheideweg steht.  Insofern käme dem HSV eine solche Gehaltsobergrenze (SalaryCap) sicher nicht ungelegen – und angesichts der insgesamt ausufernden Ablösesummen, Gehälter und TV-Milliarden wäre es sicher auch gesund für den gesamten Fußball.

Diskussion um Salary Cap soll im September beginnen

Zwei Rechtsgutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages waren zu dem Schluss gekommen, dass eine Gehaltsobergrenze durchaus möglich sei. Voraussetzung für eine Deckelung der Millionengehälter sei aber die Einführung durch die Europäische Fußball-Union (Uefa). Seifert äußerte, die Gutachten noch nicht abschließend gelesen zu haben. „Genau in dieser Zeit wird aber, das ist meine Prognose, der wirtschaftliche Druck auf den Profisport im Allgemeinen zunehmen, und alle sind gut beraten, ihre Kostenstruktur zu überdenken.“ Allerdings könne er jetzt schon Parteien im Fußball benennen die eine solche Regelung angreifen würden.

Dennoch bewertet Seifert selbst – zumindest sagt er das - die Gutachten positiv. „Grundsätzlich ist das ein guter und ein wichtiger Hinweis“, sagte Seifert heute nach der Mitgliederversammlung der DFL, „und ich glaube, auch ein hoffentlich werthaltiger und belastbarer Beitrag in dieser Debatte.“ Wegen der Coronavirus-Pandemie sei jetzt eh der richtige Zeitpunkt, um diese Diskussion fortzuführen. Realistisch erscheint es aber eher nicht, dass hier zeitnah grundsätzliche Veränderungen herbeigeführt werden. Da sich die wirtschaftlich führenden Klubs in diesem Fall (zurecht) um ihren Wettbewerbsvorteil gebracht sähen, werden diese alles daransetzen, das Salary Cap und andere wirtschaftliche Abdeckelungen zu verhindern. So gesund und wettbewerbsfördernd, weil ausgleichend derartige Maßnahmen auch sind – ich kann diese Klubs in Teilen auch verstehen. Immerhin haben sie sich (im Gegensatz zum HSV zum Beispiel) mit solidem, guten Wirtschaften erst in diese vorteilhafte Situation gebracht – wobei ich die Eigentümer-geführten Klubs mal ausklammere. Und dieser Vorteil wäre plötzlich offiziell weg.

 

Weg ist beim HSV übrigens (oha, was für eine Grotten-Überleitung...) noch keiner der Verkaufskandidaten. Es ist auch kein Neuer dazugekommen. Und ein neuer U21-Trainer ist auch noch nicht gefunden. Lediglich die Gespräche mit den internen Kandidaten hat der neue Nachwuchsdirektor Horst Hrubesch heute abgeschlossen und ihnen angekündigt, dass bis zum Ende der Woche eine Entscheidung getroffen wird, während ich mich morgen wieder bei Euch melden werde. Erst früh um 7.30 Uhr mit dem MorningCall und allen tagesaktuellen Meldungen aus dem Pressewald, ehe Janik und ich uns erst nachmittags mit dem CommunityTalk melden, bevor ich Euch am Abend über die erste Trainingseinheit und alles andere in dem tagesaktuellen Blog berichten werde.

Bis dahin Euch allen erst einmal einen schönen Abend! Bleibt gesund!

Scholle

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