Marcus Scholz

14. August 2020

Es gibt sie, die guten Nachrichten aus dem Nachwuchs. Klar, werden jetzt alle sagen: Horst Hrubesch ist ja auch wieder zurück! Und das ist auch tatsächlich eine gute Nachricht. Eine sehr gute sogar, da man sich mit Hrubesch einen fachlich hochkompetenten und menschlich einwandfreien HSV-Sympathieträger ins Boot geholt hat. Ein  gutes Vierteljahrhundert hat der einstige HSV-Stürmer in den verschiedenen Nachwuchs-Nationalmannschaft täglich mit allen Klubs Deutschlands zu tun gehabt, die die entsprechenden Talente in ihren Reihen hatten. Sehr viel Zeit und Möglichkeiten also, genau zu sehen, welche Maßnahmen und Strukturen über die Jahre greifen und welche eben nicht. Eine riesengroße Chance für den gesamten HSV-Nachwuchs. Aber das ist nur ein kleiner Teil des Ganzen, wenn man mal genauer hinschaut.

Die Tatsache, dass Hrubesch es sich sogar erlauben kann, die hiesigen HSV-Nachwuchstrainer bei seinem Amtsantritt einfach einmal fälschlich zu kritisieren. Hier in Hamburg hätten im Nachwuchsbereich zuletzt alle immer ihr eigenes Süppchen gekocht, hatte Hrubesch gesagt und betont, genau das stoppen zu wollen. Der Applaus der Außenstehenden war ihm damit sicher – aber es war zugleich auch ein Schlag ins Gesicht all der HSV-Nachwuchstrainer, die gerade in den letzten Jahren immer enger zusammengewachsen sind und gerade in der abgelaufenen Saison genau entgegengesetzt agierten.

Selbst Thioune kennt die Generation X gut

Das Wichtigste an diesem Vorgang ist aber viel weniger, ob Hrubesch richtig oder falsch liegt. Fakt ist, dass ihm keiner im HSV-Nachwuchs diese Äußerung wirklich übel nimmt. Sie alle nehmen die an sich gut gemeinte Intention des neuen Nachwuchsdirektors als Nachricht. Und die soll heißen: Von jetzt an noch mehr zusammen zu arbeiten. Denn das wollen hier tatsächlich alle. Zumal die Chance, dass in diesem Jahr wirklich alle Mannschaften über Bindeglieder zusammen funktionieren können, so groß ist wie noch nie.

Und das hat viele Faktoren. Oben angefangen hat der HSV mit Daniel Thioune einen neuen Cheftrainer, der selbst noch bis vor kurzem als Jugendtrainer arbeitete und sich mit der Generation X auskennt. Ihm zur Seite stehen zum einen Melvin Polzin, der in der U11 und U12 schon für den HSV gearbeitet hat. Dazu kommt mit Hannes Drews ein Cotrainer, der bis vor wenige Wochen noch den direkten Unterbau zu verantworten hatte. Er kennt die nächsten Talente besser als jeder andere. Zudem hängt die Messlatte der Kooperation zwischen U21 und Profimannschaft nach Hecking nicht allzu hoch, wie intern zu hören ist.

 

Noch besser als die Vernetzung der Profis zum direkten Nachwuchs ist aber die Verzahnung der U-Mannschaften beim HSV. Im Ergebnis haben sowohl U21 als auch U19 in der letzten Saison nicht so gut abgeschnitten, wie es der eigene Anspruch ist. Man sprach hier sogar von Enttäuschungen.  Aber das hatte Gründe. Zum einen, dass immer wieder sehr viele Spieler in der Trainingswoche aus der U21 zu den hochgezogen und erst zum Spiel wieder heruntergegeben wurden. So fehlten vor allem Hannes Drews in der U21 die gemeinsamen Einheiten, um die notwendigen Automatismen zu erarbeiten. Zum anderen aber, und das ist das, was ich heute mehrfach erläutert bekommen habe, haben die Trainer der U21, U19, der U17 und der U16 sich in der letzten Saison tatsächlich dadurch hervorgetan, ihre eigenen Ergebnisse mit ihren Mannschaften der maximalen Ausbildung der Spieler unterzuordnen.

Der Ausbildungsgedanke im Nachwuchs lebt

Ein Beispiel dafür ist Daniel Petrowsky, der im Laufe der vergangenen Saison auf viele Spieler des älteren Jahrganges verzichtete, bei denen die Option zum Profifußballer nicht mehr so wahrscheinlich war wie bei jüngeren Spielern im Kader. Das hatte zwar zur Folge, dass Punkte liegengelassen wurden, die die älteren Akteure ob ihrer schon körperlichen Vorteile und ihrer Erfahrung geholt hätten. Vor allem aber eröffnete das den jüngeren, talentierteren Spieler ein Jahr mehr sportliche Entwicklung auf dem höchstmöglichen Niveau. Oder um es in auf den Profikader zu beziehen: Im Nachwuchs wurde gemacht, was sich viele von Hecking gewünscht hätten und was sich noch mehr jetzt von Thioune wünschen - da wurde der Aaron Hunt der jeweiligen Mannschaft auf die Bank gesetzt, um dem perspektivreicheren Amadou Onana Spielpraxis zur Entwicklung zu schenken...

Vereinspolitisch haben sich die Trainer damit keinen großen Gefallen getan, da di Sichtweise  des Bundesliga-Cheftrainers nicht auf die Konstellation des Kaders und noch weniger auf die dahintersteckenden Gründe ausgerichtet war. Der Profitrainer hat nur die Ergebnisse gesehen und daraus wenig Gründe ableiten können, Spieler aus dem Nachwuchs nach oben zu ziehen. Anders machten es die U21 und die U19 beispielsweise. Da wurde ein Spieler wie beispielsweise Linksverteidiger Bryan Hein in der U19 auf die Bank gesetzt, weil er nicht funktionierte. Dafür sahen U19-Trainer Petrowsky und U21-Trainer Drews die Möglichkeit, dass er mit seiner Spielart in der U21 besser klarkommt und beförderten den Aussortierten geradezu.

 

Parallel dazu wurde Travian Sousa nach seinem kurzen Höhenflug bis in den Trainingskader der Profis wieder runter in die U19 geschickt – und beide funktionierten plötzlich. Doch anstatt sich damit zu brüsten und gemütlich zu nutzen, was funktioniert, tauschten U19 und U21 beide Spieler im Winter wieder. Mit dem Ergebnis, dass sich beide Spieler ob ihrer Spielzeiten so viel Selbstsicherheit geholt hatten, dass sie plötzlich sogar wieder in den Mannschaften funktionierten, in denen sie sechs Monate zuvor noch aussortiert worden waren.

Hört man ehemaligen sowie aktuellen Verantwortlichen und Beobachtern des HSV-Nachwuchses zu, wird schnell deutlich, dass die Konstellation auf Trainerebene selten – nein: noch nie besser war. Von der U16 bis zur U21 arbeiten mit Kurbjuweit (U16), Ex-HSV-Profi Reinhardt (U17), Fußballehrer Petrowsky (U19) und dem neuen U21-Cheftrainer Pit Reimers vier Trainer seit Jahren so eng miteinander, dass sie auf bessere Ergebnisse ihrer eigenen Mannschaften verzichten, sofern sie damit die Talentförderung einzelner beschleunigen. Das war hier längst nicht immer so.

Hrubesch ist nur das i-Tüpfelchen

Aber damit nicht genug. Im Profiteam hat man mit Thioune, Polzin und Drews drei Junioren-erfahrene Chefs sowie mit Horst Hrubesch einen Nachwuchsdirektor, der über jeden Zweifel erhaben ist und der der Nachwuchsabteilung schon von sich aus bundesweit neuen, attraktiven Glanz aufsetzt. Rechnet man jetzt noch den Zwang hinzu, schon aus finanziellen Gründen die Nachwuchsarbeit vereinsintern deutlich schwerer zu gewichten als in den letzten Jahren, dann kann man sagen, dass der HSV auch zu seinem Glück gezwungen wird. Vorv allem aber lässt die aktuelle Konstellation den Gedanken zu, dass die Chance im HSV-Nachwuchs nie größer war. Von daher: Nutzt sie!

 

Apropos: Die Zeit durch das heute ausgefallene Testspiel gegen den VfB Lübeck hat Trainer Daniel Thioune für ein internes Spiel genutzt. Am Nachmittag wurde umgesetzt, was zuvor trainiert wurde. Wobei der Fokus weiter auf der Defensivarbeit liegt, wie Thioune auch heute wieder stark betonte. Interessant heute: Der HSV-Trainer sprach sehr viel davon, der Mannschaft den Willen und die Bereitschaft zur Defensivarbeit vermitteln zu wollen…

In diesem Sinne, bis morgen. Da werden wir uns in einem Gastbeitrag erneut dem Nachwuchs widmen. Und das aus einer ganz anderen, unglaublich spannenden und interessanten Perspektive, wie ich finde. Aber lasst Euch überraschen!! Und vor allem: habt einen schönen Freitagabend und bleibt gesund!

Scholle

 

P.S.: Sonny Kittel musste heute wegen einer Zerrung pausieren und fällt vorerst aus.

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