Tobias Escher

13. Dezember 2020

Minimale Fortschritte im taktischen Bereich, ein wichtiger Sieg für den Kopf: So lautet das Fazit nach dem mühsamen 2:1-Erfolg gegen den SV Darmstadt. Der Hamburger SV musste hart arbeiten für die drei Punkte. In Darmstadt durften die wenigen Zuschauer doppelt so viele Fouls wie Torschüsse bestaunen. Kein Wunder: Der HSV hatte herbe Probleme mit der körperbetonten Spielweise des Gegners.

Daniel Thioune befindet sich auf der Suche. Nach zuletzt drei Niederlagen in Folge tüftelt er weiterhin, welche taktische Variante am Besten zu seinem Hamburger SV passt. Im Vergleich zur 0:1-Niederlage gegen Hannover 96 veränderte Thioune sein Team auf zwei Positionen: Moritz Heyer kam im Mittelfeld für Amadou Onana ins Spiel. Hinter Sturmspitze Simon Terodde begann diesmal nicht Sonny Kittel, sondern Manuel Wintzheimer.

Auch formativ ergab sich dadurch eine Änderung: Der HSV spielte in einem recht klaren 4-3-3-System. Klaus Gjasula agierte als einziger Sechser vor der Vierer-Abwehrkette. Heyer und Jeremy Dudziak sollten als Achter die Flügel aufstocken. Gerade bei gegnerischem Pressing rückten sie weit auf die Flügel hinaus, um hier Überzahlen zu schaffen.

Wenig ansehnliche Partie

Darmstadt hielt den Hamburgern ein 3-4-3-System entgegen. In der Praxis war dieses 3-4-3 allerdings praktisch nie zu erkennen. Die Hessen konzentrierten sich ganz auf das Spiel Mann-gegen-Mann. Gerade im zentralen Mittelfeld erprobten sie eine Manndeckung. So rückte Marvin Mehlem immer wieder heraus auf Gjasula, während sich Aaron Seydel und Tobias Kempe zurückfallen ließ und Heyer bzw. Dudziak aufnahm.

Auffällig war die körperbetonte Spielweise der Gastgeber. Sobald der Ball ins Hamburger Mittelfeld kam, warfen sie sich in den Zweikampf – und zwar mit allem, was sie hatten. 19 Fouls begingen sie insgesamt, so viel wie kein anderer HSV-Gegner in dieser Saison. Aber auch der HSV langte ordentlich zu: 15mal brachten die Hamburger Akteure einen Gegner regelwidrig zu Fall. Die Folge war ein unansehnliches, zerfahrenes Spiel, in dem sich beide Teams im Mittelfeld festbissen.

Taktische Aufstellung Darmstadt - HSV
Taktische Aufstellung Darmstadt - HSV

 

Dass der HSV kaum Raumgewinn verbuchen konnte, lag nicht nur am mannorientierten Pressing des Gegners. Der Übergang von der ersten in die zweite Linie bleibt die große Schwachstelle des HSV-Spiels. Heyer und Dudziak zeigten sich umtriebig, sind aber im Herzen keine Spielmacher. Sie fühlen sich in unterstützender Rolle eher wohl. Ähnlich ergeht es Gjasula. Dessen Schwächen im Passspiel sind mittlerweile so offensichtlich, dass der Gegner ihn gar nicht mehr primär unter Druck setzt – vertikale, spieleröffnende Pässe kommen von ihm eh selten. Ein Sechser mit einer Passgenauigkeit von nur 73% schadet der Spieleröffnung.

Darmstadt stellte sich zudem recht clever an. Sie lenkten den Spielaufbau weg von Toni Leistner, der mehr riskante Pässe wagt als seine Kollegen. So blieb der Aufbau an Stephan Ambrosius und Tim Leibold hängen. Diese spielten häufig quer, aber selten vertikal. Leistner versuchte das auszugleichen, indem er praktisch immer den Ball direkt nach vorne spielte, sobald er ihn bekam. Aber auch das war eher kontraproduktiv, wie eine Passgenauigkeit von 72% in der ersten Halbzeit beweist.

Einen Aspekt im Hamburger Spiel muss ich hingegen positiv hervorheben: das Pressing. Defensiv ließen die Hamburger nichts anbrennen. Besonders Dudziak und Heyer verrichteten viel Arbeit. Ihr Herausrücken auf die Flügel war wichtig, um die Spielverlagerungen der Darmstädter zu kontern. Auch diese kamen nicht am körperbetonten Mittelfeld des Gegners vorbei.

Kleine Verbesserungen nach der Pause

Die Einwechslung von Aaron Hunt brachte etwas Schwung in die Partie. Er ging auf die halbrechte Seite, Heyer agierte fortan als Sechser. Hunt war im Spielaufbau wesentlich präsenter als Gjasula, häufig ließ er sich auf die rechte Verteidiger-Position fallen. Josha Vagnoman konnte dadurch offensiv stärker in Erscheinung treten, seine Flanken fanden aber nur selten das Ziel (wie nahezu alle Hereingaben des HSV). Zumindest konnte Hunt aber dafür sorgen, dass die Darmstädter den Spielaufbau nicht mehr primär zu Ambrosius und Leibold lenkten. Leistners Passgenauigkeit steigerte sich in der zweiten Hälfte auf 93%. Der HSV kam nun häufiger in die gegnerische Hälfte. Im letzten Drittel blieben sie schwach, dafür holten sie aber genügend Standards heraus, um verdient mit 1:0 in Führung zu gehen (70.).

Defensiv musste der HSV hingegen etwas Kontrolle abgeben. Hunt rückte nicht so konsequent heraus, wie Heyer dies zuvor getan hatte. Darmstadt konnte die Partie häufiger verlagern. So kamen sie auch zum zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer (78.) – und das, obwohl sie nach einer Gelb-Roten Karte gegen Patrick Herrmann (75.) in Unterzahl waren. Doch Darmstadt spielte auch im neu sortierten 4-4-1 mutig nach vorne.

Der Darmstädter Übermut sorgte dafür, dass die Hamburger auch nach dem 1:1 zu Chancen kamen. Statt sich mit zwei Viererketten zurückzuziehen, rückten gerade die Außenverteidiger der Darmstädter weit vor. Sie erhielten jedoch keinen Zugriff auf die herausrückenden Dudziak und Hunt. So konnte der HSV die Außenverteidiger hochschieben und Gefahr kreieren. Der Siegtreffer durch Terodde war die logische Folge (87.).

Auch wenn der HSV defensiv wenig zugelassen hat, gab es in vielen Bereichen Verbesserungspotential. Die spielerisch limitierten, aber kampfstarken Hessen zwangen dem HSV ein körperbetontes Spiel auf. Mit etwas mehr Spielfreude und etwas besserer Besetzung des Mittelfelds hätte der HSV dieses zähe Spiel dominanter gestalten können. Wahrscheinlich fehlte dafür angesichts der Negativ-Ergebnisse die Selbstsicherheit. Der Sieg war wichtig, um wieder mehr Selbstverständnis ins eigene Spiel zu bekommen. In den kommenden Spielen muss Thiounes Elf dieses Erfolgserlebnis aber mit spielerischen Fortschritten unterfüttern. Sandhausen und Karlsruhe warten nur darauf, dem HSV ein kampfbetontes Spiel aufzuzwingen.

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