23. Mai 2020
Das Wichtigste vorweg: Uwe Seeler hat die Hüftoperation gut überstanden und ist auf dem Weg der Besserung. Und diesen Weg will der HSV mit einem Sieg noch gangbarer machen. Wobei es dieses Spiel in sich hat. Im ersten Geisterspiel der HSV-Geschichte im Volksparkstadion kommt es für den HSV gleich zu einem möglicherweise schon vorentscheidenden Topspiel gegen den aktuell Tabellenersten Arminia Bielefeld. Und dieser Bedeutung sind sich tatsächlich alle bewusst. Während Arminen-Coach Uwe Neuhaus die große Chance für seine Bielefelder betont, sich schon entscheidend in Richtung Erstligaaufstieg absetzen zu können, betont HSV-Trainer Dieter Hecking, dass dieses Spiel für seine Mannschaft nur einen kurzweiligen Effekt haben werde. Ein „Zwischenziel“ sei es, den zweiten Tabellenplatz auch nach dem Duell mit den Ostwestfalen zu halten, so Hecking. Und das am besten mit einem Sieg. Auch für Seeler. Logisch.
Ich werde als einer von zehn Reportern diese Premiere morgen live von der Tribüne aus miterleben. Zuvor muss ich noch einen Fragebogen ausfüllen, in dem ich nach meinem Gesundheitszustand befragt werde und zu Kontakten zu anderen, möglichen Infektionsträgern. Zusätzlich werde ich vor Ort noch einmal in die Hygieneregeln eingewiesen, die mir auch vorab schon einmal zugeschickt wurden. Aber um überhaupt ins Stadion gelassen zu werden, muss ich noch einmal meine Temperatur messen lassen. Da ich mit dem Fahrrad anreisen werde, bin ich sehr gespannt, inwieweit sich das auf die Temperatur auswirkt.
Aber im Ernst: Bei dieser Premiere live im Volksparkstadion dabei zu sein, das freut mich schon. Andererseits, wenn ich das gegen einen garantierten Sieg tauschen könnte, ich würde es annehmen. Denn ich rechne mit einem ganz harten Gang für den HSV gegen die bislang stabilste Mannschaft der Zweiten Liga. Vor allem auswärts haben sich die Arminen bislang extrem gut angestellt und erst eine Partie verloren. Zumindest bis jetzt…
Dabei wird es einige sehr interessante Duelle geben, auf die ich heute schon einmal eingehen will. Denn dass der Gast aus Ostwestfalen gerade offensiv stark ist, zeigt nicht zuletzt das beste Torverhältnis der Liga (+26, der HSV hat +20). Und dass die Bielefelder mit Klos einen herausragenden Kopfballspielen haben ist ebenso klar wie der Umstand, dass dessen Kompagnon Andreas Voglsammer zu den schnellsten Angreifern der Liga gehört. Mit anderen orten: Die Arminen-Angreifer haben das, was der HSV-Abwehr fehlt. Eine gefährliche Kombination.
Und noch ein Grund mehr, in der Defensive erneut auf den zuletzt starken Josha Vagnoman zu setzen, dessen Tempo dem HSV sehr helfen kann. So hätte Hecking die Möglichkeit, den ebenfalls schnellen Defensivspieler Jordan Beyer wieder in die Innenverteidigung zu ziehen. Bei Beyer war und bin ich zwar lange nicht so überzeugt, wie es der Trainer ist. Beyer wirkt auf mich immer so, als wolle er cooler und abgezockter rüberkommen, als er es in Wirklichkeit ist. Aber als Innenverteidiger ist die Aufgabenzuteilung so eindimensional, dass ich glaube, dass ihm die Aufgabe des reinen Abwehrspielers mehr liegen könnte. Voglsammer decken, ihn hart attackieren - das kann Beyer allemal. Ebenso den sicheren Pass im Aufbauspiel. Allein beim Kopfballspiel muss er noch zulegen. Aber damit ist er im Defensivverbund nicht allein.
Warum ich glaube, dass erneut nicht van Drongelen nach innen gezogen wird? Warum entweder Beyer oder van Drongelen spielt? Ganz einfach: Weil beide mit vier Gelben Karten vorbelastet sind. Sollten beide beginnen und beide jeweils Gelb sehen, würde der HSV-Trainer in Stuttgart vor einem riesengroßen Personalproblem in der Innenverteidigung stehen. Zumal Ewerton und Jung auch da noch verletzt ausfallen werden.
„Für Hamburg steckt mehr Brisanz drin. Wir gehen in das Spiel wie in jedes andere“, sagte Torjäger Andreas Voglsammer im „Westfalen-Blatt“. Und damit dürfte er weniger die Gelb-Situation meinen - und vor allem untertreiben. Denn was im Falle einer Niederlage beim HSV die dann nur noch vier Punkte Vorsprung wert wären und wie schnell ein solches Punktepolster verspielt sein könnte - das weiß auch in Bielefeld jeder. Von daher hat der HSV sicher mehr Druck als Bielefeld - aber auch die Arminen dürfen sich längst nicht zu sicher wähnen. Wobei: Doch! Sollen sie doch…
Aber zurück zum Sportlichen: Gegen Bielefeld wird es im Mittelfeld zu nicht minder spannenden Begegnungen kommen. Funktioniert Adrian Fein wieder als Abräumer und erster Taktgeber? Eine ganz wichtige Frage! Kann Dudziak seine gute Partie aus Fürth wiederholen? Und: Kann Hunt sich seinem Dauerbewacher Priel entziehen? Denn der wird ihm auf den Füßen stehen. Wichtige Fragen, die die drei HSVer morgen auf dem Platz beantworten müssen. Und obgleich ich Hunts Worte als zumeist sehr durchdacht erachte, unterlasse ich es hier, seine jüngst geäußerten, optimistischen Worte aus der aktuellen „HSVlive“ zu zitieren. Sie ähneln zu sehr denen, die er zuletzt auch hier schon sagte…
Noch etwas spannender als im Zentrum dürfte es über die Außen werden. Denn obwohl ich geglaubt und gehofft hatte, dass Hecking im Gegensatz zur vergangenen Woche diesmal auf Sonny Kittel statt auf Jairo Samperio von Beginn an setzt, so erscheint mir diese Variante unter den aktuellen „Umständen“ höchst unwahrscheinlich. Denn Bielefeld-Schreck Sonny Kittel, der mich gegen Fürth überzeugt hatte, hat wahrhaftig Besseres zu tun. Bislang zumindest weilt der 27-Jährige seit der Nacht zum Sonnabend bei seiner hochschwangeren Frau im Krankenhaus und wartet minütlich darauf, dass sein erstes Kind geboren wird. Und ich drücke allen Dreien von hieraus beide Daumen, dass alles gesund über die Bühne geht.
Und da Kittel auch zum Zeitpunkt des Blogs hier (Sa., 17.30 Uhr) noch im Krankenhaus weilte, käme es bei Hecking zum Dreikampf zwischen dem dann wohl favorisierten Samperio, Martin Harnik und auch Khaled Narey, den ich in vielen Diskussionen immer wieder als unterbewertet empfinde. Gerade sein Tempo könnte dem HSV über rechts durchaus helfen, während Hecking zugleich wieder Jatta über links bringen könnte. Interessant hierbei: Auf der rechten Abwehrseite muss Clauss den gelbgesperrten Cedric Brunner ersetzen. Eine Schwächung, die man mit Jattas brutalen Sprints ausnutzen könnte. Oder auch mit einem frisch zum Vater gewordenen, euphorisierten Sonny Kittel. Abwarten. Ich rechne für morgen mit folgenden Startaufstellungen:
HSV: Heuer Fernandes - Vagnoman, Bayer, Letschert, Leibold - Fein - Samperio, Hunt, Dudziak, Jatta - Pohjanpalo.
Arminia Bielefeld: Ortega - Clauss, Pieper, Nilsson, Hartherz - Prietl - Seufert, Hartel - Soukou, Klos, Yabo
Und während auf Bielefelder Seite Torjäger Klos mit vier Gelben Karten vorbelastet ist, drohen beim HSV neben Beyer und van Drongelen auch Hinterseer und Bakery Jatta bei der nächsten Verwarnung ein Spiel aussetzen zu müssen. Angesichts des am kommenden Donnerstag folgenden Spitzenspiels beim VfB Stuttgart wird das ganz sicher auch in den Überlegungen Heckings eine Rolle spielen.
Wie dem auch sei, das erste Geisterspiel des HSV im heimischen Volksparkstadion hat in fast allen Punkten eine besondere Brisanz zu bieten. Umso trauriger, dass dies nicht vor ausverkauftem Haus und der Kulisse von 57.000 Fans passieren kann. Aber ich verspreche Euch, dass wir morgen alles dransetzen werden, um Euch gefühlt so nah ans Spielfeld zu bringen, wie es möglich ist. Im Studio wird „Der Sievi“ zusammen mit Janik, Kevin und jedem von Euch - sofern gewünscht - das Spiel gucken. Ich werde mich parallel dazu mit meinen Ein drücken aus dem Stadion melden.
Bis dahin!
Scholle