Marcus Scholz

8. November 2020

Er hat die Qual der Wahl. Nachdem sich mit Bakery Jatta jetzt auch der letzte zuletzt noch angeschlagene Spieler wieder zurückgemeldet hat, muss HSV-Trainer Daniel Thioune am morgigen Vormittag schon ganz schön aussortieren, um seinen 20-Mann-Kader zu bestimmen. Der Trainer sprach heute auf der Pressekonferenz von einer Situation, die er sich als Trainer ja nur wünschen könne und dankte der medizinischen Abteilung, die großartige Arbeit geleistet habe. Und zieht man die Torhüter ab, bleiben stattliche 22 Feldspieler übrig, aus denen 18 mit in den Kader genommen werden können. Jonas David, Xavier Amaechi und Bryan Hein scheinen hier die ersten Streichopfer zu sein – dazu wird sich dann also aller Wahrscheinlichkeit nach noch ein Härtefall gesellen.

 

Klaus Gjasula wäre in der aktuellen, sportlichen Verfassung ein Kandidat dafür. Aber dass es den Albaner trifft, schloss Thioune heute fast schon aus, als er betonte, dass er in Zusammenarbeit mit der Mannschaft hinter Gjasula stehen würde, um ihm aus dem Tal herauszuhelfen. Er würde zwar nicht unbedingt als Kandidat für die Startelf gelten, habe aber in Fürth beispielsweise in der Schlussphase stabilisieren können, so Thioune, der auf der Pressekonferenz heute einen sehr aufgeräumten Eindruck machte. Vielleicht lag das auch ein bisschen daran, dass die direkte Konkurrenz ein wenig geschwächelt hat und ausgerechnet sein Exklub VfL Osnabrück der große Gewinner dieses Spieltages ist.

Schnelles Passspiel, um Schmerzen zu vermeiden

Noch. Denn morgen kann der HSV tatsächlich einen riesigen Schritt gehen, wenn er das Spitzenspiel bei starken Kielern für sich entscheiden kann. Wie er plane, gegen die sehr robust agierenden Kieler zu spielen, wurde der Trainer heute gefragt und antwortete, dass er die Kieler weniger als Treter denn als außergewöhnlich willensstark sehe. Die Statistik der vielen Gelben Karten zeige ihm eher, dass die Kieler nichts abschenken. „Sie holen im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles aus sich heraus“, so Thioune, „wenn sich unsere Jungs nicht wehtun wollen, müssen sie sich einfach schneller vom Spielgerät lösen.“ Soll heißen: Schnelles Passspiel, um Schmerzen aus dem Weg zu gehen.

Ob dafür im Mittelfeld mit dem seit seinem Wechsel zum HSV strauchelnden David Kinsombi tatsächlich ein Spieler beginnt, der in Kiel seine beste Zeit erlebt hatte – eher unwahrscheinlich. Gestern im Training hatte Thioune zwar so getestet. Heute aber sagte der HSV-Trainer, dass er im Training nie so spielen würde, wie er dann letztlich auch aufstellt. Und so wenig ich das glaube, glaube ich, dass Kinsombi beginnt. Ich glaube vielmehr, dass Thioune gar nicht zu viel wechseln wird. In der Dreierkette wird er weiter auf Stephan Ambrosius als Abräumer zwischen den spielerisch besseren Jan Gyamerah und Moritz Heyer setzen. Bedeutet für Toni Leistner, dass er wieder nur Reservist ist und darauf warten muss, dass sich hinten einer verletzt – oder Thioune doch noch mal auf die altbekannte Viererkette setzt. Ebenfalls raus ist dadurch Gideon Jung, den ich sportlich sogar noch hinter Leistner sehe. Er wäre neben Jonas David tatsächlich auch ein Streichkandidat in der Defensive.

 

Im Mittelfeld sehe ich Jung eh nicht mehr – hier hat der Trainer ausreichend Auswahl. Zumindest zu viel, um den spielerisch oft überfordert wirkenden Jung dort einzuplanen. Amadou Onana machte seine Sache so gut, dass ich ihm als Trainer einfach jede Spielminute geben würde, die er bekommen kann. Denn jede Spielminute hilft dem 18-Jährigen in seiner – wie ich finde sehr spannenden – Entwicklung weiter. Er hat sie sich auf jeden Fall verdient. Und für den Fall, dass Onana tatsächlich müde wird, hat der HSV mit David Kinsombi und eben jenem Gjasula zwei Spieler, die geeigneter sind. Wenn sie in Form sind.

Thioune hat die Qual der Wahl - in allen Bereichen

Spannend wird, was der Trainer offensiv plant. Spielt Dudziak zusammen mit Hunt vor Onana? Was macht der Coach mit Khaled Narey, der gegen den FC St. Pauli mit seiner Schnelligkeit zwar immer wieder gut über rechts durchkam – dafür dann aber nahezu jeden Flankenball verbaselte? Ich glaube, dass Thioune die spielerische Variante mit Dudziak wählt, wobei dann Wintzheimer (über die rechte Seite) und  Dudziak hinter der einzigen Spitze Simon Terodde agieren würden. Oder Thioune überrascht tatsächlich mit Jatta von Beginn an. Wenn einer für sowas gut ist, dann sicher Thioune. Zumal er Jatta natürlich auch als Konterspieler bringen kann, wenn der HSV in Führung liegt. Warten wir es ab.

Unklar ist auch, was Thioune mit Kittel plant, der seit Sachen nicht mehr in der Verfassung ist, die ihn noch in der Vorbereitung ausgezeichnet hatte. Sicher ist dagegen, dass ganz vorn die Mensch gewordene Torgefahr beginnen wird. Simon Terodde ist natürlich nicht wegzudenken und wird auch in Kiel beginnen, während der Trainer im Sturm tatsächlich auch Streichpotenzial hat. Zuletzt hatte Lukas Hinterseer die schlechtesten Karten. In der zurückliegenden Trainingswoche wirkte der Österreicher zwar sehr motiviert und torgefährlich – aber er scheint tatsächlich hintendran zu sein. Apropos: Ich bin mir relativ sicher, dass Hinterseer im Winter das Gespräch mit den verantwortlichen suchen wird, sofern sich nicht grundlegend etwas ändert. Zumal ich mir gut vorstellen kann, dass Thioune in Kiel sogar ganz auf Hinterseer verzichtet, wenn er stattdessen lieber Jonas David oder Gideon Jung mit in den Kader nehmen will.

Pressekonferenz von Holstein Kiel vor dem Spiel gegen den HSV

 

Und während ich das hier schreibe, erreicht mich die extrem traurige Nachricht, dass Bernd Lauridsen verstorben ist. Bernd habe ich schon vor zwei Jahrzehnten kennengelernt, als ich für das Abendblatt begann, über den HSV zu berichten. Seither habe ich mich wirklich über jedes einzelne  Treffen beim Training mit ihm gefreut, weil er so wohltuend positiv war. Bernd hat wirklich nie gejammert, er hat lieber gelacht. Bernd war ein außergewöhnlich fröhlicher, netter und hilfsbereiter Mensch, den ich seit mehr als 20 Jahren nicht missen wollte. In der vergangenen Woche ist Bernd 72 Jahre alt geworden – leider war es sein letzter Geburtstag.

Lebe wohl, lieber Bernd! Du wirst mir und uns sehr fehlen.

Scholle

 

P.S.: Ich melde mich morgen Abend wieder zusammen mit den Kollegen von unserer Live-Couch. Ab 20 Uhr – also 30 Minuten vor Spielbeginn – sind wir via Twitch und youtube für Euch da und freuen uns über jeden, der sich zusammen mit uns das Spitzenspiel in Kiel ansehen will.

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