Marcus Scholz

13. Dezember 2017

25 Minuten haben ausgereicht, um die Lage in der Tabelle und die Stimmung rund um den HSV von „zuversichtlich“ wieder in „trüb“ zu verändern. Zwischen der 15. und 40. Minute zeigte der HSV im Frankfurt-Spiel ein desolates Gesicht. Und nach der Erkenntnis des Trainers, Markus Gisdol, wieder eine uralte und begraben geglaubte Fehlhaltung: „Da kam dieses Gefühl, dass wir zu leichtfertig sind.“ Diese kurze Einschätzung ist ein Alarmsignal! Dieser HSV, vor dem Spieltag Tabellen-Fünfzehnter, ist nach einer „Serie“ von drei Spielen ohne Niederlage schon wieder „zu leichtfertig“? Markus Gisdol hatte recht, als er am Sonntag nach dem 0:0 gegen Wolfsburg nach neuer Stabilität beim HSV gefragt wurde. „Es ist zu früh, dies zu sagen.“ Wie das Frankfurt-Spiel nun bewiesen hat.

Natürlich ist auch die andere Seite der Einschätzung richtig. Der HSV hat im Grunde gegen Wolfsburg und Frankfurt drei gute Halbzeiten gespielt, aber nur einen Punkt kassiert. „Das ist zu wenig“, so der Trainer. „Wir hätten vier Punkte – nicht nur einen – aus den beiden Heimspielen holen müssen.“ Und schon droht wieder solch ein Horrorszenario: Das Spiel in Gladbach verlieren (was für sich genommen ja keine Schande wäre), und der HSV muss als Vorletzter mit 15 Punkten in die kurze Winterpause gehen.

„Der Blick auf die Tabelle allein ist noch nicht das Gefährliche“, sagte Markus Gisdol. „Gefährlich ist, dass wir das Gefühl haben, besser zu spielen als vergangene Saison. Und trotzdem fahren wir nicht die Punkte ein.“ Seine Lösung: „Wir müssen mehr Gift reinbringen und vielleicht unschön spielen.“ Mit langen Bälle, konsequent im Zweikampf, hart. Frankfurt habe es vorgemacht, die Eintracht hätte anfangs auch jeden Ball von hinten hoch rausgeschlagen anstatt zu kombinieren.

Für heute taugt der Brasilianer Walace als Paradebeispiel. Hochgelobt gegen Wolfsburg, gegen Frankfurt aber nach etwa einer halben Stunde und einer Reihe von Fehlern früh ausgewechselt. „Seine größte Problematik ist die Konstanz“, schloss Markus Gisdol folgerichtig. Ein weiteres ungelöstes Problem: Der HSV schießt zu wenige Tore. 13:2 Torschüsse gegen Wolfsburg – 0:0 Tore. 20:10 Torschüsse gegen Frankfurt – 1:2 Tore. „Uns würde es gut tun, wenn wir einen oder zwei Spieler hätten mit sechs Toren auf dem Konto“, so der Trainer. Der beste Scorer des Vorjahres, Nicolai Müller, sei nach seinem Kreuzbandriss aber erst im April kommenden Jahres wieder ein Thema, meinte Gisdol wehmütig. Wird im Winter im Sturm nachgebessert? Markus Gisdol überlegt: „Ich muss darüber mal mit Jens Todt sprechen…“

Das Ergebnis des Frankfurt-Spiels war nicht das einzig Negative an diesem Abend. Die erneuten Pyro-Vorfälle auf der Nordtribüne werden den HSV wiederholt einige Euros kosten. Abgesehen davon, dass die Zündler ein gefährliches Spiel treiben. Beim bislang letzten Vorfall dieser Art hatte der DFB bereits die Möglichkeit einer Block-Sperre kommuniziert, sollten sich derartige Vorfälle wiederholen. In der Zwischenzeit hatte DFB-Präsident Reinhard Grindel öffentlich erklärt, dass diese Art Strafe allerdings zurückgestellt werden solle. Doch: Beim HSV geht man davon aus, dass die DFB-Justiziare ihre eigenen Urteile durchaus ohne Rücksicht auf die Aussagen des Präsidenten fällen. Ob dieses Feuerwerk in einem Zusammenhang stand mit den Vorfällen aus dem Wolfsburg-Spiel, als es auf der Nordtribüne zu einer Schlägerei gekommen war und die Polizei einschreiten musste, ist unklar.

Negativ überdies die Zuschauerentwicklung. „Wir schauen da ganz genau hin“, versicherte Vorstands-Boss Heribert Bruchhagen. Er sieht abgesehen von der Witterung und der Doppelansetzung Wolfsburg/Frankfurt auch die Entwicklung der vergangenen Jahre als Ursache. Schon die nächsten beiden Heimspiele im Januar gegen Köln und Hannover, die traditionell gut besucht werden, sollten wieder einen Trend nach oben zeigen. Sonst kriegt der HSV auch von seinen Zuschauereinnahmen ein Problem – gerade dieser Bereich war in den vergangenen Jahren noch recht stabil geblieben.

Ein anderes Thema: Kommt es auf der Mitgliederversammlung des HSV e.V. am 18. Februar zum großen Showdown Jens Meier gegen Bernd Hoffmann? An diesem Tag entscheiden die Mitglieder über die Besetzung ihres neuen Präsidiums. Hafen-Chef Meier hat heute mit seinen beiden Präsidiums-Kollegen Ralph Hartmann und Henning Kinkhorst bekannt gegeben, dass das Trio im Team für eine weitere Wahlperiode kandidieren möchte. Eine weitere Kandidatur liegt aktuell noch nicht beim Beirat vor, aber Bernd Hoffmann – der HSV-Vorsitzende von 2003 bis 2011, hat dafür auch noch einige Wochen Zeit. Hinter den Kulissen wird seit einiger Zeit getuschelt, der Ex-Boss erwäge eine Rückkehr in ein führendes Amt beim HSV. In einem Abendblatt-Interview hat er die Kandidatur vor einigen Wochen noch mehr oder weniger ausgeschlossen. Doch nach einem Bericht der Sport-Bild von heute gab es keinen Kommentar Hoffmanns – das Thema köchelt also weiter.

Klar ist: Jens Meier konnte heute mit äußerst soliden e.V.-Zahlen aufwarten. Im Geschäftsjahr 2016/17 erwirtschaftete der HSV einen Gewinn von 166.000 Euro. Auch fürs laufende Jahr wird eine ordentliche schwarze Zahl erwartet. Es sind Projekte abgeschlossen (Umkleidehaus in Ochsenzoll für drei Millionen Euro) und relativ junge Sportarten gefördert worden (z.B. Beach Volleyball, Futsal). Darüber hinaus wurde angekündigt, dass nach einiger Pause wieder ein Sonderzug zu einem Bundesliga-Auswärtsspiel organisiert wird – am vorletzten Spieltag dieser Saison nach Frankfurt.

Aber natürlich hat Meier auch – nach außen – nicht die beste Figur abgegeben bei der Suche nach neuen Mitgliedern für den Aufsichtsrat der HSV AG. Dafür war er ja mit seinem Präsidium zuständig, und die Ungereimtheiten, die Beschwerden von Klaus-Michael Kühne, die Absage zweier Wunschkandidaten, sind ausreichend öffentlich diskutiert worden. Allerdings: Meier hat sich an dieser Diskussion bisher nicht beteiligt, er hat nichts erklärt – und das ist auch heute so geblieben. „Aus meiner Sicht war das ein normaler Prozess, den wir konsequent durchgezogen haben“, sagte Meier. „Eine inhaltliche Stellungnahme zum Aufsichtsrat möchte ich nicht abgeben.“ Solche Statements würden aus seiner Sicht der Sache nicht dienen, er möchte vor allem für seine Arbeit und seine Leistungen für den e.V. bewertet werden. Allerdings muss Meier sich dann auch die Kritik gefallen lassen, dass gerade sein Nicht-Erklären der Vorgänge eine Beurteilung durch die Mitglieder erschwert oder gar unmöglich macht – die Mitglieder, die ihn am 18. Februar wählen sollen.

Wie verhält es sich mit Meiers Verhältnis zu Klaus-Michael Kühne? Der Anteilseigner hatte Meiers ursprünglichen Besetzungsplan für den Aufsichtsrat sogar auf der vereinseigenen Homepage hsv.de kritisieren dürfen. „So etwas läuft im Hintergrund“, so Meier. „Transparenz sollte bei bestimmten Prozessen nur begrenzt sein, um sie nicht zu gefährden. Im Übrigen würde ich mich freuen, wenn alle respektieren, dass ich einen Hauptberuf habe und die Präsidentschaft beim HSV e.V. ein Ehrenamt darstellt.“ Auch vor diesem Hintergrund, so Meier, könne er nicht ständig zu allen öffentlichen Themen rund um den HSV Stellung nehmen.

Und was sagt Jens Meier nun zur möglichen Kandidatur Bernd Hoffmanns? Die beiden seien im freundschaftlichen Austausch, stellte Meier klar. Und ganz allgemein: „Ich freue mich, wenn Menschen zur Wahl antreten. Die Mitgliederversammlung wählt dann schon die richtigen Personen aus.“

Das wär’s für heute. Die HSV-Mannschaft wird sich nach dem heutigen regenerativen Training wieder morgen Nachmittag auf den Trainingsplatz bewegen. Ich melde mich danach wieder bei Euch!

 

Lars

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