Marcus Scholz

15. April 2020

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel heute Abend vor die Kameras trat und die Beschlüsse der Regierung verkündete, saßen fast alle HSVer gespannt vor dem Fernseher und hofften. Auch ich, obgleich ich keine großen Erwartungen hatte, was den Fußball betrifft. Ist ehrlich gesagt auch nicht meine Priorität. Mich interessierte zuallererst der gesellschaftliche Teil, was Schulen und Kitas betrifft. Aber letztlich beinhaltet das auch Auswirkungen auf den Fußball, womit ich die Überleitung zum HSV habe. Denn auch für den HSV, dessen Mitarbeiter größtenteils in Kurzarbeit sind, geht es dieser Tage um mehr als den reinen Spielbetrieb. Und wirklich viel schlauer waren heute weder die HSV-Offiziellen noch ich nach der Rede von Merkel. Wobei: Die Aussage von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, dass man in den nächsten Tagen und Wochen seitens des Fußballverbandes Sicherheitsmaßnahmen besprechen werde, und dass man erst dann darüber entscheiden könne, inwieweit Geisterspiele stattfinden können, lässt die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Bundesligasaison weiter leben.

„Es wäre fatal zu erwarten, dass in der aktuellen Gesamtsituation der Fußball eine übergeordnete Rolle einnehmen kann“, sagte Finanzvorstand Frank Wettstein, der sich dennoch sehr intensiv mit allen heute verkündeten Maßnahmen beschäftigen muss. Als AG-Vorstand ist Wettstein auch für die Wiedereinsetzung der in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeiter verantwortlich. Inwieweit sich hier etwas geändert hat? „Zunächst einmal werden wir jetzt bewerten müssen, welche Teilbereiche wieder in Betrieb genommen werden dürfen“, so der Finanzvorstand über mögliche Wieder-Eröffnungen beispielsweise der HSV-Shops und anderer Teilbereiche. Klar sei aber, dass Risikogruppen unter den HSV-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern weiterhin im Homeoffice verweilen sollen, um für diese Mitarbeiter jegliche Gesundheitsrisiken auszuschließen.

„Geisterspiele wären keine Großveranstaltungen" 

Inwieweit die heutigen Maßnahmen auch den Fußball betreffen, ist zunächst eh noch offen. „Kein Fußball bis 31. August“, hieß es heute bei verschiedenen Medien, die die Maßnahmen deutlich zu oberflächlich interpretiert hatten und später ihre Schlagzeilen inhaltlich korrigieren mussten. Denn Fakt ist, dass Großveranstaltungen mit Zuschauergrößen jenseits der 5000 verboten sind. Damit sind Fußballspiele in den Stadion höchstens in Sandhausen erlaubt. Aber im Ernst: Das schließt Bundesligaspiele sicher aus, lässt aber die Hoffnung am Leben, dass am Ende mit den viel besprochenen Geisterspielen zumindest die sportliche Beendigung der Ligen erreicht werden kann.

„Wir gehen weiter davon aus, dass Geisterspiele nicht als Großveranstaltungen gewertet werden“, so Wettstein, während Sportvorstand Jonas Boldt ergänzt: „Wir werden in aller notwendigen Ruhe die weiteren Instruktionen abwarten und im Verbund der DFL mit den anderen Bundesligaclubs besprechen, wie eine Fortsetzung der Saison unter Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten wäre. Wir blieben hier angemessen optimistisch.“ Es sei aktuell schlichtweg keine Zeit für Spekulationen, so Boldt, der wie Trainer Dieter Hecking und alle anderen HSV-Verantwortlichen weiter darauf hofft, dass sehr zeitnah die Trainingsbeschränkungen aufgehoben und Anfang Mai dann auch die Ligaspiele fortgesetzt werden können.

 

Rund 4 Millionen Euro verliert der HSV durch die Rückabwicklung der bisherigen Ticketverkäufe. In der kommenden Woche sollen nach den Einzelticketkäufern auch alle Dauerkartenkundinnen und -Kunden angeschrieben und informiert werden, wie sie ihre verpassten Spiele finanziell ausgeglichen bekommen. Zudem hat der HSV die bisher gebuchten Messen und Konzerte im Volksparkstadion bis mindestens 31. August abgesagt bzw. auf die danach folgenden Monate verschoben. Auch hier droht ein Schaden im unteren siebenstelligen Bereich, wie ich erfahren habe. Gelder, die den HSV schmerzen, die ihn aber weiter überleben lassen. Wie Wettstein und Co. betonen, ist der HSV unter den aktuellen Bedingungen noch bis weit in den Herbst ausreichend liquide aufgestellt.

HSV vielen Klubs gegenüber finanziell im Vorteil

Dennoch lässt Jonas Boldt keinen Zweifel daran, dass der HSV für die Fortsetzung der Liga alle notwendigen Maßnahmen tragen werde. Auch eine verkürzte Vorbereitungszeit? Zuletzt hatte die DFL angekündigt, den vereinen 14 Tage Vorlauf zu geben mit uneingeschränktem Mannschaftstraining, um das jeweilige Wettkampfniveau wieder herzustellen, was unter Einhaltung von Sicherheitsabstand im Training zweifellos nicht möglich ist. „Wie schon einmal gesagt: Wir können als Fußballer keine Ausnahmeregelungen erwarten und werden auch keine Ansprüche stellen.“ Man würde zur Not auch mit nur zwei oder drei Tagen Vorlauf die Saison fortsetzen, so der Sportvorstand, der in den nächsten Tagen mit genaueren Informationen seitens der DFL, die im direkten Kontakt zur Bundesregierung steht, rechnet.

In der kommenden Woche soll es die nächste DFL-Tagung mit allen Klubs geben, auf der dann über mögliche Fortsetzungs-Szenarien diskutiert und letztlich auch ein gemeinsames Vorgehen beschlossen werden soll. Natürlich hat der HSV durch seine finanzielle Situation große Vorteile gegenüber einigen anderen Profiklubs. Bei Schalke 04 beispielsweise wird schon offen von den Offiziellen kommuniziert, dass die Lage nicht nur sehr ernst, sondern schon existenzbedrohend sei. „Es ist doch völlig klar, dass Existenzen bedroht werden, wenn den Clubs dauerhaft die Geschäftsgrundlage entzogen würde“, erklärte Schalke-04-Finanzchef Peter Peters und Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ergänzte: „Wir wollen keine Ängste schüren. Ich mache mir große Sorgen um den FC Schalke und den gesamten Fußball. Keiner weiß genau, mit welchem Szenario wir planen können. Ein Saisonabbruch wäre der Super-GAU“, sagte der 63-Jährige, „und Rücklagen haben wir keine.“ Auch Geisterspiele seien für den siebenmaligen deutschen Meister keine grundsätzliche Lösung des Problems. Allerdings scheint das unumgänglich zu sein.

Im schlimmsten Fall wird 50+1 neu diskutiert

Und dafür ist zumindest der HSV gut aufgestellt, was zunächst einmal gut klingt. Andererseits könnte das wirtschaftliche Desaster für viele große und kleinere Klubs letztlich den gesamten Fußball in eine Situation lenken, in der plötzlich die gesamte 50+1-Diskussion neu aufgerollt werden muss. Was beispielsweise passiert denn, wenn neben Schalke 04 noch weitere (sch…egal, ob es fünf, sieben oder sonstwie viele sind) Klubs unmittelbar vor oder schon in der Insolvenz stecken? Werden dann Investorengelder doch als notwendig erachtet, um nicht den gesamten Ligabetrieb kollabieren zu lassen? Es ist zumindest nicht mehr auszuschließen. Und obgleich viele jetzt im ersten Reflex denken mögen, dass der HSV hier ja Dank Klaus Michael Kühne gut aufgestellt wäre - das ist der HSV tatsächlich nicht. Denn bevor der HSV überhaupt darüber nachdenken kann, an wen man etwaige Anteile teuer verkauft, müsste zunächst die Satzung geändert werden. Und das wiederum setzt einen Mitgliederbeschluss voraus. Anders als in ebenso interessanten wie unsinnigen Verschwörungstheorien behauptet, kann der Vorstand der AG keine Notfall-Entscheidungen treffen, die einen Mitgliederbeschluss umgehen. Ergo: der HSV bräuchte einen zeitlich langen Vorlauf bis zu einer etwaigen Entscheidung.

Von daher bleibt im Sinne der Solidarität mit allen Profiklubs gleich im doppelten Sinne zu hoffen, dass die Bundesligen ihre Spielzeiten 2019/2020 tatsächlich ab Mai fortsetzen können. So, wie es auch beim HSV alle Verantwortlichen unverändert hoffen.

In diesem Sinne, bis morgen! Da melden wir uns an dieser Stelle mit dem vollen Programm bei Euch. Zunächst mit dem MorningCall ab 7.30 Uhr, ehe es am Abend zum einen den Tagesblog und zum anderen unsere zweite Auflage des HSV-Quiz’ geben wird. „Schlagt den Scholz“ haben es meine schadenfrohen Rautenperle-Kollegen genannt - in der Hoffnung, dass sich hier möglichst viele HSVerinnen und HSVer finden, die mich in diesem Quiz schlagen. Und ehrlich gesagt werde ich selbstverständlich alles tun, um das zu vermeiden. Aber vorrangig freue ich mich darauf, mich mit Euch gemeinsam zu messen. Von daher: Kommt dazu, spielt mit! Auch in diesen schwierigen Zeiten muss ein wenig Spaß erlaubt sein…

Bis dahin Euch allen einen schönen Mittwochabend und vor allem: bleibt gesund!

Scholle

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