Tobias Escher

1. Februar 2020

Die Winterpause hätte unterschiedlicher kaum laufen können. Die Hamburger Vorbereitung endete mit einem völlig missglückten 2:5 gegen Lübeck. Nürnberg hingegen feierte einen 5:0-Sieg gegen ZSKA Sofia sowie ein 5:2 gegen Bayern München. Von den unterschiedlichen Ausgangslagen war im direkten Duell nichts zu erkennen: Der HSV dominierte (fast) jede Phase der Partie.

So Einiges hat sich getan beim HSV in der Winterpause. Trainer Dieter Hecking schenkte zum Auftakt ins neue Jahr gleich zwei Neuverpflichtungen sein Vertrauen: Louis Schaub begann auf der Zehner-Position, Jordan Beyer durfte als Rechtsverteidiger ran. Eine Umstellung des Spielsystems ging damit nicht einher. Hecking setzte weiterhin auf seine bekannte Mischung aus 4-3-3 und 4-2-3-1. Adrian Fein zog die Strippen vor der Abwehr, Sonny Kittel begann als einrückender Linksaußen und Bakary Jatta besetzte den rechten Flügel.

Enttäuschende Nürnberger

Wer von Absteiger Nürnberg eine interessante Antwort auf das Hamburger Spielsystem erwartet hatte, wurde enttäuscht. Trainer Jens Keller wählte jene Herangehensweise, die so viele HSV-Gegner diese Saison wählen: Seine Mannschaft verteidigte in einem 4-4-1-1-System. Zehner Hanno Behrens nahm Adrian Fein in enge Manndeckung; eine taktische Maßnahme, die die Bayern-Leihgabe mittlerweile gewohnt ist.

In dieser Ausrichtung begann der 1. FC Nürnberg die Partie abwartend. Die Hamburger durften den Ball in den eigenen Reihen laufen lassen, gerade die Innenverteidiger wurden nicht angelaufen. Der HSV nutzte dies: Fein nahm sich selbst aus dem Spiel etwas heraus, um seinen Manndecker von den Innenverteidigern wegzuziehen. Rick van Drongelen und Timo Letschert ließen den Ball laufen, bis einer von ihnen freien Raum vor sich vorfand.

Den fehlenden Druck der Nürnberger nutzten die Beiden, um lange Verlagerungen zu spielen. Letschert schlug immer wieder lange Bälle von der halbrechten Seite auf den links freistehenden Kittel. Nürnbergs Trainer Keller hatte überraschend den gelernten Innenverteidiger Lukas Mühl als Gegenspieler Kittels aufgestellt. Eine Idee, die nicht aufging: Kittel ging mehrfach mühelos an Mühl vorbei. Die Flugbälle auf ihn waren das erfolgversprechendste Mittel des HSV.

Taktische Aufstelliung HSV - Nürnberg
Taktische Aufstelliung HSV - Nürnberg

 

Auffallend viel Bewegung

Auch sonst überzeugte das Aufbauspiel des HSV. Ein Baustein war die Beweglichkeit des Mittelfelds: Jeremy Dudziak agierte gewohnt raumgreifend und war überall auf dem Feld zu finden. Schaub wiederum brachte neue Elemente ins Spiel der Hamburger: Er bot sich häufiger im Zehnerraum an, dort setzte er zu Dribblings an. Er ging sogar mal an die letzte Linie und schuf Tiefe. Das wiederum befreite Lukas Hinterseer. Der Stürmer wich immer wieder nach links aus und schuf Überzahlsituationen mit Kittel und Linksverteidiger Tim Leibold.

Die gute Aufteilung im Spielaufbau half dem HSV auch nach Ballverlusten. Sie konnten sofort Zugriff herstellen. Gerade auf der halblinken Seite biss sich der HSV am Gegner fest. Ein Sonderlob gebührt Dudziak, der immer wieder nach vorne stieß und Kittel im Pressing wie Gegenpressing unterstützte. Ihm gelang auch die entscheidende Balleroberung vor dem Führungstreffer (17.).

Auch im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit trat der HSV dominant auf. Fast jeder Ballverlust landete sofort wieder in den Hamburger Reihen. Die Verteidiger konnten das Spiel sortieren, die Mittelfeldspieler nach vorne tragen, die Flügelspieler veredeln. So stellt man sich einen Auftritt des HSV vor.

Kurzes Aufbäumen der Nürnberger

Für Nürnberg indes konnte das Spiel so nicht weiterlaufen. Trainer Keller wies seine Mannschaft in der Pause an, früher zu pressen. Sie liefen den HSV nun in einem hohen 4-2-3-1-System an. Auch im Spiel mit Ball kehrte etwas Ruhe in Nürnberg ein. Sie jagten nicht mehr jede Kugel nach vorne, sondern versuchten sich nun an einem Spielaufbau in die Breite im neu formierten 4-1-4-1-System.

Der HSV agierte in dieser Phase passiver. Hecking hatte in der Winterpause angekündigt, solche Phasen im HSV-Spiel vermehrt zuzulassen. Seine Mannschaft solle den Gegner herauslocken, um dann selbst mit Kontern Nadelstiche zu setzen. Der HSV zog sich entsprechend im 4-5-1 in die eigene Hälfte zurück.

Das Kalkül ging nur so halb auf. Nürnberg blieb mangels Kreativität und Unterstützung durch die Außenverteidiger offensiv weiterhin harmlos. Aber nach vorne brachte der HSV wiederum wenig zustande. Ungenauigkeit im Abspiel sowie ein zu langsames Nachrücken erschwerte eigene Konter. Ein Fehlpass von Leibold leitete Nürnbergs Anschlusstreffer ein (51.).

Die ersten zehn Minuten nach der Pause sollten die einzigen Minuten bleiben, in denen Nürnberg ein Ballbesitz-Plus verbuchen konnte. Spätestens nach dem Elfmeter zum 3:1 (67.) fand der HSV zum dominanten Spiel zurück. Und spätestens mit der Einwechslung von Gideon Jung (76., für Schaub) stimmte die Balance auch wieder. Seine körperliche Robustheit nahm Fabian Nürnberger aus dem Spiel, der zuvor mit seinen Vorstößen von der Sechser-Position für Probleme gesorgt hat. Jung konnte sich mit seinem Treffer zum 4:1 sogar offensiv in Szene setzen (82.).

 

Fazit

Es war ein (fast) perfekter Abend für den HSV. Bis auf die erste Viertelstunde nach der Pause traten die Rothosen durchgehend dominant auf. Beeindruckend war nicht nur die hohe Flexibilität im Spielaufbau, sondern vor allem das Spiel gegen den Ball. Der HSV jagte verlorenen Bällen sofort nach und eroberte sie fast immer direkt wieder zurück.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch: Der 1. FC Nürnberg leistete kaum Gegenwehr. Ihr arg passives 4-4-1-1 funktionierte zu keiner Zeit. Hinzu kam, dass Keller sich bei seiner Aufstellung verpokerte. Für den HSV ist es aber ein gutes Zeichen, wenn er solch ein Spiel gegen einen schwachen Gegner klar gewinnt. Solche Partien gingen in der Vergangenheit manches Mal anders aus.

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