Marcus Scholz

23. Oktober 2017

Den trainingsfreien Tag wissen die Spieler in der Regel für sich zu nutzen. Familie, Freunde, oder eben ab zum Stadion und sich pflegen lassen. Für uns hier heißt das noch, Dinge voranzutreiben, die den Blog verbessern. Neue Dinge ausprobieren. Und das habe ich bis gerade eben (Stand 18.52 Uhr) auch gemacht. Daher auch der späte Blogeintrag, der mit einer erfreulichen Nachricht beginnen kann, denn Tatsuya Ito will seinen in Hamburg am Saisonende auslaufenden Vertrag verlängern. Das hat sein Berater unlängst verlautbart. Und darüber freue ich mich aus zweierlei Gründen: Zum einen, weil er dadurch dem HSV erhalten bleibt und hier seine bislang sehr positive Entwicklung fortsetzen kann. Zum anderen könnte Ito für die jungen Spieler so etwas werden, wie es einst ein Weltklassekicker wie Rafael van der Vaart für die gestandenen Profis war: Ein Türöffner für die Zukunft. Denn sollte Ito hier den Schritt zum vollwertigen Profi machen, wovon momentan alle ausgehen, kann man an ihm endlich dien Geschichte erzählen, die dem verein fehlt, um für die jungen Spieler interessant zu werden.

Ito könnte ein richtig gutes Beispiel dafür werden, dass man als Talent zum HSV wechselt und dort den Durchbruch schafft. Ein Szenario, das man zuletzt mit vielen Klubs verbinden konnte – nur nicht mehr mit dem HSV. Von hier gingen Talente zu anderen Klubs, um dort den Durchbruch zu schaffen. Und das gelang zumeist. Zuletzt ging Jonathan Tah und wurde bei Leverkusen sogar A-Nationalspieler. Selbst der Enkel von Uwe Seeler hat seine Zukunft trotz heftigen Werbens des HSV nicht in Hamburg gesehen. Kurzum: Hamburg hatte einen brutal schlechten Ruf im Nachwuchs. Bis vor kurzem.

 

 

Denn so streitbar Bernhard Peters ob seiner harschen Art für viele bis heute auch ist, der Erfolg gibt ihm und seinem vorgegebenen Weg Recht. Inzwischen trainieren U19-Spieler bei den Profis nicht nur einmal mit, sondern sie sollen tatsächlich an die Bundesliga herangeführt werden. Wobei, nein, noch mehr: Bei Jann-Fiete Arp wird das von der breiten (Fan-) Masse sogar schon gefordert. Auch jetzt, nach dem WM-Aus mit der U17 hoffen nicht nur hier im Blog viele, dass Arp, der am Mittwoch ins Training einsteigen könnte, schon am Sonnabend in Berlin dabei ist. Auch ich hätte nichts dagegen, ihn dort spielen zu sehen. Allerdings hätte ich aktuell auch nichts dagegen, Arp nach der anstrengenden WM und dem Abi-Stress in Berlin von einem Törles Knöll vertreten/ersetzen zu lassen. Denn abgesehen davon, das Knöll in der Regionalliga fast nach Belieben trifft, kennt Knöll das Tempo aus den letzten Wochen beim Profitraining und konnte es mitgehen. Er hätte es allemal verdient, wenn Wood wieder nicht funktioniert, eingewechselt zu werden.

Aber, das will ich nicht verhehlen, weder Arp noch Knöll waren in den Trainingseinheiten bei den Profis besonders auffällig. Deshalb halte ich es tatsächlich für richtig, wenn Gisdol weiter auf seinen potenziell stärksten Profi setzt, auf Bobby Wood. Ich würde ihm genau wie Gisdol weiter das Vertrauen schenken, in der Startelf zu stehen, um ihn zu stärken und darauf zu hoffen, dass er von jetzt auf gleich seine Form aus dem letzten Jahr so wiederfindet, wie sie ihm abhanden gekommen ist. Allerdings würde ich ihn auch immer wieder auswechseln, wenn ich sehe, dass es in dem jeweiligen Spiel wieder nicht besser wird als zuvor. Und zwar gegen einen Spieler, dessen Potenzial ich erahnen kann – aber dessen Leistungslimit sich noch nicht offenbart hat. Nur so entwickelt man junge Spieler. Und dass das funktionieren kann, hat Ito gezeigt. Von daher, Herr Gisdol, trotz der prekären Lage – nein, gerade deswegen: Mehr Mut zum Risiko! Lassen sie junge, heiße Spieler ran und verzichten sie darauf, Spieler zu bringen, die vielleicht über viel Erfahrung verfügen, die aber schon verbraucht sind.

Also, weg von einem Holtby, hin zu Waldschmidt. Weg von Mergim Mavraj, wenn er weiterhin Spiel für Spiel patzt - und hin zu einem Patrick Pfeiffer. Und weg von einem Schipplock – dafür Arp, Knöll und/oder Co. Denn letztlich ist das keine Entscheidung gegen die Alten, sondern eine für die Neuen. Zumal alles, was beim HSV neu ist, angesichts der anhaltenden Misserfolge zunächst einmal tendenziell positiv ist.

Vor allem aber ist es eine große Chance, den HSV endlich so neu aufzustellen, wie man es seit Jahren vorgibt, machen zu wollen. Weg von großen und teuren Namen, die in Hamburg schlechter werden und hin zu Talenten, die hier ihren Aufstieg zum erfolgreichen Fußballprofi begründen. Vor allem könnte man so endlich einmal die Mär von den immer viel zu hohen Erwartungen beilegen. Denn so berechtigt das vor ein paar Jahren auch noch gewesen ist – zuletzt dienten sie den handelnden HSV-Offiziellen in meinen Augen nur noch als Alibi für ihre zumeist zu teuren und erfolglosen Transfers. Und, ganz nebenbei: Ich würde alles darauf wetten, dass der HSV auf diesem mutigen Weg nicht einen Deut weniger von außen unterstützt würde – eher das Gegenteil dürfte der Fall sein.

Und damit komme ich wieder auf Tatsuya Ito zurück. Denn der ist bzw. wird nicht nur für junge Talente ein gutes Beispiel sein. Vielmehr dürfte er auch Gisdol gezeigt haben, was man in Hamburg alles verziehen bekommt, wenn man mutig ist. Anders kann ich mir zumindest die stehenden Ovationen nach seinem von Krämpfen beendeten mutigen Kurzauftritt gegen Werder Bremen nicht erklären. Und diese Ovationen galten ganz sicher nicht nur Ito, sondern auch Gisdol für den Mut, endlich einen wie Ito gebracht zu haben...

Der Zeitpunkt ist gut. Denn ich bin überzeugt davon, dass diese Mannschaft mit dem neuen Zusammenhalt, der in den letzten Wochen trotz bzw. gerade wegen aller spielerischen Mängel erkennbar wurde, solche „Projekte“ auffängt. Der Spielertyp „es muss nur einmal Klick machen, dann klappt’s schon“ ist weg. Ausgetrieben von anhaltendem Misserfolg. Die Zeit ist tatsächlich reif für ein Umdenken im größeren Stil. Mut statt Gewohnheit – unverbrauchte Talente für anhaltend erfolglose Routiniers.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 und um 15 Uhr trainiert. Ich melde mich im Anschluss wieder bei Euch.

 

Bis dahin!

Scholle

 

Nachtrag: Gideon Jung wurde vom Sportgericht für die Rote Karte gegen den FC Bayern für zwei Spiele gesperrt und fällt somit in Berlin und danach zuhause gegen den VfB Stuttgart aus. Zudem verstärkt Christian Rahn, der nach seinem Engagement als Cotrainer der U23 als Individualtrainer in der Jugend arbeitete, ab sofort die dritte Mannschaft, die aktuell in der Oberliga spielt. Er assistiert dort Trainer Marcus Rabenhorst.

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