Tobias Escher

7. Dezember 2019

Da ist sie nun, die erste veritable Krise dieser HSV-Saison. Nur drei Punkte holte der HSV aus den vergangenen fünf Spielen. Das 0:1 gegen Heidenheim lässt in Hamburg die Alarmglocken schrillen. Am Auftritt der Hamburger am Freitagabend bereitete vor allem eine Schwachstelle Sorgen: Dass der HSV die 75% Ballbesitz zu selten in klare Torabschlüsse ummünzen kann. 

28 Tore in den ersten zehn Saisonspielen, fünf Tore in den vergangenen fünf Partien: Der Trend spricht beim HSV eine klare Sprache. Gegen Heidenheim blieb der HSV zum zweiten Mal in dieser Saison ohne eigenes Tor. (Zuletzt passierte das bei einer emotionalen Ausnahmesituation, der 0:2-Niederlage im Derby.) Dass Heidenheim die Offensive des HSV lahmlegte, hatte mehrere Gründe. Die Gäste verteidigten aufopferungsvoll, dem HSV fehlte hingegen der Zug zum Tor.

Heidenheimer Manndeckung

Aber von Anfang an: Trainer Dieter Hecking verzichtete auf Experimente. Er stellte seine Mannschaft in der klassischen Mischung aus 4-3-3 und 4-2-3-1 auf. Mittelfeldspieler Aaron Hunt und Rechtsaußen Bakary Jatta kehrten in die Startformation zurück. Martin Harnik rückte ins Sturmzentrum, Sonny Kittel agierte als in die Mitte rückender Linksaußen.

Der HSV übernahm von der ersten Minute an die Kontrolle über die Partie. Heidenheim suchte das eigene Glück im Konter. Sie stellten sich in einer 4-2-3-1-Formation auf, die defensiv zu einem 4-4-1-1 wurde. Die Formation bestand jedoch nur auf dem Papier. Die Mittelfeldspieler hatten die klare Anweisung, den jeweiligen Gegenspieler eng zu decken. Die Doppelsechs nahm Hunt und Jeremy Dudziak in Bewachung, die Außenstürmer deckten die vorrückenden Hamburger Außenverteidiger. 

Die HSV-Spieler reagierten auf die enge Deckung, indem sie weit nach vorne rückten. Gerade Dudziak rückte immer wieder in die letzte Linie auf, aber Hunt rückte immer mal wieder nach vorne. Das Kalkül war es, Freiraum im zentralen Mittelfeld zu schaffen. Die Hamburger Spieler zogen die gegnerischen Mittelfeldspieler aus ihren Positionen, um in eben jenem Mittelfeld Freiräume zu schaffen. Dazu rückte Kittel immer wieder in den freien Halbraum ein. Aber auch Sechser Adrian Fein zeigte sich wesentlich beweglicher als in den vergangenen Wochen. 

Es gab einige Situationen, in denen diese Idee herrlich funktionierte. Der HSV drückte den Gegner dann in dessen Hälfte, Kittel oder Fein konnten mit Tempo auf die Abwehr zulaufen und das Spiel auf den gegenüberliegenden Flügel verlagern. Leider hatte das weite Aufrücken zahlreicher HSV-Akteure oft einen anderen Effekt: Im Mittelfeld klaffte eine große Lücke. Die Abwehr musste wieder und wieder quer spielen, weil sie keine Anspielstation vor dem Ball hatte. Dadurch wirkte das HSV-Spiel langsamer, als es eigentlich sein sollte.

Taktische Aufstellung HSV-FCH

 

Schwachstellen: Strafraumbesetzung und Konterabsicherung

Durch die häufig improvisierte Struktur des HSV entstand ein weiteres Problem: Die Hamburger standen nach Ballverlusten im Mittelfeld schlecht gestaffelt. Fünf bis sechs Akteure postierten sich weit vorne. Verlor also die Abwehr oder das Mittelfeld den Ball, hatte der Gegner bereits sechs HSV-Spieler aus dem Spiel genommen. Heidenheim kam somit trotz tiefer Position zu vielversprechenden Kontern, die meist aber von der Innenverteidigung entschärft werden konnten.

Schwerer wog aus meiner Sicht ein anderes Problem: die mangelhafte Strafraumbesetzung. Selbst wenn der HSV mit Tempo auf die gegnerische Abwehr zulief, kam der finale Pass nur selten an. Das lag nicht immer am Passgeber; manchmal fehlten schlicht die Optionen im Strafraum. Kittel bewegte sich um den Strafraum, Jatta blieb häufig auf den Außen, auch Dudziak und Hunt sind nicht gemacht für diese Rolle.

 

Ich mag in den vergangenen Wochen manches Mal David Kinsombi für seine mäßige Bindung an das Aufbauspiel kritisiert haben; aber ebendiese Läufe in den Strafraum sind seine Stärke und haben dem HSV gegen Heidenheim gefehlt.

Es gab aber noch ein zweites Problem: die Schussqualität. Beizeiten wirkt es so, als wolle der HSV den Ball ins Tor tragen. Und wenn die Spieler zum Abschluss kommen, sind die Schüsse häufig nur schwach getreten. Das ist nicht nur aus technischer Sicht ein Problem, sondern auch aus taktischer: Schüsse markieren den Abschluss eines Angriffs. Selbst wenn sie am Tor vorbeigehen, bieten sie die Chance, sich defensiv zu sortieren, ehe der Gegner kontern kann. Der HSV schoss aber entweder gar nicht oder direkt in die Arme des Keepers, der einen Konter einleiten konnte. Somit bekam der HSV nur selten eine defensive Ordnung ins Spiel.

 

Wechsel helfen nicht

Taktische Wechsel gab es im Verlaufe der Partie nicht zu bestaunen. Der HSV trat nach der Pause zielstrebiger auf, da die Pässe der Spieler mehr Wucht hatten und zielstrebiger waren. Zugleich zeigte sich Kittel noch präsenter als vor der Pause. Die Idee, mit Lukas Hinterseer einen Stürmer zu bringen, sorgte zudem für mehr Präsenz im Strafraum. 

Der Gegentreffer erfolgte – wie soll es anders sein - nach einem Ballverlust im Mittelfeld, als der HSV unnötig offensiv gestaffelt war. Hecking versuchte in der Folge, mit einer Zwei-Stürmer-Formation mehr Druck auf das gegnerische Tor auszuüben. Vergeblich. Der HSV rannte an gegen die Elf-Mann-Mauer der Heidenheimer.

Ich würde jedoch behaupten, dass dieses Spiel nicht in der Defensive verloren wurde – und das obwohl der HSV Konter schlechter verteidigte als in den vergangenen Wochen. Die Krux war die Offensive: Zu selten suchte der HSV den Abschluss, und die wenigen Abschlüsse wurden äußerst kläglich vergeben. An diesem Problem muss der HSV arbeiten, will er seine derzeitige Krise überwinden. Zeit genug hat er: Erst am Sonntag geht es weiter mit der Partie in Sandhausen. Auch dann gilt es wieder, einen defensiven Gegner zu knacken.

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