Marcus Scholz

28. November 2020

Es tut manchmal gut, sich einfach mal mit Außenstehenden zu unterhalten. Unaufgeregt. Entspannt. Ohne eigene Interessen. Und vor allem etwas objektiver – soweit das bei einzelnen Personen möglich ist. „Hier wundert man sich nur, dass tatsächlich schon wieder Unruhe bei Euch ist“, hat mir beispielsweise Christian Hoch vorhin gesagt. Ich hatte mit ihm telefoniert, um zu hören, wie es ihm geht. Zur Erläuterung: Christian, den ich nur zu gern als meinen Kompagnon dauerhaft bei der Rautenperle dabei gehabt hätte, absolviert gerade eines der spannendsten Volontariate, die man sich als angehender Sportjournalist vorstellen kann: Er ist beim WDR. Aktuell eingesetzt in der Sportschau. Glückwunsch dazu noch einmal, Christian! Du rockst das Ding…!

 

Aber das weiß er. Er ist ein richtig Guter. Und vor allem kennt er den HSV und hat aktuell die Möglichkeit, seinen Klub mal ein wenig aus der Distanz zu beobachten. Und das macht er natürlich unverändert intensiv. „Ich habe mich einfach immer wieder mit Leuten, die vom Fach sind, über den HJSV unterhalten. Die meisten wussten nicht, welchen Verein ich gut finde und haben ganz offen gesprochen. Und das Erstaunlichste daran: Die wenigsten sehen den HSV so, wie die Fans ihn in Hamburg sehen: Sie sehen ihn hier eher als die vermeintlich beste Mannschaft der Zweiten Liga – und zwar auf einem richtig guten Weg.“

Nur in Hamburg kommt Krisenstimmung zustande

Der Trainer käme an, wie man sich einen Trainer wünscht, wenn man einen Neuanfang wagt. Der Verein strahle eine lange nicht dagewesene Ruhe aus. Und die Mannschaft spiele einen ansehnlichen Fußball. Soweit die Meinung der Außenstehenden. „Dass jetzt tatsächlich schon eine Krise heraufbeschworen wird, glaubt hier gar keiner“, hat mir Christian am Telefon gesagt. Und weiter: „Selbst meine Köln-Fans im Umfeld, die so einiges gewohnt sind, glauben das nicht. Oder besser gesagt: Niemand kann sich das hier angesichts der Tabellensituation und der ersten Spieltag vorstellen.“ Außer die, die den HSV live erleben.

Wir hier in Hamburg kennen das schon gar nicht mehr anders. Hier hat man sich über viele Jahre eine Grundskepsis eintrichtern lassen, die nicht einfach so ausgeblendet werden kann. Die Retter kamen, sie klopften symbolisch auf die ach so verinnerlichte Raute und performten anfänglich super. Bis alles auseinanderbrach. Oftmals binnen Sekunden – manchmal über viele Millionen Euro teure Jahre. Aber letztlich brachen sie alle auseinander. Immer.

 

Und deshalb wird das auch diesmal so sein. Sagen viele. Egal, ob da jetzt ein junger Trainer wie Thioune sitzt oder nicht - dieser HSV ist eben einfach untrainierbar, er ist nicht steuerbar. Er ist durchtränkt mit Vetternwirtschaft, Selbstbedienern und Egomanen. Einfach unheilbar. Und das kann sein. Von derlei Typen hatte der HSV in den letzten Jahren zu viele. Aber wenn ich so allem Neuen jetzt schon die Basis entziehe, wie es einige bei Thioune argumentieren – dann wird es auch nie funktionieren.

Was ich sagen will: Hier liegt noch vieles im Argen. Ohne hier den Verantwortlichen einen Persilschein ausstellen zu wollen, werde ich beispielsweise beim Trainer meine Eindrücke nicht komplett über den Haufen werfen, weil er gegen Bochum verloren hat. Auch nicht, weil seine Wechsel zuletzt nicht griffen. Mich stört auch nicht, dass er mit seinen vielen Startelf-Wechseln zuletzt mehr durcheinandergebracht hat, als zu stabilisieren. Ich gebe ihm für diese Fehler die Schuld – aber ich sehe zuallererst, dass der Trainer diese Fehler selbst erkennt.

Mein Weg: Die Alten als Backups, Junge vorneweg

Wenn Thioune und sein Team jetzt in den nächsten Spielen diese Fehler korrigieren, ist mir das tatsächlich noch mehr wert, als die ersten fünf Siege in Folge. Denn dann haben wir nach vielen, vielen Jahren endlich wieder einen Trainer, der noch wachsen kann, weil er sich noch nicht am Ziel sieht. Und nur so kann auch der HSV tatsächlich gesund wachsen.

Was bedeutet das für Heidenheim? Druck von außen, der von innen dementiert wird. Branchenübliche Rückendeckung, Treueschwüre, Mahnen zur Ruhe – wir kennen das ganze Prozedere doch. Es langweilt mich sogar schon. Und auch deshalb – und damit komme ich auf den Anfang zurück – tut es so gut, sich mal wieder mit Externen zu unterhalten. Denn von denen können (und sollten!) wir ein Stück Objektivität mitnehmen. Ich für meinen Teil fühle mich zumindest darin bestätigt, dass mit Thioune und Co. aktuell die Chance riesengroß ist, einen vernünftigen Neuanfang zu starten. Sie verbreiten außerhalb des HSV-Kosmos‘ weiterhin Aufbruchstimmung. Trotz einzelner Rückschläge.

 

Und so groß der Aufschrei jetzt hier auch sein mag, mich stören nicht einmal Niederlagen, wenn ich darin eine Entwicklung erkennen kann. Denn das geht! Auch deshalb hatte ich übrigens  vor der Saison gehofft, dass der HSV noch deutlicher auf junge Spieler setzt. Nichts gegen Gjasula, Terodde, Ulreich, Leistner und Co. – aber ich hätte sie nur geholt, um der jungen Mannschaft ein Korsett zu geben, sofern die Youngster unter sich nicht ausreichend funktionieren. Die älteren Herren wären für mich eine Art Entwicklungshilfe. Backups für die Phasen, wo es mit den Jungen gar nicht geht. Und so würde ich es – Ulreich und Terodde mal ausgenommen – auch heute noch handhaben. Manchmal ist auch der Weg das Ziel!

 

Voraussichtliche Aufstellungen:
Heidenheim: Ke. Müller - Busch, P. Mainka, Hüsing, Theuerkauf - Burnic, Sessa -  Leipertz, Kerschbaumer, Thomalla - Kühlwetter
HSV: Ulreich -  Gyamerah, Ambrosius, Leistner, Leibold - Onana, Heyer - Dudziak - Narey, Terodde, Wintzheimer

 

Deshalb an dieser Stelle einmal großes Lob an unsere Community! Mit Eurer Wunschaufstellung zeigt Ihr mir, dass auch Ihr lieber die mutige Variante fahren wollt. Ulreich – Gyamerah, Ambrosius, Heyer – Narey, Onana, Dudziak, Leibold – Wintzheimer, Terodde, Kittel. Kein Leistner, kein Hunt, kein Gjasula. Bei dieser Startelf wird eine vermeintliche hohe Gefahr für die Chance in Kauf genommen, dass die frischere, jüngere und entwicklungsfähigere Mannschaft die nächsten Schritte geht. Und um mal nur für mich zu sprechen: Nur so erhalte ich mir überhaupt die Hoffnung darauf, dass hier eine Mannschaft zusammenwächst, die Zukunft hat.

Und das Beste daran: Ich verlasse damit nicht einmal das reine Leistungsprinzip! Okay, es mag ein Zufall sein, dass der HSV mit Leistner hinten schwächer gespielt hat (zwei Niederlagen, ein Remis, ein Sieg) als mit Ambrosius (vier Siege, zwei Remis). Aber ich glaube das nicht. Ich glaube, dass Thioune gut beraten wäre, weiter die jungen Spieler mit Startelfnominierungen zu fördern. Natürlich auch nur, solange sie das im Training rechtfertigen. Aber bei Duellen auf Augenhöhe wäre es für mich der junge Spieler, der aufgestellt würde. So sehr das allem übergeordnete Ziel Wiederaufstieg heißt – es ist mit den jungen Spielern möglich! Noch mehr, wenn die Alten dahinter funktionieren und ihre Rolle annehmen.

Hoffentlich bleibt Thioune mutig

Von daher noch einmal: Eure Startelf gefällt mir sehr! Möglich ist sie zudem, da heute Dudziak (ebenso Aaron Hunt) wieder im Training mitwirken konnte und einsetzbar wären. Thioune kann dementsprechend aus dem Vollen schöpfen und ich hoffe sehr darauf, dass er mutig bleibt – wobei es meiner Meinung nach überhaupt nicht vielen Mutes bedarf, um Spieler wie Ambrosius, Onana und Co. zu bringen.

Wir werden übrigens morgen  wieder wie gewohnt von unserer Live-Couch aus dabei sein. Wer Bock hat, sich mit uns zusammen zu ärgern und noch lieber zu freuen: Ab 13 Uhr sind wir live für Euch via youtube-Channel da. Morgen sogar mit einem Gast, der corona-konform mit uns im Studio fiebern wird. Von daher: Bis morgen!!

Scholle

 

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