Marcus Scholz

10. September 2019

Manchmal reicht eine kurze Ansage. Zumindest schien es fast so, als gäbe es einen Zusammenhang zwischen den Worten des Trainers am Vormittag und der Leistung des Spielers am Nachmittag. „Wichtig ist, dass er jetzt Spielzeit bekommt“, hatte Trainer Dieter Hecking über Xavier Amaechi gesagt, der beim HSV trotz großer Vorschusslorbeeren bislang nicht durchstarten konnte. Weder in den Spielen  - noch in den Trainingseinheiten. Mit Ausnahmen selbstverständlich. Und die beiden heutigen Trainingseinheiten zähle ich dazu, denn sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag wusste der junge Engländer (mir) zu gefallen. Dennoch, das machte Hecking deutlich, wird das Toptalent vom FC Arsenal in den kommenden Wochen wohl mehr bei Regionalligaspielen zu sehen sein als in der Zweiten Liga. „Gut möglich, dass er dort Spielpraxis bekommt“, so Hecking.

Amaechi also bis auf Weiteres in der Regionalliga-Mannschaft - das ist den Erwartungen an das hoch gehandelte Offensivtalent entsprechend zu wenig. Dennoch: Angesichts der aktuellen Situation ist es für Amaechis  Entwicklung zweifelsfrei sportlich das Beste. Zudem ist es auch das Ergebnis des Umstandes, dass Hecking mehr auf die bisherigen Außenstürmer Narey, Jatta sowie Kittel und den wieder genesenen und immer besser in Fahrt kommenden Jairo Samperio setzt. Und - natürlich nicht zu vergessen - auf den letzten Zugang: Martin Harnik. Der entschied heute Nachmittag das Abschlussspiel per „Golden Goal“ nach Fehler von der Nummer eins, Daniel Heuer Fernandes. Harnik macht im Training also weiterhin seinem Ruf alle Ehre, außergewöhnlich effektiv zu arbeiten. Ob Harnik denn im Derby von Beginn an ran darf? Hecking mauert noch. „Das ist noch zu früh, um darüber Auskunft zu geben.“

Hunt oder Kittel - wer darf im Derby im Zentrum beginnen?

Fakt ist, auch in ein paar Tagen ist es mehr als unwahrscheinlich, dass sich der Trainer zu seiner Startelf öffentlich äußert, geschweige denn festlegt. Und dementsprechend interessant wird sein, wen Hecking im Zentrum im Derby beginnen lässt. Unter normalen Umständen würde ich mich früh auf Kapitän Aaron Hunt festlegen, weil Hecking der Typ Trainer ist, der Hierarchien im Team als wichtig erachtet und der seinen Führungsspielern lange vertraut. Auch dann, wenn Youngster mal mächtig  Druck machen. Und in diesem Fall muss man auch ehrlich anerkennen, dass der HSV immer dann gefährlich wurde/wird, wenn er das Tempo erhöht - und das war mit Sonny Kittel auf der Zehn deutlich häufiger der Fall. Im Abschlussspiel heute war Hunt als neutraler Mann unterwegs, also als Anspielpunkt für beide Mannschaften.  Die Teams: Heuer Fernandes – Harnik, Narey, Amaechi, Kittel, Jung spielten gegen Mickel – Jatta, Gyamerah, Wood, Kinsombi, Jairo, Papadopoulos. Wirklich viel zu erkennen ist daraus dementsprechend nicht.

Erkennbar ist allerdings, dass Hecking versucht, dem Derby keine überhöhte Rolle zuzugestehen. Der Trainer erzählte uns heute, wie er früher mit derartigen Derbys (Mit Nürnberg gegen Fürth oder auch mit Gladbach gegen Köln) umgegangen war. „Ich bin da immer ein bisschen zweigeteilt. Einerseits weiß ich natürlich um die Bedeutung solch eines Stadtderbys, andererseits darf man es auch nicht zu hoch hängen“, so Hecking, der weiter ausführt: „Meine Erwartungen an das Derby sind sportlicher Natur, alles andere von außen können wir nicht beeinflussen. Diese außergewöhnliche sportliche Rivalität macht dieses Derby natürlich auch aus, das ist auch der Reiz daran.“

 

Dennoch dürfe er als Trainer die Situation nicht sich selbst überlassen, sondern müsse immer ein Auge auf etwaige Entwicklungen haben. „Es ist am Ende immer von Fall zu Fall zu betrachten“, so der Coach heute, „ich habe am Anfang in Nürnberg auch versucht, das Thema klein zu halten, den großen Druck rauszunehmen. Wir haben es als Favorit danach nicht über ein 0:0 hinaus geschafft. Dabei hatte ich fast das Gefühl, die Mannschaft eingeschläfert zu haben.“ das dürfe natürlich jetzt nicht passieren. Daher sei es eine ganz individuell zu betrachtende Situation, die er abschließend nicht  beantworten könne. „Ich muss sehen, wie sich die Stimmung in den nächsten Tagen entwickelt. Je nachdem werde ich hier und da drosseln - und an anderer Stelle Druck zulassen.“

Und beobachtet man Hecking in diesen Tagen genauer, ist von Derbystimmung bei ihm noch nichts zu erkennen. Alles ist beim Alten, Hecking verhält sich wie immer - Business as usual eben. Das allerdings kann sich schnell ändern, wenn auch wieder alle Nationalspieler zurück sind. Lukas Hinterseer, Rick van Drongelen, Adrian Fein und der Ex-Pauli-Kicker Jeremy Dudziak sollen morgen wieder einsteigen und werden allein damit schon den Druck intern erhöhen. „Normaler Konkurrenzkampf“, sagt Hecking und lächelt dabei erfreut. Er weiß, dass er aktuell nicht als Motivator gefragt ist, sondern vielmehr als Moderator des Ganzen. Das Stadtderby mit seiner Bedeutung für die Fans, der erhöhte Konkurrenzkampf, Rückkehrer wie Hunt und Samperio sowie mit Harnik ein später Neuzugang, der den Anspruch haben darf, zur Startelf zu zählen - das sollte reichen, um jeden einzelnen Spieler an seine persönliche Leistungsgrenze zu führen.

Hecking moderiert das Spiel für seine Mannschaft - und warnt

Hecking belässt es daher dabei, nicht zu viel anders zu machen. Dementsprechend wird auch davor gewarnt, den nächsten Gegner zu unterschätzen. Auch der FC St. Pauli habe das Potenzial, den HSV schlagen. Oder? „Ich fange jetzt langsam damit an, mich mit St. Pauli zu beschäftigen. Das geht bei mir auch relativ schnell, brauche nicht lange, um mich bei Pauli einzuarbeiten, habe sie gegen Greuther Fürth auch schon live gesehen. Wir werden uns sehr gut auf das Derby vorbereiten“, gibt Hecking zu, sich noch nicht zu intensiv mit dem Millerntorklub beschäftigt zu haben. Dennoch warnt er: „Das ist schon eine Mannschaft, die absolutes Potenzial hat, im vorderen Tabellenfeld zu landen. Im vergangenen Jahr waren sie lange Zeit in der Saison vorne dabei. Ich verstehe natürlich, dass sie die Favoritenrolle gerne in den Volkspark schieben“, sagt Hecking und lächelt dabei, „und diese Rolle nehmen wir auch gern an. Trotzdem hat St. Pauli auch eine gewisse Qualität. Bei aller Rivalität muss man auch mal lobend erwähnen, dass der Nachbar eine gute Arbeit seit Jahren leistet.“

Hecking moderiert und lenkt die Stimmung vor dem Derby - in geregelte Bahnen. Manchmal reichen dafür eben auch wenig, völlig unaufgeregte Worte.

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich natürlich am Morgen wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch, ehe um 10 das nächste öffentliche Training am Volkspark stattfindet. Christian und ich werden natürlich auch dann wieder vor Ort sein und freuen uns auf neue, tolle Geschichten Eurerseits zum Stadtderby. Heute haben wir schon erste Kommentare gesammelt, wie Ihr in dem Video sehen könnt. Zudem haben wir viele schöne Geschichten erhalten, die wir bis  Montag sammeln und ggf. auch veröffentlichen.

Solltet Ihr also noch tolle Geschichten oder interessante Rituale vor dem Spiel haben oder einfach Eure ganz persönliche Botschaft vor dem Derby loswerden wollen, schickt es uns gern an kontakt@rautenperle.com.

 

Bis morgen! Scholle und Christian

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