Marcus Scholz

26. Juni 2020

Interessiert es mich noch wirklich, was der HSV wie trainiert? Ist das jetzt noch wichtig? Nein, behaupte ich. Denn dieser Sonntag erklärt alles von selbst. Ein Blick auf die Tabelle reicht. Mal wieder ist klar, dass der HSV seine Aufgabe selbst lösen muss, ehe er auf irgendwas von außen hoffen darf. „Wir müssen unser Ding machen, wir können uns nicht auf die anderen verlassen“, sagte HSV-Trainer Dieter Hecking, ehe er hinzufügte: „Wenn wir es am Ende schaffen“, und das sehe ich genauso wie er, „dann haben wir es verdient. Wenn wir es nicht schaffen, haben wir auch das verdient.“ Zumal er Heidenheim nach einer starken Saison auch entsprechend Respekt zollen wolle.

Nicht dabei sein wird am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) gegen den SV Sandhausen der seit gestern verletzte Niederländer Timo Letschert. Während Rechtsverteidiger Jordan Beyer gelbgesperrt fehlt,  hat Letschert sich „eine schwere Zerrung des Innenbandes im rechten Knie zugezogen und wird auch in einer möglichen Relegation nicht zur Verfügung stehen“, sagte Hecking heute bei der Pressekonferenz, die er noch einmal nutzte, um Zusammenhalt einzufordern. „Es wird am Sonntag eine Charakterfrage sein. Das werde ich der Mannschaft aber abverlangen“, so der 55-Jährige, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, sofern der HSV nicht aufsteigt. „Im Fußball liegt so vieles nah beieinander. Diese Mannschaft hat aber immer davon gelebt, dass sie das als Kollektiv meistert. Da bekommt sie volle Unterstützung von uns von der Sportlichen Leitung. Noch ist die Möglichkeit da und deshalb gab es auch keine Szenarien ‚was wäre, wenn es nicht klappt?‘ in der Kabine. Wenn Bielefeld dann gewonnen haben sollte, dann können wir weiter schauen.“

Hoffnung auf Bielefeld nur zweitrangig

Dass sich der seit Wochen feststehende Meister hängen lassen könnte, glaubt Hecking nicht. Im Gegenteil. Allerdings kann auch niemand erwarten, dass Bielefeld am Sonntag so heiß ins Spiel geht, als ginge es für sie noch um alles. Dafür ist mit dem Erreichen des Aufstieges und des Titels einfach zu viel Spannung abgefallen. Verständlicherweise. „Wir haben es tatsächlich mehr als einmal richtig krachen lassen“, sagte Kapitän und Torjäger Fabian Klos jetzt dem „Westfalen-Blatt“ ehrlich. „Es gibt auch keinen Grund, das zu verheimlichen. Das hatten wir uns schließlich absolut verdient.“ Stimmt auch. Was aber Hoffnung macht: Es habe ihn „beeindruckt, was wir nach zuvor zwei, drei Tagen Vollgas im Spiel gegen den SV Darmstadt abgeliefert haben“. Zur Erinnerung: Gegen die Südhessen gewann die Arminia zwei Tage nach dem feststehenden Aufstieg mit 1:0. Ein Ergebnis, das sie am Sonntag gern wiederholen dürfen – finde sicher nicht nur ich.

 

Wobei das die Heidenheimer selbstredend mit allen Mitteln verhindern wollen. Im Fernduell mit dem HSV gehen die Heidenheimer gierig in die Partie in Bielefeld. „Wenn wir in Führung waren, haben wir jedes Spiel gewonnen“, sagte Trainer Frank Schmidt und beteuerte: „Die Spieler haben einen großen Hunger auf Erfolg.“ Er auch. Schmidt sitzt schon seit 2007 auf der Trainerbank und ist der dienstälteste Coach im deutschen Profifußball. Er HSV hatten in der Zeitspanne übrigens 16 Trainer. Wie groß die Motivation von Schmidt nach zudem sechs Jahren Zweite Liga ist, machte er noch einmal deutlich: „Wenn man so lange Trainer bei einem Verein ist, funktioniert das nur, wenn die Identifikation grenzenlos ist“, so Schmidt, der nur 200 Meter entfernt vom Heidenheimer Stadion geboren wurde. „Jeder weiß, dass ich von hier komme und es als meine Berufung ansehe, dass dieser Verein seine Ziele erreicht.“ Der Marsch von der Oberliga ganz nach oben steht damit unmittelbar vor der Vollendung. Heftige Leistung, Chapeau!

Und das Beste aus HSV-Sicht daran: Allein die Tatsache, dass man die Ziellinie schon vor Augen und das Erreichen aller Ziele in der eigenen Hand hat, übt einen gewissen Druck auf die Heidenheimer aus. Auch der Umstand, dass alle erwarten, dass Bielefeld vergleichsweise tiefenentspannt in die Partie geht, macht es nicht leichter. Und während solche Entscheidungsspiele beim HSV immer wieder zu wiederholten, späten Gegentoren führten und Niederlagen bzw. unnötige Punktverluste mit sich brachten, gibt sich Heidenheims Trainer Schmidt optimistisch. Das Spiel in Bielefeld sei schon „ein dickes Brett. Aber wir haben ein paar geeignete Bohrer dabei“, so der Heidenheim-Coach. Um bei der Arminia zu gewinnen, brauche sein Team aber nicht nur eine starke Defensive. Sie müsse sich auch Chancen erarbeiten wie zuletzt beim 2:1 gegen den HSV in der Schlussphase. Weiterer Hoffnungsschimmer für den HSV: In vier Auswärtspartien gelang Heidenheim seit dem Restart der Liga nur ein Tor.

HSV will Heidenheim mit Toren unter Druck setzen

Viel Theorie – und alles eigentlich überhaupt nichts für mich. Ich sehe lieber diejenigen, die erst machen, dann reden geschweige denn rechnen. Wäre ich Spieler, ich würde allen Mannschaftskameraden klarmachen, dass nichts mehr Druck und Verunsicherung bei Heidenheim aufbaut, als die eigene Führung. Denn fakt ist: Ebenso wie der HSV werden auch die Heidenheimer in Bielefeld jedes Tor sofort mitgeteilt bekommen, dass beim HSV fällt. „Und das kann dazu führen, dass Heidenheim etwas machen muss“, so Heckings sicher nicht ganz falsche Spekulation. Soll heißen: Der HSV kann selbst Druck auf den FCH aufbauen, wenn er endlich einmal seine eigene Arbeit macht.

 

Wie Ihr wisst, schätze ich Dennis Diekmeier sehr. Und es wäre ein Leichtes, heute ein großes Interview mit ihm zu machen. Aber: Interessiert es mich wirklich, was der Gegner macht? Heute, wo alle wissen, dass es aus sportlicher Sicht um Leben und Tod geht? Nein! Der SV Sandhausen ist definitiv sehr ernst zu nehmen – aber komplett unerheblich bei der eigenen Ausrichtung. KOMPLETT! Ebenso wie der beachtliche Titel von Jürgen Klopp mit dem FC Liverpool und die mir seit Monaten immer wieder gestellte Frage: Wo wäre der HSV, wenn er damals Klopp genommen hätte? Ich weiß es nicht. Aber ich gönne es Klopp, dass er statt des HSV so seine riesigen Erfolge feiert.

Aber noch mal, um das klarzustellen: Bis zum Abpfiff des letzten Spieles – ob es nun das am Sonntag ist oder das Rückspiel der Relegation – zählt nichts als der jeweilige Sieg. Unabhängig davon, wer spielt. Am Sonntag dürfen tatsächlich nur die spielen, die diesem Druck auch gewachsen sind. Da ist es mir fast egal, ob am Ende Bremser im Mittelfeld, Heuer-Fernandes im Angriff oder Boldt im Tor steht.

 

Trotzdem, weil ich es gefragt wurde: Ich persönlich würde am Sonntag lieber einen gesunden Ewerton in der Innenverteidigung sehen als einen Gideon Jung, der zweifellos hochmotiviert, aber eben auch immer für einen Stellungsfehler/Ballverlust gut ist.  Wie Hecking das sieht? „Manchmal schreibt der Sport ja solche Geschichten, weil er keine gute Saison hatte“, ließ Hecking heute offen, ob Ewerton spielt. Welche Qualität er sich denn von Ewerton erwarten würde, habe ich Hecking gefragt. Und er antwortete: „Vielleicht wäre er ja der, der das gewisse etwas reinbringt. Dass er unvorbelastet wäre, etwas freier vom Kopf her. Er hat die Nackenschläge zwar miterlebt, aber längst nicht so emotional wie die Spieler, die Woche für Woche auf dem Platz standen. Das wäre sicher ein kleiner Vorteil“, so Hecking, der sich von Ewerton zudem eine hohe fußballerische Qualität verspricht.

Ewerton bringt fehlende Frische ins Spiel

Klingt so, als würde Ewerton am Sonntag spielen, sofern er bis dahin gesund bleibt. Aber noch mal: Vor solchen Spielen ist vieles wirklich scheißegal. Allen! Und ich behaupte: Selbst wenn Hecking am Sonntag Dirk Bremser bringt und gewinnt – dann hätte er alles richtig gemacht. In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich nach der Bundesligakonferenz mit dem potenziellen Relegationsgegner und den letzten Neuigkeiten zum HSV vor dem eigenen Finale.

Anbei noch die Spieltagstipps von unserem Blogfreund Helm Peter!

Bis morgen! Scholle 

 

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