Tobias Escher

22. Oktober 2019

In der Zweiten Bundesliga gibt es in jeder Saison eine Mannschaft, die alle Experten überrascht und unerwartet um den Aufstieg mitspielt. In diesem Jahr könnte diese Mannschaft Arminia Bielefeld heißen. Gegen den Hamburger SV zeigten sie eine Kostprobe, warum sie so schwer zu bespielen sind. Der HSV überzeugte zwar über weite Strecken mit einer ordentlichen Defensivtaktik. Gerade in der zweiten Halbzeit hatten sie jedoch Probleme, Bielefelds unkonventioneller Mischung aus Ballbesitz- und Kampffußball Paroli zu bieten.

Nach dem überzeugenden 2:0-Erfolg gegen Greuther Fürth gab es für Dieter Hecking nur eine Position, die er verändern musste. Aaron Hunt fehlte verletzt, Sonny Kittel übernahm seine Position auf der Zehn. Der HSV begann somit erneut in einer Mischung aus 4-3-3 und 4-2-3-1. Durch Kittels recht hohe Positionierung stand der HSV in dieser Woche eher in einem 4-2-3-1.

Arminia Bielefelds Trainer Uwe Neuhaus bevorzugt ein ähnliches System. Bei den Bielfeldern war es Joan Simun Edmundsson, der zwischen Zehner- und Achter-Position pendelte. Gegen den Ball stellte sich Bielefeld in einem 4-4-2-System auf.

 

Beide Teams überzeugen mit Pressing und Ballbesitzphasen

Nicht nur von der Formation her ähnelten sich beide Teams, auch taktisch gab es Parallelen. Hecking und Neuhaus favorisieren als Trainer ein kontrolliertes Ballbesitzspiel. Ihre Spieler sollen den Ball so lange zwischen Abwehr und Mittelfeld laufen lassen, bis sich die Möglichkeit bietet, das Spiel ins letzte Drittel zu tragen.

Sobald der Gegner im Ballbesitz war, stellten sich die Mannschaften mit zwei Viererketten auf. Der HSV versuchte, mit dem eigenen 4-4-1-1-Defensivsystem den Gegner auf die Flügel zu lenken. Hier sollte Bielefeld isoliert und zum direkten Spiel in die Spitze verleitet werden. Das funktionierte besonders in der ersten Halbzeit gut. Bielefeld spielte viele Pässe den Flügel entlang, Hamburgs Außenverteidiger konnten diese Bälle abfangen.

Bielefeld wiederum stellte sich im Spiel gegen den Ball in einem 4-4-2 auf. Sie versuchten nicht ganz so stark, den HSV auf die Flügel zu lenken. Vielmehr luden sie die Innenverteidiger ein, einen Flachpass ins zentrale Mittelfeld zu spielen. Hier sollte ihre körperlich robuste Doppelsechs zuschlagen. Überhaupt pflegt Bielefeld ein sehr körperbetonte Spielweise: Sie verteidigen nah am Mann, werfen sich in die Zweikämpfe, wollen direkte Duelle am Boden und in der Luft provozieren.

Hamburgs Verteidiger ließen sich nicht in die Pressingfallen locken. Statt flach ins Zentrum zu spielen, eröffneten die Innenverteidiger das Spiel überraschend häufig mit einem langen Schlag. Sie wollten das Mittelfeld direkt überbrücken. Obwohl der HSV körperlich gegen Bielefelds Abwehrkette unterlegen war, gelang ihnen mit den langen Bällen häufig ein Raumgewinn. Gerade lange Bälle hinaus zu Bakary Jatta oder Martin Harnik halfen, das gegnerische Mittelfeld zu umspielen.

In der Folge war es Kittel, der diese Spielzüge veredelte. Er positionierte sich wie erwähnt recht weit vorne und bot sich nur selten im Mittelfeld an. Die positive Folge war, dass er nach festgemachten langen Bällen sofort anspielbereit war. Kittel überzeugte dabei mit guten Laufwegen sowie einem intelligenten Gespür, in welchen Räumen er aufzutauchen hatte.

Taktische Aufstellung DSC-HSV

 

Bielefeld bestraft passiven HSV

In der ersten Halbzeit hatte der HSV mit dieser Spielweise leichte Vorteile. Defensiv lenkten sie das Aufbauspiel der Bielefelder in die richtigen Bahnen, über einen Ballgewinn im Pressing erzielten sie den Führungstreffer. Offensiv konnten sie immer wieder für Entlastung sorgen.

Nach der Pause, spätestens aber nach Bielefelds Ausgleichstreffer nach einer Ecke kippte die Dynamik des Spiels. Es genügte, dass die Hamburger einige Meter tiefer verteidigten. Bielefeld ließ die Kugel nun wesentlich geduldiger laufen als noch vor der Pause. Manuel Prietl ließ sich weit fallen, er bildete mit den Innenverteidigern im Aufbau eine Dreierkette. Wieder und wieder verlagerten die Bielefelder das Spiel von einem Innenverteidiger zum anderen.

Anstatt den Zugriff zu suchen, ließen sich die Hamburger immer weiter fallen. Bielefeld drückte die HSV-Ketten nach hinten und griff daraufhin über die Flügel an. Dadurch dass die gesamte Mannschaft tiefer stand und Bielefeld die Pässe auf die Flügel wesentlich besser vorbereiten konnten, erlangten Hamburgs Außenverteidiger nicht im selben Maß Zugriff wie noch in der ersten Halbzeit.

Der HSV offenbarte abermals Probleme, die sie bereits in den vergangenen Spielen plagten. Die Abstimmung nach langen Bällen hat sich gebessert, ist aber noch keineswegs optimal. Auch nach Flanken stimmte die Strafraumbesetzung nicht immer. Das wurde mehr und mehr zum Problem gegen eine Bielefelder Mannschaft, die bewusst auf diese Hereingaben gesetzt hat. Auch die Wechsel veränderten wenig an der Dynamik der Partie; beide Trainer hielten an ihrem taktischen System fest. Bielefeld hatte nach der Pause zwar ein optisches Übergewicht mit insgesamt fast 60% Ballbesitz, es blieb aber beim 1:1.

 

Fazit

Bielefelds unorthodoxe Mischung aus ruhigem Ballbesitzspiel und körperbetonten Kampffußball stellte bislang alle Zweitligisten vor Probleme; auch beim HSV war dies nichts Anderes. Nach einer besonders defensiv starken ersten Halbzeit ließen sie nach der Pause nach.

Möchte man Kritik üben, lassen sich vor allem drei Punkte herausgreifen. Erstens: Nach der Pause trat der HSV zu passiv auf, lud Bielefeld damit ein, das eigene Ballbesitzspiel besser zu nutzen. Zweitens: Lange Bälle führen noch zu häufig zu Verwirrung in der Hamburger Abwehr. Drittens: Abermals war man etwas arg abhängig von der linken Seite. Das rächte sich vor allem nach der Pause, als Bielefeld diese Seite besser in den Griff bekam.

Dennoch: Der Punktgewinn bringt den HSV vor den beiden Spielen gegen Stuttgart (Liga und Pokal) in eine gute Ausgangslage. Vor allem bewies der HSV, dass er gegen den Ball kompakt verteidigen kann. Das wird gegen das Ballbesitz-lastige System der Stuttgarter enorm wichtig werden.

FAQs

 
 

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