Marcus Scholz

4. November 2017

Markus Gisdol war das gesuchte Motiv – allerdings nur vor dem Spiel, als er noch zur Disposition stand und alle Welt (auch ich) bei einer Niederlage mit seiner Demission rechnete. Nach dem Spiel, das der HSV souverän mit 3:1 gegen früh und fragwürdig dezimierte Stuttgarter gewann, war Gisdol zwar immer noch gefragt, er konnte aber ganz entspannt Gratulationen entgegennehmen und in die Kabine verschwinden, bevor er zu Interviews musste. Bedanken durfte er sich dafür zwar bei einer geschlossen starken Mannschaftsleistung mit – aber einer Leistung, die einen Namen aufgedrückt bekam: Jann Fiete Arp. In seinem ersten Spiel von Beginn an und in seinem erst dritten Bundesligaeinsatz überhaupt zeigte er eine ganz starke Leistung zeigte. Der 17-Jährige war heute nicht nur wegen seines Treffers zum 3:1 der gefeierte Mann. Aber – wie immer - der Reihe nach:

Die erste Überraschung gab es schon vor dem Spiel: Lewis Holtby wurde von Trainer Markus Gisdol aus dem Lader gestrichen und saß nur auf der Tribüne. Für ihn sowie den verletzten Sejad Salihovic rückten Luca Waldschmidt und Vasilije Janjicic in den Kader. Weniger überraschend dagegen die Startelf. Im 4-2-3-1-System begann Gisdol mit Ito über rechts und Arp vorn drin – ansonsten wie erwartet, nimmt man Mavraj in der Innenverteidigung mal aus. Warum der Albaner Rick van Drongelen vorgezogen wird, hat sich mir bisher nicht erschlossen und wird es wahrscheinlich auch nicht mehr. Obgleich Mavraj heute ein sehr ordentliches Spiel machte.

Und das Spiel begann wie immer: Der HSV presste offensiv und wurde wie aus dem Nichts überlaufen. Gincek war es, der Papadopoulos stehen ließ – wobei der Grieche Glück hatte, das Gincek bei seiner Grätsche nicht fiel – und plötzlich allein vor Christian Mathenia auftauchte. Der HSV-Keeper wusste aber mit vollem Körpereinsatz den Schuss zu parieren – Glück für den HSV, der allerdings besser war und das auch blieb. Mehr noch: Von hieran lief fast alles für den HSV, obwohl dieser in der sechsten Minute die erste richtig gute Chance liegenließ. Der sehr starke Arp legte den Ball per Hack weiter auf den ebenfalls in der ersten Hälfte sehr agilen Aaron Hunt, dessen Flanke ließ Kostic in der Mitte passieren für Ekdal – aber der Schwede kam nicht mehr hinter den Ball und musste abbrechen (6.). Nach zwei weiteren guten Szenen durch Kostic (8.) und Hunt (9.) dann die vielleicht wichtigste Szene der ersten Hälfte. Der bereits verwarnte Stuttgarter Dzenis Burnic grätscht Hunt in die Beine , trifft ihn aber (so wurde es mir geschildert) gar nicht richtig und spielt den Ball anschließend fair ins Aus. Schiedsrichter Guido Winkmann hatte kein Erbarmen und zeigte dem Stuttgarter die zweite Gelbe – ergo: Gelbrot, und Stuttgart war ab der 13. Minute nur noch zu zehnt.

 

Und der HSV nutzte die Überzahl, hatte mehr Ballbesitz (62 Prozent) und übernahm die Spielführung deutlich. Immer wieder über Hunt, Kostic, Ito und Arp, der belegte, weshalb er den Vorzug vor Bobby Wood erhalten hatte. Er war beweglich, anspielbar und gefährlich – für die Stuttgarter. Dass der HSV am Ende mit einer Führung in die Kabine gehen konnte, war dennoch glücklich – zumindest im Zustandekommen. Hunt trat einen Freistoß aus knapp 25 Metern flach um die Mauer auf das kurze Eck. Ein an sich ungefährlicher Ball, den VfB-Keeper Ron-Robert Zieler locker aufnehmen konnte – und es auch wollte. Allerdings ließ er den Ball durch die Finger gleiten, lenkte ihn so an den Pfosten, von wo aus ihm der Ball ans Bein und anschließen ins eigene Tor fiel. Slapstick - aber mir sowas von scheißegal! Endlich führte der HSV mal wieder. Und das sogar verdient!

 

Zumal es so weiterging. Der HSV blieb am Ball, Stuttgart in der Defensive und ohne jede Torchance, im Gegensatz zum HSV. Erst scheiterte Arp nach einer sehenswerten Aktion mit seine Schuss an Zieler (26.) und keine zwei Minten später Dennis Diekmeier mit der klarsten Chance der Partie bis hierhin. Kostic hatte sich ,al wieder über links durchgesetzt und scharf flach in den Rücken der Abwehr abgelegt, wo der Rechtsverteidiger aus 12 Metern den Ball flach nur noch einzuschieben brauchte. Aber: Es war eben Diekmeier, der Rekord-Nicht-Torschütze der Bundesligageschichte – und deshalb scheiterte er an Zieler, den er quasi schon liegend anschoss (28.). Bitter! Denn hier hätte der HSV sowas wie eine kleine Vorentscheidung herstellen können. Nein: MÜSSEN. So aber blieb es beim 1:0 zur Halbzeit.

Die zweite Halbzeit begann personell unverändert – und auch vom Spielverlauf veränderte sich zunächst nicht viel. Der HSV kam in Ballbesitz zur ersten Chance der zweiten Hälfte, aber wieder nicht zum 2:0. Weil es Diekmeier war? Nein, das ist Blödsinn. Aber der Name Diekmeier sollte hier noch häufiger fallen. Denn zunächst scheiterte er mit seinem Distanzschuss noch knapp (50.), ehe er wenige Minuten später den Stuttgarter Ausgleich einleitete. Und das äußerst unglücklich, mal ganz nett formuliert. Denn weshalb er bei dem Flankenball mit dem Arm vorweg springt, wird sein Geheimnis bleiben. Auf jeden Fall bekam er den Ball an den ausgestreckten Arm und per Videobeweis änderte Schiri Winkmann seinen gegebenen Eckball in Handelfer um. Gincek lief an, verlud Mathenia und traf zum 1:1 (56.). Der Ausgleich in einem Spiel, das diesen Zwischenstand bis hierhin nicht wiederspiegelte.

Und das alles dank Diekmeier – der bis hierhin ein sehr gutes Spiel auf rechts gemacht hatte – und noch besser wurde. Wie der Rest der Mannschaft fightete sich der Rechtsverteidiger selbst aus seinem (Kurzzeit-)Dilemma und bereitete das 2:1 mit einer schönen Flanke stark vor. Kostic brauchte den Ball am zweiten Pfosten nur noch über die Linie zu drücken. Die erneute und verdiente Führung zum 2:1 in der 65. Minute und Kostic jubelte wider eigene Ansage dann doch ausführlich. Mehr noch: Kostic hatte kaum ausgejubelt und Ito hatte gerade erst gefeiert und mit Krämpfen den Platz verlassen, da blitzte in der 69. Minute die Qualität von Jann-Fiete Arp erneut auf. Und wie!! Im Sechzehner drehte er sich zweimal gekonnt, legte sich den Ball wieder auf den rechten und zog trocken zum 3:1 ins lange Eck ab: Das zweite Tor des 17-Jährigen in seinem erst dritten Bundesliga-Einsatz und die Vorentscheidung durch einen jungen HSVer, der alle in ihn gesteckten Hoffnungen zu bestätigen wusste.

CHAPEAU, Jann-Fiete Arp!! Auf den Beginn einer tollen Karriere!!

Am Ende gewann der HSV das Spiel verdient und es wurde deutlich, dass diese Mannschaft intakt ist. Wille und Einsatz stimmten von der ersten bis zur letzten Minute wie sonst auch. Aber heute kam neben dem glücklichen Umstand, 77 Minuten in Überzahl zu sein, auch die fußballerische Komponente dazu. Weil das Mittelfeld über Hunt und die gute Doppelsechs (Sakai begann grausig, fand dann aber rein) das Spiel zu gestalten wusste, weil die Außen (Kostic und Ito) anspielbar waren und weil ganz vorn wieder ein Stürmer war, der anspielbar, der den Ball sicherte, der vor allem auch den Abschluss suchte – und ihn eben auch fand. Kurzum: Heute passte nahezu alles und die Diskussion um Gisdol wird zunächst einmal verstummen. Ob und wie sinnvoll es ist, von einem Spiel so viel abhängig zu machen, ist eine andere Diskussion. Aber die ist hier heute fehl am Platz. Heute haben wir einfach mal die seltene Gelegenheit, uns über einen wirklich guten Bundesligaauftritt des HSV und drei wichtige Punkte im Abstiegskampf zu freuen. Und das mache ich. Ich hoffe, Ihr könnt Euch ebenso freen...!!

 

In diesem Sinne, bis später!

Scholle

 

Das Spiel im Stenogramm:

Hamburger SV: Mathenia - Diekmeier, Papadopoulos, Mavraj, Douglas - Ekdal (89. Janjicic), Sakai - Ito (67. Waldschmidt), Hunt (81. Hahn), Kostic - Arp

VfB Stuttgart: Zieler - Beck, Baumgartl, Pavard, Insua - Burnic, Aogo - Asano, Akolo (82. Ailton), Özcan (66. Mangala) - Ginczek (75. Terodde)

Tore: 1:0 Hunt (20.), 1:1 Ginczek (55., HE), 2:1 Kostic (64.), 3:1 Arp (69.)

Zuschauer: 54.976

Schiedsrichter: Guido Winkmann (Kerken)

Gelbe Karten: Douglas (46.), Papadopoulos (75.) / Burnic (5.)

Gelb-Rote Karten: - / Burnic (13.)

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