25. September 2019
Öffentlich gesprochen wird erst morgen wieder. Das stellte Dieter Hecking heute schon früh klar. Es gibt auch nicht viel zu sagen, abgesehen davon, dass der HSV am Sonnabend in Regensburg vor einer erneut schwierigen Aufgabe steht. Hecking stellte die Uhren wieder auf Null und ließ im Training erst gar keinen Zweifel daran aufkommen, dass der HSV weiter vor einem langen und steinigen Weg steht, der harte Trainingsarbeit unabdingbar macht. Zwei intensive Einheiten über jeweils 90 Minuten bei mehr oder weniger starkem Regenfall standen heute auf dem Plan. Und Hecking lobte wie immer viel - aber er wurde auch laut, wenn es mal nicht passte. Und zum Abschluss einer intensiven Nachmittagseinheit gab es für die Spieler obendrauf noch eine ganz besondere Überraschung: Streigerungsläufe von Sechzehner zu Sechzehner. 15 Sekunden hatten die Profis für die Distanz. Und das nach dem Ende der zweiten Einheit an diesem Tag, die letztlich ein Teil nicht mitmachen konnte/sollte.
Denn neben dem weiterhin verletzten Ewerton fehlten am Nachmittag auch die angeschlagenen Martin Harnik (Muskelprobleme), Gideon Jung (Erkältung), Sonny Kittel und der in der Vormittagseinheit verletzte Jairo Samperio. „Nicht schon wieder“, hieß es von den Zuschauerrängen. Denn gerade Samperio hat eine Leidenszeit hinter sich wie kaum ein anderer. In den letzten Wochen war er nach inzwischen schon mehr als einem Jahr wieder voll ins Team integriert und bekam erste Teileinsätze. Zuletzt gegen Aue. Und es war deutlich zu erkennen, dass Samperio sukzessiv Fortschritte machte.
Zu Beginn der Vorbereitung zog er in Zweikämpfen teilweise noch zurück. Zu Saisonbeginn hatte er in den Trainingseinheiten dann erste heftigere Zusammenstöße, bei denen sein Knie und der Rest des Körpers hielten. Samperio fasste immer mehr Vertrauen in seinen Körper, bis er im Pokal und in der zweiten Liga auch in den Spielen endlich merkte, dass er wieder stabil genug ist, um voll dagegenzuhalten. „Es geht gut“, sagte der Spanier nach dem Aue-Spiel und fügte hinzu: „Ich bin einfach glücklich.“
Und das sieht man. Acht Minuten gegen Nürnberg, jeweils zehn Minuten gegen Bochum und Karlsruhe, 37 Minuten beim Pokalsieg in Chemnitz - und zuletzt 30 Minuten am Sonntag gegen Aue, wo es in der zweiten Halbzeit in der 75. Minute eine Szene gab, bei der Samperio an der Auslinie vor den Trainerbänken von seinem Gegenspieler John-Patrick Strauß regelrecht umgenagelt wurde. Ein Foul, das mit Gelb noch zu gering bestraft wurde. Aber eben auch ein Foul, nachdem Samperio sofort wieder aufstand. Seine Reaktion? Er schüttelte sich einmal kurz, klatschte mit einem Mitspieler ab und erhielt aufmunternde Worte von der Bank.
„Jetzt ist er endgültig wieder voll da“, sagte mein Sitznachbar - und ich fand, er hatte Recht. Schon deshalb hoffe ich, dass der heutige Trainingsunfall („Probleme mit dem Sprunggelenk“, hieß es am Nachmittag) nichts Schlimmeres ist und er im Gegensatz zu David Bates nicht wochenlang ausfällt. Hintergrund: Bates hatte sich bei Leihklub Sheffield Wednesday gerade erst ein die Startelf gespielt, ehe er sich jetzt im Abschlusstraining an der Hüfte verletzte und rund sechs Wochen lang ausfallen wird.
Wobei, wenn wir schon über Leihspieler sprechen, noch ein Wort zu Aaron Opoku, der gerade bei Hansa Rostock in der Dritten Liga für Aufsehen sorgt und genau das umsetzt, was sich alle Verantwortlichen von diesem Leihdeal erhofft hatten. Der junge Außenstürmer galt beim HSV schon in der Jugend jahrelang als Toptalent. Er drohte jedoch daran zu scheitern, dass seine Füße und Beine schon mehr konnten, als der Kopf umzusetzen wusste. Also genau so, wie hier in Hamburg schon zu viele Talente scheiterten.
Ihm fehlte einfach die Reife, Spiele auf Profiebene zu spielen, weil er immer wieder versuchte, das Besondere zu machen. Der einfache Fußball, den die Trainer Titz, Wolf und Co. von ihm sehen wollten, war nicht sein Ding. Aber: Inzwischen scheint er genau das gelernt zu haben bzw. zu lernen. Immerhin ist er in Rostock als dreifacher Torschütze Stammspieler. Und nicht wenige sehen in ihm noch immer mehr Talent schlummern als beispielsweise in 2,5-Millionen Mann Xavier Amaechi.
Wobei, apropos Talent: Heute mischte wieder einmal Travian Sousa mit, der im Sommer erst aus Sacramento (USA) nach Hamburg gewechselt war. Immer wieder prallte der gerade erst 18 Jahre junge U19-Bundesligaspieler heute an den Profis ab - aber er steckte nie auf. Der US-Amerikaner hinterließ erneut einen richtig interessanten Eindruck und dürfte in den nächsten Wochen immer wieder mal zum Profitraining eingeladen werden. Zumal der Kalifornier, der im Sommer ablösefrei nach Hamburg gewechselt war, als Linksverteidiger eine beim HSV nicht überbesetzte Position beherrscht.
Ebenfalls wieder auf dem Sprung ist übrigens Stephan Ambrosius, der nach seinem Kreuzbandriss aus dem Dezember 2018 seit August wieder in Spielen der U21 eingesetzt wird und dort - wider den allgemeinen Trend der Regionalligamannschaft - zu gefallen weiß. Sein Pech: Beim HSV ist die zentrale Defensive (Innenverteidiger und Sechser) überdurchschnittlich gut besetzt und seine Chancen auf einen Einsatz in der Zweiten Liga sind nur sehr gering. Für mich ist der 20-jährige ein Kandidat für ein Leihgeschäft zu einem Dritt- oder bestenfalls sogar anderen Zweitligisten, bei dem er mehr Chancen auf Einsätze hat und sich dementsprechend höherklassig weiterentwickeln kann. Wie bei Opoku dann aber besser ohne Kaufoption für den aufnehmenden Klub.
Fakt ist, der HSV ist bei aller Reife in der ersten Elf und bei allem Konkurrenzkampf im aktuellen Kader derzeit mit Talenten in den Nachwuchsteams bestückt, die eher kurz- als langfristig den Sprung schaffen können - wenn sie denn ausreichend und richtig gefördert werden. Gute Aussichten also, mit denen ich den Blog für heute beende. Allerdings nicht, ohne dabei noch auf unseren heutigen Community-Talk und den morgigen Rautenperle-Talk hinzuweisen. Morgen unser Gast: HSV-Profi Christoph Moritz. Vorher meldet sich allerdings Christian Hoch um 7.30 Uhr pünktlich mit dem MorningCall bei Euch.
Bis dahin!
Scholle