6. November 2018
„Ich hatte die Möglichkeit, heute Abend zu spielen, weil David eine Rote Karte hatte. Und ich glaube auch, dass ich es ganz gut gemacht habe.“ So sah Leo Lacroix sein Spiel gegen den 1. FC Köln, in dem er niemand geringeres gegen sich hatte, als den erfolgreichsten Torschützen der Zweiten Liga. Wie das Duell mit Simon Terodde war? „Eigentlich nicht so hart. Aber ich weiß natürlich auch, dass er der erfolgreichste Torjäger der Zweiten Liga ist.“ Selbstbewusste Worte des 197 Zentimeter langen Innenverteidigers, der dem Trainer ob seiner Leistung gegen Köln ein Problem bereitet, dem sich dieser gern annimmt. Es sei kein Problem, wenn intern gute Konkurrenz herrscht, so Trainer Hannes Wolf heute.
Dabei betonte der Trainer, dessen Fokus nur noch im Bereich der Analyse auf dem Köln-Spiel liegt, dass David Bates vorher einige Male gut (und zu Null) gespielt habe. Dabei klang es eher so, als ob Bates nach abgesessener Gelbrot-Sperre in Aue am Sonnabend wieder in der Startelf stehen würde. „Aber es sind noch einige Tage bis dahin und es ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Ehrlich gesagt macht es auch noch keinen Sinn jetzt, das müssen wir zu Freitag hin entscheiden. Es ist klar, dass David vorher gut gespielt hat, und ich bin total froh, dass Leo so reingekommen ist und ein gutes Spiel gemacht hat“, so Wolf, der heute schon fast ein wenig genervt wirkte, wenn er darauf angesprochen wurde, dass er nun Tabellenführer sei.
Fast so genervt wie auf die ständig wiederkehrende Frage, wie viel Hannes Wolf denn jetzt im Team stecken würde. Heute versuchte es mein Kollege andersherum und formulierte diese Frage lang aus. Er nannte Wolfs Haltung, seinen Vorgänger indirekt immer wieder zu loben („Ich habe eine absolut intakte, fitte Mannschaft vorgefunden“) bescheiden und der Situation angemessen, um dann zu fragen, ob das taktisch gewählt sei, um nicht zu viel Unruhe zu machen. Irgendwie musste der neue Trainer doch sagen, was er verändert hat und weshalb der Trainerwechsel einen entscheidenden Unterschied gebracht hat. Oder?
Nein. Nicht mit Wolf. Der beantwortete die Frage, weshalb er immer wieder die Vorarbeit seines Vorgängers und der Offiziellen lobt, kurz und knapp mit: „Es ist einfach nur die Wahrheit. Ich sage das, weil es die Wahrheit ist. In der Mannschaft steckt ganz viel drin von dem, was vorher gemacht wurde. Das ist einfach nur die Wahrheit.“ Und dann wiederholte Wolf, dass die Mannschaft nicht nur äußerlich fit und intakt sondern auch im internen Zusammenhalt außergewöhnlich gut funktionieren würde. Wolf hatte und hat kein Problem damit, seinen Vorgänger zu loben und den aktuellen Erfolg mit ihm zu teilen.
Und ich behaupte, genau das ist es, was in meinen Augen sein Erfolgsrezept ist: Er verstellt sich nicht - noch weniger schmückt er sich mit fremden Federn. „Ich will hier nur drei Sachen erreichen: möglichst viele Spiele gewinnen. Dass die Spieler auf ihrem höchsten Level spielen und sich entwickeln können. Und ich will ein verlässlicher Partner sein“, so Wolf, der sich auch deshalb einfach geradeaus und realistisch gibt. Er punktet mit Ehrlichkeit. Und deshalb folgen ihm sogar die Cotrainer, die Titz einst
nach Hamburg lotste ebenso wie die Spieler. Zu sehen ist das Spiel für Spiel aufs neue. Gestern gegen Köln sogar in besonders beeindruckender Art.
Zu entnehmen ist diese ganze Szenerie dem Zitat des weiterhin für mich überragenden HSV-Akteurs (neben Orel Mangala), Douglas Santos. Der Brasilianer hatte sich unter Titz schon sehr wohl gefühlt und starke Auftritte, weil er sein Spiel nach vorn weiter ausbauen kann und seiner Kreativität keine Grenzen gesetzt werden. Und das geht unter Wolf genau so weiter. „Wahnsinn. Der kann in meinen Augen auch Champions League spielen. Das ist ein Unterschied-Spieler“, schwärmte Julian Pollersbeck nach dem Spiel von Santos, der auf die Frage nach dem Trainerwechsel sagte: „Die vergangenen Wochen waren nicht ganz einfach. Aber wir mussten das schnell abhaken und uns mit dem neuen Trainer auf unser Ziel konzentrieren. Er hat auch einen großen Anteil an den Siegen. Er leistet sehr gute Arbeit und gibt uns viel Selbstvertrauen. Diesen Weg müssen wir fortsetzen. Nur so geht es. Wir waren vorher aber auch schon auf einem guten Weg. Nur die Tore und Siege haben uns zwischenzeitlich gefehlt. Mit dem neuen Trainer spielen wir aber noch ein bisschen kompakter. So viele Torchancen spielen wir uns zwar nach wie vor nicht heraus. Der Unterschied ist aber, dass wir klarer vor das Tor kommen und effektiver im Abschluss sind.“
Weshalb das so ist weiß keiner so genau zu beantworten, aber das muss auch nicht sein. Tatsache ist für mich, dass der HSV stabiler auftritt. Und wenn es dafür eben nur minimaler Veränderungen bedurfte - scheißegal. Gestern hat man zwar wieder nur ein Tor erzielt - aber das Spiel nach vorn war insgesamt erkennbar druckvoller. Und das, ohne dabei die eigene Defensive zu vernachlässigen. Ganz wesentlichen Anteil an der defensiven Stabilität hatte hierbei die mannschaftliche Geschlossenheit, die schon beim Offensivpressing anfing. Aber wie mit Santos in der Offensive hatte der HSV gestern (wieder einmal) mit Orel Mangala im defensiven Bereich seinen überragenden Mann.
Ballsicher wie kein Zweiter (Santos mal ausgenommen) gewinnt der junge Belgier nicht nur nahezu jeden Defensivzweikampf, sondern er ist auch erster Antreiber im Spiel nach vorn. Er kann abräumen wie ein richtiger Sechser, während er sofort nach Ballgewinn zum Achter wird, der das Spiel nach vorn sortiert und das Tempo bestimmt. Er ist Abräumen und Taktgeber zugleich. Ich kann nur hoffen, dass sich beim HSV jetzt schon alle mächtig ins Zeug legen, um den Mittelfeldspieler auch über die Leihsaison hinaus vom HSV zu überzeugen. Denn wenn Mangala so einen Sahnetag hat wie gegen Köln, dann profitieren seine direkten Mitspieler davon. mangala lässt seine Mitspieler besser aussehen.
Gestern größter Profiteur: Aaron Hunt. Der Linksfuß kam nach einem schwierigen Start immer besser ins Spiel und zählte für mich in der zweiten Halbzeit - ob der Vorarbeit Mangala - bis zu seiner Auswechslung zu den auffälligsten HSVern. Und das auch, weil er sich nicht mit zu vielen Defensivaufgaben geschweige denn Flankenläufen beschäftigen musste. Vielmehr könnt sich Hunt wieder voll und ganz auf das letzte Spielfelddrittel konzentrieren und nach der entscheidenden Situation suchen. Kurzum: Sein Qualitäten werden (endlich wieder) maximal genutzt.
Dass es am Sonnabend im Spiel gegen Erzgebirge Aue schwieriger wird als gegen mitspielende und Räume preisgebende Kölner, das weiß Hunt nur zu gut. Ob das Spiel gegen Köln deshalb mehr Spaß gemacht hat? „Klar. Das war in den vergangenen Spielen ja ein wenig anders für uns. Das war schon eine Art Handball. Aber wir müssen nun mal jedes Spiel so annehmen wie es ist.“ Und dabei darf er sich wieder seiner Kernkompetenz widmen. Und auch wenn gestern noch einige Angriffe bei ihm unnötig an Tempo verloren, so stand in der zweiten Halbzeit aus meiner Sicht das erste Mal ein Aaron Hunt auf dem Platz, der jederzeit per Pass oder eigenen Abschluss das Spiel hätte entscheiden können.
Tja, und im Zuge dieser Nachbetrachtung darf man einen Pierre Michel Lasogga natürlich nicht vergessen. Er hatte zwar deutlich mehr Ballaktionen als Terodde, war aber im Abschluss bis zu seinem Tor kaum gefährlich. „Als Stürmer ist es manchmal nicht so einfach. Da kriegt man manchmal nur ein, zwei Chancen im Spiel“, so Lasogga selbst. „Und da muss man da sein. Heute kam die Super-Chance in der 86. Minute. Ich bin froh, dass der Ball reingegangen ist und wir drei Punkte geholt haben.“ Lasogga hat einfach diesen Lauf, den Stürmer manchmal haben. Und Wolf setzt darauf. Ebenso wie Santos: „Pierre ist unser Torjäger. Er weiß, wo das Tor steht. Ich hatte vor dem Tor eine gute Aktion, wollte das Tor auch unbedingt machen. Bei meinem Schuss hatte ich aber etwas Pech. Zum Glück haben wir einen Stürmer wie Pierre, der einen Riecher für solche Situationen hat und immer zur Stelle ist. Das Tor war eine echte Willensleistung.“ Und auch die hat Trainer Wolf in den letzten Monaten immer wieder eingefordert…
In den Pressekonferenzen nannte er es immer wieder „mentale Schärfe“, die seine Mannschaft brauche, um das harte Tagesgeschäft in der Zweiten Bundesliga Woche für Woche neu anzunehmen und zu meistern. Und diese forderte er auch heute wieder ein. Und man glaubt es ihm, denn Wolf weiß aus eigener Erfahrung, wie man die Zweite Liga wuppt.
In diesem Sinne, bis morgen. Da ist zwar trainingsfrei, dafür aber melden wir uns am Morgen mit unserem MorningCall und am Abend wieder mit unserem Rautenperlen-Talk bei Euch.
Bis dahin,
Scholle