Marcus Scholz

18. Oktober 2017

Natürlich ist die aktuelle Situation maßgeblich auch an ihm festzumachen. Und im Misserfolg damit umzugehen ist nicht leicht. Dennoch stellt sich Jens Todt in aller Regelmäßigkeit den Fragen. Auch heute (vielen Dank fürs Video, Janik!). Und Jens Todt bemühte sich, die Fragen im Sinne des Vereines zu beantworten. Problem hierbei: das hat eher selten was mit schonungsloser Ehrlichkeit zu tun. Im Gegenteil. Insbesondere bei der Frage nach der Notwendigkeit, im Winter noch mal personell nachzubessern, merkte man Todt an, dass er nicht sagen kann, was er eigentlich sagen müsste. Und eben auch, dass er nicht ehrlich antworten konnte. Denn wenn es ehrlich wäre, müsste Todt per sofort abgelöst werden, um weiteren Schaden vom Verein abzuwenden. Zumindest kann ich die Antwort nullkommanull nachvollziehen. Aber lest (und hört im Video) selbst:

 

„Wir denken nicht konkret darüber nach, im Winter etwas zu machen. Wenn man im Winter etwas machen muss, dann ist das ja immer eher ein schlechtes Zeichen.“

 

Das stimmt. Aber ganz ehrlich, diese schlechten Zeichen sind inzwischen am bisherigen Saisonverlauf festzumachen. Trotz der Verletzten. Denn der Kader hätte schlichtweg breiter aufgestellt sein müssen. Ist er aber nicht. Nun kann man hoffen und Durchhalteparolen rausfeuern. Wie es der HSV macht. Denn vielleicht muss man das als Sportchef machen, um sich selbst zu schützen und die eigene Mannschaft stärker zu reden (als sie leider ist). Aber letztlich beißt es einen am Ende dann doch, wenn man immer wieder nur auf Durchhalteparolen setzt und den Qualitätsmangel verleugnet. Todt: „Wir vertrauen unserem Kader. Die Verletzten, wir hatten wirklich irres Verletzungspech, kommen jetzt alle zurück, abgesehen von Nicolai Müller. Ich habe da großes Vertrauen.“

 

Und ja: Ich gebe nur zu gern zu, dass ich mich freuen würde, wenn ich mich hier irren würde. Mich würde es extrem freuen, wenn der HSV mit diesem Kader die Kurve kriegt und schafft, was Todt heute noch mal als realistisches Ziel ausgerufen hat: „Wir wollen den Fans eine Saison liefern, die sorgenfreier ist. Das steht über allem. Ein Punkt aus sechs Spielen, das ist eine Negativserie, keine Frage. Wenn man ein Jahr zurückdenkt, wie der HSV dastand, tritt unsere Mannschaft ganz anders auf als damals. Trotzdem brauchen wir Punkte, keine Frage.“ Aber mir fehlt das Indiz dafür, dass hinter verschlossenen Türen die Defizite schonungslos angesprochen und entsprechend konsequent behoben werden.

 

Und Punkte sind gegen den FC Bayern sicher schwerer zu holen als gegen die anderen Bundesligagegner, womit ich zu dem Teil komme, der mir heute bei Todts Aussagen sehr gut gefallen hat. Angesprochen auf das Spiel am Sonnabend gegen den Rekordmeister mahnte er an, dass man sich trotz der langen Sieglosserie gegen die Münchner nicht verstecken dürfe. Stimmt! Zudem sagte Todt etwas zu diesem Spiel, was ich als allgemeingültig empfinde: „Ich finde, man sollte nicht in die Rolle verfallen, wenn man sich ganz gut schlägt und nur knapp verliert: ‚Es war ein gutes Spiel.’ Nein, wir wollen etwas holen.“

 

Mutige, gute Worte von Todt, wie ich finde. Obgleich man sie zuletzt selbst ein wenig gebogen hatte, als man nach Spielen gegen Dortmund oder gerade letztes Wochenende in Mainz trotz der Niederlagen sowie nach dem Remis gegen Werder Bremen davon sprach, dass man sich eigentlich gut geschlagen hätte und das mehr drin war. Aber nach nunmehr sechs Spielen mit nur einem Punktgewinn muss der Anspruch wechseln vom „guten Spiel“ zum „erfolgreichen Spiel“, das auch noch so hässlich zustande gekommen besser ist, als Komplimente für eine Niederlage.

 

Zumal sich der HSV damit auch den Weg schwieriger gestaltet, den er zwingend gehen muss: den über die eigenen Talente. Auch heute betonte Todt, dass man den Kader ja ganz bewusst so zusammengestellt habe, um den eigenen Talenten die Tür zu öffnen. Todt einschränkend: „Trotzdem wissen wir ganz genau, dass das nur dann positiv aufgenommen wird, wenn man die sportlichen Erfolge hat und zumindest die Klasse hält. Wir versuchen beides hinzubekommen.“ Und genau das MÜSSEN sie auch machen. Denn auf Talente bauen, sie intensiviert ausbilden und auf sie zu hoffen ist das eine – aber die Talente dürfen nie funktionieren MÜSSEN. Sie dürfen nicht überlastet werden. „Ich finde, dass wir da gerade au einem guten Weg sind“, sagt Todt. Und nach den Debüts von Knöll und Ito sowie dem Einsatz von Arp kann man das auch so sehen. Allerdings  geht die sportliche Tendenz gerade gen Abstiegsplatz. Und auch das darf man nicht verkennen.

 

Und, nur um das auch noch mal klarzustellen: Ich bin absolut dafür, dass der HSV aktuell seine Spieler starkredet. So wie heute Mathenia Todt: „Wir haben ihn vor vier, fünf Monaten unter extrem großem Druck  mit Top-Leistungen gesehen. Wir wissen, was er kann und wir rücken nicht von unseren Leuten ab, nur weil sie mal eine Woche nicht gut spielen.“ Gute Worte, um zu stärken, wen man stärken muss. Denn der HSV muss seinen Ist-Zustand bestmöglich verwalten. Es brächte nichts, seinen Kader zu vernichten und von Neuen zu träumen. Soll heißen: Den aktuellen Kaderspielern den Rücken stärken und mit aller Konsequenz den Weg über die eigenen Jungen gehen ist richtig. Aus der Not eine Tugend machen nennt man sowas. Und das ist Okay. Aber man muss die Gründe für die Not parallel erkennen und im Hintergrund daran arbeiten, diese zu beheben. Still und leise. Ergo: Hier dürfen die Verantwortlichen gern flunkern. Sehr gern sogar. Nein, hier müssen sie es sogar immer wieder. So, wie Todt uns heute angeflunkert hat heute – hoffe ich...

 

 

Heute im Training fehlte erneut Vasilije Janjicic, den es leider doch etwas heftiger als erwartet erwischt hat. Der Schweizer wurde gestern Abend ins UKE gefahren und muss wegen einer Virusinfektion mit heftigem Ausschlag im Gesicht zunächst mal dort bleiben. Wie lange er ausfällt ist noch offen. Apropos fallen: Bobby Wood ist heute im Training derart heftig auf seinen Allerwertesten gefallen, dass er behandelt werden musste. Ansonsten waren alle dabei. Auf verkürztem Feld wurde nach dem Warmmachen im Fünf-Gegen-Fünf-Modus ein Blitzturnier absolviert, um möglichst oft zu Torabschlüssen zu kommen und eben selbige zu üben. Immer wieder unterbrochen von lautstarken Ansagen des Trainers, den Jens Todt nicht in der Diskussion sieht. Für den Sportchef gibt es nicht einmal das Szenario, dass man nach einer Niederlage gegen Bayern zu einem Trainerendspiel bei Hertha BSC antritt. Vielmehr sei man absolut zufrieden mit dem Trainerteam.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da meldet sich übrigens mein Freund und Co-Blogautor Lars Pegelow nach längerer Abstinenz wieder bei Euch. Ich bin dann am Sonnabend nach dem Spiel gegen den FC Bayern wieder für Euch da! Bis dahin wünsche ich Euch und uns allen einen schönen Restmittwoch mit schönem Champions-League-Fußball! Scholle

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