Marcus Scholz

3. Mai 2020

Ich hatte gestern geschrieben, dass die Saisonfortsetzung am seidenen Faden hängt. Und damit war ich offensichtlich etwas zu optimistisch. Denn laut übereinstimmenden Medienberichten will sich Innenminister Horst Seehofer zwar grundsätzlich für eine Fortsetzung der Saison stark machen. Allerdings unter Einhaltung aller auch sonst gültigen Richtlinien. Das klingt jetzt erst einmal total selbstverständlich. Allerdings beinhaltet das eben auch, dass bei einem positiven Corona-Test die gesamte Mannschaft in Quarantäne muss. „Ich finde den Zeitplan der DFL plausibel und unterstütze einen Neustart im Mai. Für mich ist aber auch klar, dass es keine Privilegien für die Fußball-Bundesliga geben kann“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Grundbedingung seien strikte Auflagen im Falle eines Positiv-Tests: „Wenn es einen Corona-Fall in einer Mannschaft oder bei der Mannschaftsbetreuung gibt, dann müssen der gesamte Club und gegebenenfalls auch die Mannschaft, gegen die man zuletzt gespielt hat, zwei Wochen lang in Quarantäne.“ Inwieweit das beim 1. FC Köln jetzt so eingehalten wird -  offen. Und ich bezweifele es stark.

Fakt ist, dass diese auch allgemein gültige Vorschrift im Laufe der wieder aufgenommenen Saison einen Abbruch wahrscheinlich wirken lässt. Zumindest beim ersten Fall. Denn dann wäre eine Mannschaft plötzlich aus dem Rennen. Und meinem logischen Denken zufolge müssten in diesem Zuge dann auch alle Mannschaften, die unmittelbar zuvor mit dem betroffenen Spieler zu tun hatten, in Quarantäne. Ergo: Es könnte nicht mehr gespielt werden. Die zwei Kölner Spieler und der FC-Betreuer werden nach ihrer zweiwöchigen Quarantäne jetzt noch einmal getestet. Zu Spielen und zum Training ist laut DFL-Konzept nämlich nur zugelassen, wer zweimal nacheinander negativ getestet wurde. Die gute Nachricht hierbei aus HSV-Sicht: Kein Spieler und kein Verantwortlicher positiv auf Corona getestet worden. Alle sind gesund - abgesehen von Martin Harnik, den eine Wadenzerrung pausieren lässt.

Köln-Profi Verstraete kritisiert Umgang mit Profis

Und so sehr ich es allen gönne, gesund zu sein und zu bleiben - garantieren kann das niemand. Von daher bleibe ich dabei, dass alles andere als eine Vollzeitquarantäne für alle, die am Bundesligaspielbetrieb teilnehmen sollen, nicht zu einer erfolgreich beendeten Saison führen wird. Es wirkt immer mehr wie ein gut gemeinte Idee, die zum Kampf gegen Windmühlen wird. Tendenz: schwieriger werdend. Gerade nach dem Theater in Köln, das sicher nicht mehr und nicht weniger als ein recht realistischer Vorgeschmack sind auf das, was mit der Wiederaufnahme der Saison passieren kann. Hintergrund: Birger Verstraete, Profi beim1. FC Köln, war am Sonnabend kritisch zitiert worden. Er hält die Maßnahmen nach den drei positiven Corona-Tests (zwei Spieler, ein Physioteherapeut) innerhalb seiner Mannschaft für leichtsinnig. Dass man als Mannschaft nicht unter Quarantäne gestellt werden sollte, hielte er für „ein bisschen bizarr“, so der belgische Mittelfeldspieler gegenüber dem TV-Sender „VTM“. „Der Physiotherapeut ist der Mann, der mich und andere Spieler wochenlang behandelt hat. Und mit einem der beiden fraglichen Spieler habe ich am Donnerstag im Fitnessstudio ein Duo gebildet“, sagte Verstraete in dem Interview, über das „Het Laatste Nieuws“ berichtete. Dennoch sei er seltsamerweise nicht in Quarantäne.

Der Belgier hat diese Zitate inzwischen zwar relativiert - aber gerade dabei bleibt ein Geschmäcke der ganz unschönen Art. Denn es wirkte eher so, als habe Verstraete am Sonntag auf Drängen seines Klubs gehandelt. Und dieser Verdacht wird in den nächsten Wochen sicher noch das eine oder andre Mal auftauchen, wenn sich Spieler äußern. Denn nicht nur ich glaube, dass es viele Spieler gibt, die spielen sollen - dabei aber Bedenken haben. Auch Verstraete glaubt das und sagt: „Die Gesundheit meiner Familie und meiner Freundin sind für mich von größter Bedeutung. Das sehen auch viele andere Spieler so. Fußball ist nicht das Wichtigste“, betonte der Belgier, der sich zudem vorstellen könne, dass viele Profis bei einer anonymen Befragung für einen Abbruch der Spielzeit votieren würden. „Erst Gesundheit, dann Fußball“, stellte der belgische FC-Profi klar - bis er am heutigen Sonntag zum Rapport musste und plötzlich alles relativierte.

 

Ich hatte es gestern schon geschrieben und gehe auch heute noch einmal auf einen Punkt ein, der zuletzt in Zeiten von Diskussionen um Gehaltsverzicht und Sonderrechte für Profis etwas unterging: Wollen die Profis das alles eigentlich auch so wie die Klubs und die DFL, oder werden einige von ihnen dazu eher gedrängt? Was passiert mit einem Spieler, der zuhause Familienmitglieder aus Risikogruppen hat und sie nicht der Gefahr einer Ansteckung aussetzen will? Darf er frei wählen - oder muss er mit Konsequenzen seitens des jeweiligen Vereines rechnen? So, wie heute offenbar der Köln-Profi Verstraete…? Die DFL hat sich in den letzten Wochen sehr offen und kommunikativ gezeigt Es wurde dabei immer betont, alle Sicherheitsvorkehrungen treffen zu wollen, die man präventiv treffen kann.  Nur eine Sache wurde dabei offenbar nicht ausreichend beleuchtet:

Was ist mit den Spielern selbst?

Eine Frage, die es zu klären gilt. Dringend, wie ich finde. Denn völlig unabhängig davon, was wer verdienen mag, sollte jeder in einer solchen Situation die unbeschwerte und unbeeinflusste Entscheidung über seine Gesundheit treffen dürfen. Denn die Gesundheit muss immer über allem und allen stehen.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich wie immer um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch und werde Euch alles, was über den HSV berichtet wird, kompakt zusammenfassen und einordnen. Am Abend folgt dann, nachdem die Mannschaft wieder in Kleingruppen trainiert und den zweiten Corona-Test abgegeben hat, der Blog. Bis dahin Euch allen noch einen schönen Abend! Und: Bleibt gesund!

Scholle

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