Marcus Scholz

19. Februar 2020

„Wie allen anderen Spielern rate ich auch ihm, danach auch zu schauen, wo er auf möglichst hohem Niveau am meisten Spielzeit bekommt. Die Bayern und Adrian müssen das zusammen abwägen”, so Kuntz bei Sport1. Gemeint ist damit die Zukunft von Adrian Fein. Der Mittelfeldspieler hat im Winter seinen Vertrag beim FC Bayern verlängert und soll nach seiner Leihe beim HSV im Sommer an die Säbener Straße zurückkehren. Fraglich ist nur, ob der Defensive Mittelfeldspieler dort auch die Chance auf ausreichend Spielzeit bekommt - oder ob er sich erneut verleihen lässt. Vielleicht ja sogar zum HSV, wo mit Josha Vagnoman ein Nationalmannschaftskollege von Fein fest an seine Zukunft glaubt. „Ich weiß, dass alles von allein kommt“, sagt Vagnoman, während er im Stadionrestaurant „Raute“ mit Blick auf das Volksparkstadion an seinem Getränk nippt. Und er belässt es nicht bei dem einen Satz sondern fügt noch hinzu: „Wenn du den Fußball und die Entwicklung an erste Stelle stellst und immer alles dafür gibst - dann kommt der Rest von allein.“

Das Interessante an dieser Aussage: Josha Vagnoman weiß sehr gut, wovon er spricht. Schon vor anderthalb Jahren lagen für ihm lukrative Angebote großer Klubs vor. Unter anderem aus England. Eine Unterschrift damals hätte gereicht, um ihn finanziell für immer ausgesorgt haben zu lassen. Dennoch verzichtete Vagnoman nach Rücksprache mit seinem Berater und seinem engsten Vertrauten, seinem Vater. „Das Geld ist nie die Nummer eins“, so Vater Karaboue, der sich inzwischen mit einem Tee zu uns gesetzt hatte. „Josha ist nicht so erzogen und hat selbst auch nie so gedacht. Er weiß, dass Fußball an erster Stelle steht. Und an zweiter und dritter Stelle auch. Nur, wenn er spielt, kann er sich am Ende auch belohnen.“ Auch deshalb lehnten sowohl Vagnoman Junior als auch der HSV damals ab. Der U20-Nationalspieler blieb und feierte unter Christian Titz am 18. September 2018 seinen ersten Einsatz von Beginn an bei den Profis. Zur Halbzeit wurde er gegen Dresden ausgewechselt. Leistungsbedingt.

Vagnoman zurück auf dem Platz - noch ohne Ball

„Der Junge ist so cool - den interessiert es nicht, ob er vor 50 Zuschauern in der Jugend oder vor 80.000 gegen Borussia Dortmund spielt.“ Vagnoman muss lächeln, als ich ihn mit dieser Aussage von Christian Titz von vor dem Spiel gegen Dresden konfrontiere. Immerhin folgten im Anschluss an Vagnoman Startelfdebüt gegen Dynamo elf Spiele ohne Einsatz. Erst der neue Trainer Hannes Wolf setzte plötzlich wieder auf ihn. Komisch sei es schon gewesen, so Vagnoman über die damalige Zeit, „aber ich habe Geduld. Immer gehabt - und immer noch.“ Muss er aktuell auch. Denn noch wird er einige Wochen ohne Fußball leben müssen. Zumindest ohne den Ball. „Laufen geht langsam wieder“, so Vagnoman, der am Dienstag das erste Mal Lauftraining auf dem Platz und außerhalb des Fitnessbereichs absolvierte. An Training mit dem Ball ist dennoch noch nicht zu denken. So gern er auch das derby am Sonnabend im Volksparkstadion spielen würde.

„So ein Derby ist schon richtig geil“, erinnert sich Vagnoman an sein erstes Spiel in der Startelf unter dem aktuellen Trainer Dieter Hecking. Vor 29.546 Zuschauern im ausverkauften Millerntorstadion, dazu eine Woche lang Derby-Vorberichte und ekstatische Zustände, als die Mannschaften auflaufen. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern“, so Vagnoman, der in diesem Zusammenhang auch der Titz-These widerspricht, er sei stets und immer eiskalt. „Ich habe am Anfang des Spiels schon mitbekommen, was um mich herum los war. Das war der Hammer.“ Ergebnis: Vagnoman war beeindruckt, er spielte zögerlich und machte Fehler. Völlig normal für einen gerade einmal 18 Jahr jungen Mann in seinem ersten Derby - logisch. Aber es dauerte in diesem Fall gerade einmal 30 Minuten, bis sich Vagnoman fing und eine ordentliche Partie ablieferte. „Ist das so?“, fragt er mich, „ich selbst war nicht zufrieden, weil wir verloren haben. Ich habe fast eine Woche gebraucht, um das alles zu verarbeiten.“ Mit Erfolg - denn am darauf folgenden Wochenende erzielt Vagnoman seinen ersten Profitreffer…

Im Derbyhinspiel begann Vagnomans Aufstieg

Am Sonnabend nun kommt es zur Revanche gegen den FC St. Pauli - ohne ihn. Vagnoman laboriert seit der 95. Minute des DFB-Pokalspiels gegen den VfB Stuttgart Ende Oktober 2019 an einem Fußbruch. „Es war nur eine schnelle Drehung und zack“, erinnert sich Vagnoman an den Moment, der ihn seither zum Rehatraining verdammte. „Ich wusste sofort, dass etwas kaputt war. ich habe noch versucht, weiterzumachen - aber ich konnte nicht mehr sprinten und musste raus.“ Dabei war Vagnoman gerade zum wichtigen Baustein im Hecking’schen System geworden und hatte sich den Stammplatz des damals schon Langzeitverletzten Jan Gyamerah geschnappt. „Der Trainer hat auf mich gesetzt und hat mir viel Vertrauen geschenkt“, so Vagnoman, „das war damals ein richtig gutes Gefühl. Es lief alles in die richtige Richtung.“

Auch der HSV erkannte Vagnomans Potenzial und bot ihm eine Vertragsverlängerung seines eh noch bis 2021 laufenden Vertrages an. Zuletzt hieß es, man wäre sich einig und der Vertrag solle noch in der Winterpause unterschrieben werden. Wurde er aber nicht. „Ich will hier sehr gern bleiben“, so Vagnoman, der sich einzig um die sportlichen Perspektiven Gedanken macht. Den Rest überlässt er Berater und Vater. „Der HSV ist mein Heimatverein und ich glaube, dass ich mich hier entwickeln kann“, sagt Vagnoman, der kurz nach seiner Hecking-Premiere für den HSV auch seine Premiere bei Kuntz in der U21-Nationalmannschaft gefeiert hat.

Angekündigte Vertragsverlängerung zieht sich

Und den wiederum wird reuen, wie Vagnoman seine Zukunft sieht: „Spielen, lernen, noch mehr spielen - und noch mehr lernen“, so Vagnomans Plan beim HSV. Zumindest sofern sich der Verein und sein Berater endlich einigen können. Noch hapert es an kleinen Details - aber es hapert noch. Und das Wirrwarr aufzulösen, haben wollte ich von Jonas Boldt wissen, wann der neue Vertrag denn unterschrieben wird. Und der antwortete - wie immer in solchen Dingen - ausweichend. „So lange nichts unterschrieben ist, gibt es von mir keine Wasserstände“, so der Sportvorstand des HSV, der aber noch einmal betonte, dass der HSV nach wie vor den Vertrag mit dem Rekonvaleszenten verlängern möchte. Daran habe sich nichts geändert. Ergo: Beide Seiten wollen - aber sie schaffen es nicht. Noch nicht.

Das Gute: Vagnoman selbst hat eh keinen Zeitdruck. Er wird noch einige Wochen ausfallen. Wie gesagt auch am Wochenende gegen den FC St. Pauli. „Das ist schon schade“, so Vagnoman. Aber ebenso wie er mit den ersten großen und finanziell verführerischen Wechselanfragen umgegangen ist, so verfährt er auch jetzt: Geduldig. Wichtig sei nicht der schnelle Moment, sondern die lange Sicht. Und da habe er das Ziel, erst komplett fit zu sein, ehe er wieder auf dem Platz steht. Erst die Mannschaft, dann er - so Vagnoman. Soll heißen: Erst wenn er der Mannschaft helfen kann, will er wieder voll einsteigen. Sein Ziel sei, diese Saison noch in der Liga zu spielen. Wann? Das lässt Vagnoman offen. „Das kommt, wenn ich geduldig weiter hart arbeite. Mein Ziel ist, den Aufstieg mit Trikot und Buffern als Spieler auf dem Platz zu feiern. Schaffen wir das - und schaffe ich das - bin ich sehr zufrieden.“ Und sein Vertrag? Das werde sich schon lösen. Das deuten alle Parteien an. Auch wenn es noch einiges an Geduld kosten wird…

 

In diesem Sinne, bis morgen. Im Training heute fehlte neben Vagnoman auch der aktuelle Stammspieler auf der Rechtsverteidigerposition, Jordan Beyer. Allerdings wird der nach überstandener Grippe schon morgen wieder im Mannschaftstraining zurückerwartet, während Vagnoman im Rehazentrum des UKE („Athleticum“) seinen Ausstand gibt. Drei Monate und drei Wochen hat Vagnoman dort geschuftet. Mal mit den anderen Verletzten, sehr oft aber auch allein mit den Rehatrainern. „Jetzt bin ich wieder im Stadion, nah an der Mannschaft. Die Jungs alle wieder täglich zu sehen - das allein ist schon ein gutes Gefühl.“ Und sollte es nach seinem ersten Training auf dem Platz am Wochenende mit dem Derbysieg klappen, wäre die Woche für ihn perfekt. Sein Tipp? „Wir gewinnen 2:0. Sonny Kittel und Bakery Jatta treffen.“ Na dann. Klingt doch gut. Wie so vieles bei Vagnoman derzeit.

Bis morgen! Da wird um 15.30 Uhr trainiert. Vorher melde ich um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch und ab 13 Uhr dann via Facebook auch live von der Pressekonferenz mit Trainier Dieter Hecking. Bis dahin wünsche ich Euch einen schönen (Champions-League-)Abend!

Scholle

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