19. Februar 2019
Der HSV ist bemüht, öffentlich Druck aus dem Thema zu nehmen. Insolvenz, Zahlungsunfähigkeit und Konkurs – Begriffe, die intern auf dem Index stehen, die von Außenstehenden aber immer wieder genommen werden, um die finanzielle Situation des HSV zu beschreiben. Dem „NDR” sagte Dr. Daniel Weimar, Finanzexperte und Wirtschaftsforscher an der Universität Duisburg-Essen: „Es stellt sich die Frage, wie diese neue Anleihe 2026 wieder abgelöst werden soll. Kritisch wird es, wenn die Beträge der neuen Anleihen immer weiter steigen. Dann wäre es eventuell eine Art Schneeballsystem und es wäre zu prüfen, ob dies im Einklang mit geltenden Gesetzen steht.“
Darüber hinaus rät Weimar, der sic speziell dem Thema Finanzen von Fußballklubs verschrieben hat, vom Kauf der Anleihe ab. Und dabei wird er sogar sehr deutlich: „Man sollte ein solches Investment von vorne herein als Spende verbuchen und sich freuen, falls die Zinsen und das Kapital am Ende wirklich aus- beziehungsweise zurückgezahlt werden.” Weimar zweifelt daran, dass sich der HSV noch einmal aus eigener Kraft aus dem finanziellen Dilemma befreien kann. „Rein finanziell sehe ich nur den Ausweg über einen Großinvestor oder Mäzen oder eben ein Insolvenzplanverfahren.” Klaus Michael Kühne wird es gern lesen/hören.
Dennoch ist der HSV unter der Führung von Bernd Hoffmann und Frank Wettstein weiterhin bemüht, die Schulden bzw. die Verschreibungen abzubauen. Besserungsscheine über knapp 60 Millionen Euro für den Fall, dass sich der HSV in diesem oder den nächsten drei Jahren international qualifiziert oder in der Erstligatabelle auf Platz zehn oder besser wiederfindet sowie für den Fall eines Transferüberschusses sollen für rund fünf Millionen Euro abgekauft werden. Im Gegenzug soll Kühne für weitere Jahre das Namensrecht am Stadion erwerben – und das Geld dafür dürfte demnach links rein und rechts wieder rausgehen beim HSV. Einziger Unterschied: Man ist plötzlich Forderungen los, die sehr wohl existenzgefährdend wären.
„Wären“, weil es immer voraussetzt, dass Klaus Michael Kühne ernst macht und auf Rückzahlung besteht. Der Investor und Mäzen ist sowas wie Fluch und Segen zugleich für den HSV. Segen für die, die sein Geld hier genommen und verprassen konnten – und Fluch für die aktuelle Vereinsführung, die sich einer fast unkontrollierbaren Abhängigkeit ausgesetzt sieht. Eben so, wie es auch Dr. Weimar sagte: Ohne den Ausweg über einen Großinvestor oder Mäzen wie Kühne bliebe am Ende nur ein Insolvenzplanverfahren. Dass das vom HSV niemand offiziell sagt, ist logisch. Das irgendeinem Mitarbeiter vorzuwerfen ist falsch. Denn jede dahingehende Aussage von einem HSV-Offiziellen würde die eh schon geschwächte Bonität des HSV auch bei seinem letzten Darlehensgeber, den Fans, nachhaltig schwächen.
Insofern wird es in den nächsten Monaten und wahrscheinlich auch Jahren weiter so sein, dass beim HSV alle um den heißen Brei herumreden und so tun, als hätte man alles im Griff. Das darf auch niemanden verwundern. Vielmehr ist es so, dass alles andere verwundern müsste. Klar ist aber auch, dass Klaus Michael Kühne zuhause sitzen und entspannt abwarten kann, bis die Offiziellen zu ihm kommen und ihn um Hilfe bitten. Ob nun dafür, die bestehenden Schulden abzubauen, sie zu verrechnen oder umzuschulden – oder eben, um neues Geld zu bekommen. Denn ohne neues Geld wird es nicht funktionieren. Ewig umschulden wird nicht funktionieren. Vielmehr kostet es in Form immenser Zinszahlungen viel Geld.
Das wird man auch benötigen, wenn man Pierre Michel Lasogga halten will. Lasogga würde Beckers härtester Fall, titelten heute die Kollegen der Hamburger Morgenpost – und wurden am Abend eines Besseren belehrt. Denn da präsentierte der HSV seinen neuen Sportdirektor. Etwas überraschend, sehr vorsichtig formuliert. Denn bislang war von dieser Personalie nichts nach außen gedrungen. Außer, dass man darüber nachgedacht hatte. Dann aber um 17.37 Uhr kam die Meldung, dass Becker erhält Unterstützung von Michael Mutzel. Der Ex-Profi von Eintracht Frankfurt, des VfB Stuttgart und des Karlsruher SC ist seit Februar 2016 als Chefscout bei der TSG 1899 Hoffenheim tätig, nun wechselt der 39-Jährige nach Hamburg. Sein erster Arbeitstag ist der 1. April – und das ist kein Scherz. Die Vermeldung des Transfercoups im Wortlaut:
HSV verpflichtet Michael Mutzel als Sportdirektor
Bisheriger Leiter Scouting der TSG Hoffenheim stärkt die sportliche Kompetenz und startet seine Aufgabe am 1. April.
Der HSV hat ab dem 1. April einen Sportdirektor. Sportvorstand Ralf Becker einigte sich mit Michael Mutzel, bislang Leiter Scouting des Bundesligaclubs TSG Hoffenheim, über einen Vertrag bis 2021. „Wir stehen in den kommenden Monaten und Jahren vor großen Herausforderungen und wollen maximale Kompetenz im sportlichen Bereich, um die Aufgaben anzugehen“, erklärt Becker die neue Position unterhalb des Vorstandes. Mutzel hat in seiner beruflichen Laufbahn schon diverse sportliche Rollen in Clubs durchlaufen. „Wir wollen uns breiter aufstellen. Er wird uns verstärken und kann seine vielseitigen Erfahrungen im Sinne des HSV einbringen“, sagt Becker.
"Spannende und große Herausforderung"
Der 39-jährige Mutzel wird gemeinsam mit Sportvorstand Ralf Becker die Bereiche Bundesliga, Nachwuchs und Scouting verantworten. Er ist Inhaber der Trainer-A-Lizenz. Als Fußballprofi stand der defensive Mittelfeldspieler bei Eintracht Frankfurt (1998-2002), dem VfB Stuttgart (2002-2004) und dem Karlsruher SC (2004-2011) unter Vertrag. Er absolvierte jeweils 92 Bundesliga- und Zweitliga-Spiele und erzielte dabei einen Treffer in der Bundesliga und vier Tore in Liga zwei. Mit dem KSC stieg er 2007 als Meister der 2. Liga in die Bundesliga auf. Nach seiner 2012 beendeten Spielerlaufbahn heuerte er bei der TSG Hoffenheim an. Er war zunächst als Jugendtrainer aktiv, anschließend als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ). Von 2014 bis 2015 war der in Memmingen geborene Mutzel Direktor Profifußball bei der Spielvereinigung Greuther Fürth. Seit Februar 2016 leitet er das Scouting der TSG Hoffenheim.
Der zukünftige Sportdirektor freut sich schon auf die Herausforderungen: „Wir hatten positive und sehr konstruktive Gespräche, die mir ein sehr gutes Gefühl für diese Entscheidung gegeben haben. Ich betrachte mein baldiges Arbeitsfeld beim HSV als spannende und große Herausforderung. Ich habe große Lust mit anzupacken.“
Ein ebenso überraschender wie interessanter Zug des HSV, wie ich finde. Ich kann Mutzel an sich nicht wirklich beurteilen, zugegeben. Aber jemanden zu holen, der sich vor allem im Talentbereich auskennt – und das dann ja auch auf der Ebene besserer Bundesligamannschaften – ist mit Sicherheit gut und richtig für diesen HSV. Die personellen Verluste von Bernhard Peters und Dr. Dieter Gudel im Nachwuchs könnte so ein wenig kompensiert werden. Und mit seinem ersten Arbeitstag könnte es für Mutzel gleich interessant werden, denn rund um seinen Einstiegstermin dürften auch die Verhandlungen mit Pierre Michel Lasogga fallen. Und ganz ehrlich, daran kann er sich auch gleich gut beweisen.
Denn im Gegensatz zu vielen hier sehe ich Lasogga nicht als den Heilsbringer im Falle des Aufstieges. Er wäre für mich zumindest nicht gänzlich unverzichtbar. Und ohne die aktuelle Bedeutung des Torjägers für diesen HSV auch nur im Entferntesten mindern zu wollen, es würde so auch keinen Druck auf mich aufbauen, ihn mit allen Mitteln halten zu müssen. Und wenn das stimmt, was Mutzel (und Becker) vorauseilt, dann werden sie beide längst auch jüngere (vielleicht unfertigere, aber eben sehr interessante), günstigere Lösungen in der Hinterhand haben für den Fall, dass man sich mit dem Toptorschützen am Ende nicht einigen kann.
Und so muss sich der HSV auch aufstellen. Von daher macht die Personalie Mutzel nominell zu 100 Prozent Sinn. Wenn Mutzel dann auch noch die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt, könnte dieser Transfer tatsächlich ein absoluter Bigpoint werden.
In diesem Sinne, bis morgen. Dann im MorningCall um mit etwas mehr zum „Neuen“ um 7.30 Uhr. Am Abend kommen wir dann mit dem Tagesblog und um 20 Uhr mit dem neuen Rautenperle-Talk. Meine Gäste waren heute – wir haben aufgezeichnet – HSV-„Elvis“ und Carsten Pape. Und gerade, weil es in dieser Runde nicht nur um Fußball ging, möchte ich Euch die Sendung jetzt schon ans Herz legen. Denn wir sprechen nicht nur über HSV-Kultur, sondern wir versuchen auch, sie sinnvoll zu nutzen. Am liebsten mit Euch zusammen. Wie genau? Schaut und hört rein! Es lohnt sich aber, das kann ich Euch hier und jetzt schon versprechen...
Euch allen jetzt noch einen schönen Dienstag mit einem hoffentlich richtig spannenden, interessanten und hochklassigen Match des FC Bayern beim FC Liverpool!
Scholle