Marcus Scholz

7. Dezember 2020

Es würde mir alles leichter fallen, wenn alle eine gemeinsame Basis hätten, von der aus man startet. In die Saison – vor allem aber in die Diskussionen darüber, was gut und was schlecht ist. Denn nur so können wir überhaupt erst erkennen, in welche Richtung sich der HSV entwickelt. Zu behaupten, wir hätten uns fünf Spieltage nach vorn – und jetzt fünf Spieltage nach hinten entwickelt ist mir zu einfach. Es gibt sehr wohl Siege, über die man sich mehr Gedanken machen muss, als über die eine oder andere Niederlage. Zum Beispiel würde ich mir aus Hannoveraner Sicht über dieses 1:0 in Hamburg ernsthaft Gedanken machen. Denn gut war das nicht. Der HSV war sogar besser und hätte in Unterzahl gewinnen müssen - womit ich zum Kern des Blogs komme: Denn zu sagen, dass der HSV „gut“ gespielt hat nach dem Platzverweis, das ist mir ebenso zu einfach.

 

Umso mehr freue ich mich über so reflektierte Beiträge in unserem Forum, wie diesmal von Motti“. Es ist ein Beitrag, den ich sicher nicht gänzlich teile, dessen Argumentation ich aber sehr wohl nachvollziehen kann. Auf jeden Fall ist es ein Post, den ich hier gern noch einmal einstelle, damit alle wissen, warum:

 

Wider den Untergangstheoretikern und Trainingskiebitzen: 1) Ergebnisse Wenn man sich unsere Spiele anschaut, ohne auf die einzelnen Spiele einzugehen, kann man aber zusammenfassen, dass wir durchaus in Paderborn und Fürth hätten verlieren können und auf der anderen Seite gegen Kiel und Heidenheim gewinnen können. Somit wären wir nach zehn Spielen mit ausgeglichenem Ergebnistrend hier im Blog gut gestartet. 2) Moral Ich sehe hier nicht das Ergebnis einer Wohlfühloase. Gegen Paderborn ein Sieg des Willens, gegen Fürth ein Sieg des Kollektivs, gegen Hannover leider nicht belohnt worden. 3) Individuelle Fehler Ja, die passieren. Und wenn es dann passiert, egal ob Vagnoman oder Ulreich, ist das bitter, aber es passiert. Man kann daraus einen Trend kreieren und alles dem Untergang verschreien. Glas halb leer – Theorie 4) Sonny Kittel Ich fand es konsequent Ihn erneut aufzustellen. Warum lange rum eiern ? Der Trainer muss wissen, woran er ist. Ich kann nicht Vertrauen nach zwei Spielen über Bord werfen. Ich muss mit dem arbeiten, was ich habe. Die Chance hat er nun vertan, da erwarte ich jetzt auch vom Trainer, dass Herr Kittel erst einmal außen vor ist. 5) Kontinuität Wird hier immer nach geschrien und sofort wieder nieder geschrien: Junge Spieler: Machen Fehler, ja. Sonst können sie sich nicht entwickeln, bitter, wenn es dann Punkte kostet. Ich frage mich, warum gestern hier schon über einen Ambrosius diskutiert wurde, der gerade mal 10 Spiele auf dem Buckel hat. Ein Onana, der Profifußball gerade kennenlernt, immer wieder einen Vagnoman ….. warum ? Wenn Ihr das Fahrrad fahren gelernt habt, dann hat Euch euer Vater immer wieder Mut gemacht, wenn Ihr 3x runter gefallen seid. Das hat Euch die Angst genommen, und der Zuspruch hat Euch ermutigt, es immer und immer wieder zu versuchen. Das Internet und die Möglichkeit minutenweise zu kommentieren, tut vielen nicht gut. Und in einem Umfeld wie dem HSV und diesen Fans/Presse ist das Gift. Versteht Ihr das nicht ? Es geht nur gemeinsam ! Unterstützen statt zerstören. Jonas Boldt: Eine Frechheit, wie hier mit Halbwissen um sich geworfen wird. Und eine Frechheit in der Phase der letzten 12 Monate mit allen Rahmenbedingungen des aufgeblähten schwierigen Kaders, ohne Geld und in der Corona Phase nach 10 Spielen so zu urteilen. Trainer: Er ist gerade in einer Phase, in der die Masken fallen. Das kennt man doch. Ich nenne das immer den „Big Brother“ Effekt. Der neue Trainer kommt, ich reiße mich zusammen, gebe mein bestes, präsentiere den braven Vorzeigeprofi. Wenn ich das nicht bin, fällt irgendwann die Fassade, und mein tatsächliches „Ich“ kommt zum Vorschein. Die Fassaden brechen gerade. Thioune hat Jung entschlüsselt, bei Kittel ist es jetzt soweit. Die Auslese beginnt. Und das in so einem Prozess nicht alles reibungslos läuft inkl. der Ergebnisse, ist doch klar. Aber er hat die Gruppe, die zum größten Teil schon da war, und muß auf seine eigene Art seine Triggerpunkte setzen. Positiv wie negativ. Nur der HSV !

 

Was den Beitrag von Motti für mich so lesenswert macht, ist, dass er unaufgeregt ist. Motti findet den Weg zwischen hohen Erwartungen und realistischer Ausgangslage so, wie ich ihn in den letzten Wochen auch immer wieder versucht hatte, darzustellen. Insbesondere bei den jungen Spielern und der dazugehörigen Fehlertoleranz bin ich komplett bei ihm. Ebenso beim Trainer. Hier von einer Phase der Demaskierung zu sprechen ist ein starkes, sehr zutreffendes Bildnis, wie ich finde. Ich teile zudem den Ansatz, dass dem Trainer diese Phase zugestanden werden muss. Ebenso wie die jungen Spieler muss auch ein junger (in seiner erst zweiten Profisaison ist Thioune noch „jung“) Trainer Fehler machen dürfen. Er muss aber auch daraus lernen. 
UND: Daniel Thioune muss seiner Mannschaft Halt geben.

So sehr es ihn auch diesmal ehrt, Fehler auf sich zu nehmen, muss er zusehen, weniger davon zu machen. Dann muss er weniger Schuld auf sich nehmen - vor allem aber kann er im Gegenzug dann auch wieder mehr einfordern. Daniel Thioune sollte sich nicht mehr mit dem Umfeld beschäftigen (müssen), sondern seinen Fokus komplett auf das Sportliche und die Mannschaft legen können. Er sollte in dieser wichtigen Phase der Demaskierung seiner Spieler auch ausreichend Zeit und Ruhe für die bestmögliche Beurteilung seiner Spieler bekommen. Und auch wenn einige es aktionistisch nennen mögen, aber Sonny Kittel hast sich am Sonnabend geoutet. Nicht allein wegen der dummen Gelbroten Karte. Für mich viel entscheidender war und ist, dass er zuvor schon ein paar Spiele in Folge teilnahmslos wirkte.

 

Bei ihm entscheidet für mich die Summe der Minusleistungen in den letzten Wochen darüber, wie ich mit ihm umgehen würde. Mein Ergebnis: Er wäre bei mir hintendran. Ganz weit hintendran, ehrlich gesagt. Bis er im Training oder sonstwie beweist, dass er der Mannschaft wieder helfen kann - und vor allem auch will. Denn die Mannschaft muss immer - also genau so, wie es Thioune bei seinem Amtsantritt gesagt hatte - über dem Einzelnen stehen. Und wer da nicht mitmacht, der wird nicht mehr berücksichtigt. Dazu käme bei mir übrigens eine Strafe für diese Gelbrote Karte. Denn die hätte jeder Spieler bekommen. Nicht, um nach außen etwas zu demonstrieren. Sondern vielmehr, um nach innen zu wirken.

Bei RB Leipzig beispielsweise müssen Spieler, die gegen die im Strafenkatalog festgelegten Regeln verstoßen, einen Wunsch eines Geschäftsstellen-Mitarbeiters erfüllen. Diese  haben alle je einen Wunsch aufgeschrieben und in einen Topf geschmissen, aus dem der Spieler ziehen und diesen dann erfüllen muss. Klar, das könnte man sicher auch mit karitativen Zwecken so gestalten - aber ich fand die Idee so charmant, weil sie noch einmal die (oft als abgehoben geltenden) Topverdiener des Klubs mit den wichtigen Mitarbeitern der Geschäftsstelle verbinden würde. Es würde Gemeinsamkeit schaffen. Aber das nur am Rande.

Wichtiger ist mir bei allem aber, dass man der Mannschaft nicht die Basis der Entwicklung nimmt, indem man sie über- oder unterfordert. Beides ist in Hamburg gern der Fall. Und die M bitte, so richtig und wichtig diese wäre, ist noch immer nicht gefunden. Beispiel dafür ist das Hannover-Spiel: Dort sprechen viele von einem „guten Spiel“ des HSV, weil man in Unterzahl besser war als Hannover. Und ja, eine Tendenz darf man aus diesem Spiel ableiten, um seinen Spielern zu zeigen, wo man hin will. Aber wirklich „gut“ ist für mich, wenn der HSV die Basis an Tugenden ins Spiel einbringt und seinen Möglichkeiten entsprechend alles abruft, was er abrufen kann. Soll heißen: Mit Pech kann man Spiele auch dann noch vergeigen - aber die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass das nicht passiert.

Gut ist erst, wenn sich die Mannschaft entwickelt

Gut ist für mich, wenn ich eine Entwicklung erkenne auf dem Platz. Klaus Gjasula Spiel war beispielsweise gut, weil er viele Fehler aus seinen letzten Einsätzen abgestellt hatte und dafür richtige Dinge machte (Passspiel, Defensivverhalten). Gut war auch die Moral, mit der die Mannschaft die Unterzahl meisterte. Jeremy Dudziak von Spielminute zu Spielminute besser werdendes Spiel im Zentrum war gut. Richtig gut würde es, wenn er dieses Niveau in Darmstadt von der ersten bis zu seiner letzten Minute auf dem Platz durchhalten kann. Ebenso gut war, dass zu keiner Phase resigniert wurde. Schwach ist indes, wie der HSV mit Standards umgeht. Auch wenn das kein neues Phänomen ist - unter Dieter Hecking gehörten ruhende Bälle schon nicht zu den Stärken der Mannschaft - ist hier keine Entwicklung zu erkennen, obwohl dieser Mangel analysiert worden war. Und auf das Hannover-Spiel bezogen muss man auch klar festhalten, dass die ersten 30 Minuten schwach waren. „Wir  müssen uns fragen, warum wir unsere guten Phasen nicht über die gesamte Spielzeit durchziehen können“ hatte Trainer Daniel Thioune vor dem Hannover-Spiel gefragt. Und diese Frage konnten seine Mannschaft und er auch gegen Hannover wieder nicht beantworten.

Taktische Probleme, schwache Standards, Kopfballschwäche, Tempodefizite, fehlende Kreativität und mangelhafte Torausbeute und dem fehlenden Kollektiv auf dem Platz - so sah es vor Saisonbeginn aus. Ich habe am Anfang der Saison versucht, eine Bestandsaufnahme dessen zu machen, was Trainer Daniel Thioune faktisch hier vorfindet, um so noch etwas genauer beurteilen zu können, was der Trainer wirklich verbessert - oder eben nicht. Und genau diesen Weg werde ich weitergehen. MIT Thioune! Denn ich sehe in vielen Punkten eine positive Entwicklung. Auch, wenn es aktuell seit fünf Spielen nicht zu Sieg gereicht hat ist für mich entscheidender, dass der Trainer in den nächsten Wochen seine Schlüsse aus dem zieht, was ihm die Spieler aktuell anbieten. Er muss die Phase der Demaskierung besser nutzen, als es seine Vorgänger zuletzt hinbekommen haben, bevor sie in der Rückrunde abschmierten. Und das wiederum traue ich ihm sehr wohl zu.

Von daher regt mich die Niederlage an sich weniger auf, als ich dachte. Ich weiß, dass der HSV nicht gewinnt, wenn nicht wirklich alle Rädchen ineinander greifen. Und nur für die, die den HSV wegen des teureren Kaders zum Maß der Dinge hochstilisieren: Bringt der HSV keine 100 Prozent auf den Platz, läuft er Gefahr, gegen jede dieser Zweitligamannschaften zu verlieren. Das war in der Ersten Liga so, nach dem Abstieg so - und das ist auch diese Saison so.

DFL plant Angleichung der TV-Gelder-Verteilung

Was sich übrigens verändert, ist die Verteilung der TV-Gelder. Dazu nur kurz die Zusammenfassung der heutigen DFL-Vollversammlung: Nach monatelangen Beratungen entschied sich das DFL-Präsidium bei der Ausschüttung der Milliarden-Erlöse in den Spielzeiten 2021/22 bis 2024/25 für eine etwas stärke Gleichbehandlung als bisher, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie besser abzufedern. „Die vergangene Saison war nur ein laues Lüftchen. Jetzt kommt der Sturm. Wir erwarten im Profifußball bis zum Sommer 2022 einen Umsatzrückgang von voraussichtlich zwei Milliarden Euro“, sagte DFL-Boss Christian Seifert am Montag nach der dreieinhalbstündigen Mitgliederversammlung und malte ein düsteres Zukunftsbild. „Vor diesem Hintergrund haben wir den neuen Verteilerschlüssel mit acht Ja-Stimmen und einer Enthaltung verabschiedet. Es ist kein spektakulärer, aber ein vernünftiger Beschluss, der das Potenzial hat, die Liga zusammenzuhalten.“

Basis für die Ausschüttung von insgesamt 4,4 Milliarden Euro aus der Vermarktung der nationalen Medienrechte ab 2021 ist ein neues Vier-Säulen-Modell. Die Kategorie «Gleichverteilung» macht in den ersten beiden Jahren 53 Prozent der Einnahmen aus, danach sind es noch 50 Prozent. Die Leistung der vergangenen fünf Spielzeiten wird zunächst mit 42 Prozent, dann mit 43 Prozent gewichtet. Die Restsumme speist sich aus den Säulen „Nachwuchs“ und „Interesse“.

Konkret bedeutet dies: In der Bundesliga werden künftig aus Topf 1 durchschnittlich 460 Millionen Euro pro Saison zu gleichen Teilen unter den Vereinen verteilt. In der 2. Liga sind es durchschnittlich 128 Millionen Euro. Unabhängig vom Abschneiden kann jeder Bundesligist somit pro Spielzeit fest mit 24,7 Millionen Euro aus dieser Säule planen, die Zweitligisten mit sieben Millionen Euro.

Da auch die Summen aus dem neuen Topf „Leistung“ vor jeder Saison feststehen, haben alle Vereine in Zukunft eine wesentlich größere Planungssicherheit als bisher. „Wir haben der finanziellen Stabilität der Clubs Priorität eingeräumt“, sagte Seifert dazu. „Es ist ein Verteilerschlüssel, der das Kollektiv, die Gemeinsamkeit und die Solidarität betont.“

Dies gilt auch für die Verteilung der Erlöse aus der internationalen TV-Vermarktung, wo künftig 35 Prozent der Gesamtsumme gleichverteilt werden. In der Saison 2021/22 sind dies 60 Millionen Euro, dann für zwei Jahre jeweils 70 Millionen Euro und zum Abschluss der Rechteperiode 74 Millionen Euro. Das bedeutet am Ende einen Anstieg um rund 40 Prozent, flossen bisher doch nur 43 Millionen Euro zu gleichen Teilen an die Vereine.

In diesem Sinne, bis  morgen!


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