Tobias Escher

25. Oktober 2020

Daniel Thioune stellt seine Mannschaft nicht nur taktisch gut ein, sondern auch clever um. Dieses Fazit lässt sich aus dem 3:1-Sieg über die Würzburger Kickers ziehen. Nach einer zähen ersten Halbzeit sorgte Thioune mit einer kleinen, aber feinen Systemumstellung dafür, dass der Hamburger SV das Spiel noch drehen konnte.

Gründe für personelle Wechsel gab es nach dem überzeugenden 3:0-Sieg gegen Aue nicht. Thioune veränderte seine Elf daher nur auf einer Position: Der wieder verfügbare Tim Leibold übernahm Bakary Jattas Rolle als Linksverteidiger der Fünferkette. Der HSV begann das Spiel in einer Mischung aus 5-2-3 und 3-4-3, wobei die Grenzen fließend waren: Wie bereits gegen Aue zeigte sich besonders das Mittelfeld flexibel. Sonny Kittel verließ ständig seine halblinke Position, um Überzahlen herzustellen.

Würzburgs Coach Marco Antwerpen hielt den Hamburgern ein handelsübliches 4-2-3-1-System entgegen. Die Aufteilung seiner Mannschaft war konservativ: Fünf Spieler verblieben permanent als Absicherung. Die vier vorderen Akteure plus ein vorstoßender Mittelfeldspieler durften sich in die Offensive bewegen. Das taten sie jedoch eher mit Bedacht: In den meisten Szenen verblieb Würzburg in einer tiefen 4-4-1-1-Ordnung in der eigenen Hälfte. Nur selten störten sie die Hamburger mit einem Fünf-Mann-Pressing. Da die übrigen fünf Spieler sich auf alle Fälle zurückhielten, entstanden in diesen Szenen recht große Räume im Mittelfeld. War das Pressing erst einmal überspielt, zog sich die Würzburger Mannschaft geschlossen hinter den Ball zurück.

HSV streckt das Spiel

Der HSV stand also vor der Aufgabe, einen defensiven Gegner zu bespielen. Die Hamburger selbst traten zunächst nicht allzu sehr aufs Gas: Angesichts der Tatsache, dass Würzburgs Viererkette selbst bei eigenem Ballbesitz tief blieb, erlangte der HSV wenig Zugriff im Pressing. Stattdessen zogen sich die Hamburger eine Reihe weiter zurück und ließen Würzburgs Abwehrkette machen. Das Spiel begann daher eher zäh: Gerade einmal einen Torschuss gaben beide Teams in den ersten 25 Minuten ab.

Auch bei eigenem Ballbesitz ging der HSV zunächst wenig Risiko. Die kompakte 4-4-1-1-Formation des Gegners bot kaum die Möglichkeit, einen Pass in den Zehnerraum zu spielen. Manuel Wintzheimer fand zwischen den gegnerischen Viererketten wenig Freiräume. So begann der HSV früh, das Spiel über die Flügel aufzubauen. Leibold und Narey hielt wenig hinten, sie rückten weit nach vorne bis an die gegnerische Abwehrlinie.

Taktische Aufstellung HSV - Würzburger Kickers
Taktische Aufstellung HSV - Würzburger Kickers

 

Gefährlich vor das Tor kam der HSV jedoch nicht. Das lag auch am etwas zaghaften Nachrücken des Mittelfelds: Die Außenverteidiger waren bei ihren Vorstößen häufig auf sich allein gestellt. Moritz Heyer hielt sich auf der Doppelsechs eher zurück, Aaron Hunt wiederum ließ sich weit fallen, um Struktur in das Hamburger Spiel zu bringen.

Das machte sich auch negativ im Gegenpressing der Hamburger bemerkbar: Durch die großen Abstände zwischen den einzelnen Spieler bekam der HSV nicht so viel Zugriff nach Ballverlust wie zuletzt. Würzburg gelang es einige Male, die einrückenden Außenstürmer zu bedienen. Aus dem Spiel heraus kam dabei nicht viel herum, dafür aber holten die Würzburger Eckbälle heraus – und gingen nach einem ruhenden Ball in Führung (40.).

Doppelte Besetzung der Flügel als Schlüssel

Der überraschende Rückstand zwang das Hamburger Trainerteam, in der Pause zu reagieren. Amadou Onana kam für den angeschlagenen Gideon Jung und ging auf die Sechs. Heyer wechselte in die Innenverteidigung.

Mit dem Wechsel ging auch eine leichte Formationsveränderung einher. Bereits in der ersten Halbzeit hatte Narey rechts praktisch als Flügelstürmer agiert. Er war hier jedoch häufig auf sich allein gestellt. Der HSV löste nun die Dreierkette auf, Heyer und Stephan Ambrosius waren nun die alleinigen Innenverteidiger. Jan Gymerah wurde zum Rechtsverteidiger befördert – und schaltete sich wesentlich öfter in die Offensive ein als noch vor der Pause.

Von der Einwechslung Onanas profitierte wiederum Hunt. Onana riss das Spiel in der Tiefe stärker an sich, wodurch Hunt wiederum weiter vorrücken konnte. Er bewegte sich häufig auf die rechte Seite. Über diese forcierte der HSV nun seine Angriffe. Narey, Gyamerah und Hunt schufen hier Überzahlen. Die Würzburger verteidigten weiterhin kompakt, aber auch etwas unflexibel. Die Sechser verblieben in der Mitte, sodass die beiden Flügelspieler häufig allein auf der Seite waren.

Über zwei Wege kamen die Hamburger nun vor das Tor: Wenn sie sich nah am Mittelkreis auf dem rechten Flügel festspielten, öffneten sie das Spiel mit weiten Diagonalbällen. Leibold und teils auch Kittel boten sich für diese Spielverlagerungen an. Gelang dem HSV jedoch der Durchbruch an die Grundlinie, folgte fast immer eine Flanke. Dass diese Strategie aufging, lag in erster Linie an Simon Terodde: Er stampfte, schubste, wühlte sich durch den gegnerischen Sechzehner. Seine zwei Treffer drehten das Spiel.

Fazit

Nach Teroddes Führungstreffer (82.) mussten die Kickers ihre starre Defensivordnung aufbrechen. Mit dem Mut der Verzweiflung schlugen die Gäste Flanken in den Hamburger Strafraum. Es war aber eher der Tabellenführer, der von dem neuen Offensivgeist der Würzburger profitierte. Ein Konter bescherte dem HSV den finalen 3:1-Siegtreffer.

Die Siegesserie des HSV geht damit weiter. Fünf Siege aus fünf Spielen: Diese Bilanz hätten selbst optimistische HSV-Fans kaum für möglich gehalten. Spannend ist, wie unterschiedlich diese Siege zustande kamen: Mal überzeugte der HSV spielerisch gegen passive Gegner (Düsseldorf, Würzburg), mal kämpfte er sich zum Erfolg (Paderborn, Fürth). Der HSV gewann sowohl Spiele mit viel Ballbesitz (65% gegen Würzburg) als auch mit wenig Spielanteilen (40% gegen Fürth). Auch taktisch zeigt sich der HSV flexibel: Thioune wechselt gern seine Formation und passt sich damit an den Gegner an. Das wird er auch im kommenden Derby gegen St. Pauli versuchen.

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.