Marcus Scholz

11. April 2019

 

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Besser macht es das alles auch nicht. Das 4:4 des 1. FC Köln bestätigte noch einmal, dass die Zweite Liga erstaunlich viele Überraschungen parat hält. Allerdings sollten andere Mannschaften nie als Alibi für eigeneres Versagen herhalten. „Wir schauen nur auf uns, habe es selbst in der Hand und wir entscheiden, ob wir gewinnen“, hatten Ralf Becker und Trainer Hannes Wolf in den letzten Monaten wiederholt gesagt. Und Wolf hält sich daran. Angesprochen auf das 4:4 des Tabellenführers Köln beim Tabellenletzten MSV Duisburg hatte er nur ein Achselzucken übrig. „Dass jetzt Union und der HSV in den letzten drei Spielen einen Punkt holen, damit war nicht unbedingt zu rechen. Die Liga ist unberechenbar, auch die unten können halt. Und das hat man gestern wieder gesehen. Wenn du denen ein bisschen Raum gibst, dann sind die auch alle gut.“

Und der HSV hat seinen Gegnern zuletzt zu viele Räume gelassen. zumindest in der Liga hatte die HSV-Defensive immer wieder Probleme. Trotz der gefeierten Rückkehr von „Mentalitätsmonster“ Kyriakos Papadopoulos, der gegen Paderborn verhältnismäßig gut spielte und gegen Magdeburg noch der beste von drei schwachen Innenverteidigern war. Wobei man ehrlich sagen muss, dass auch in den Trainingseinheiten insbesondere David Bates einen besorgniserregenden Eindruck macht. Nicht mal allein sportlich, sondern vor allem in Schon Körpersprache. Denn der ansonsten immer sehr gerade Schotte, der bislang über seinen Einsatzwillen zu überzeugen wusste, wirkt in sich gekehrt und verunsichert.

Bates ist negativ, ganz anders als sonst. Er winkt immer wieder ab, rauft sich die Haare und verzweifelt an seinen eigenen Aktionen. Er sagt sowieso selten bis nie etwas auf dem Platz, und das behält er auch bei. Aber er ist auch in seiner Kernkompetenz, dem direkten Zweikampf, inzwischen anfällig und hat kaum mehr Körperspannung als ein Regenwurm - mal übertrieben formuliert. Auch deswegen erwägt Trainer Hannes Wolf gegen Köln wieder eine Umstellung auf Viererkette - dann ohne Bates, wie ich tippen würde. Also mit Rick van Drongelen und Kyriakos Papadopoulos als Innenverteidiger sowie Gotoku Sakai und Douglas Santos außen. Zumindest ließ Wolf heute so spielen. Mit Bates im B-Team.

Beim Abschlussspiel schon nicht mehr dabei war heute übrigens Pierre Michel Lasogga. Der Angreifer hatte schon die vorausgegangenen Sprintübungen abgebrochen und das Gespräch mit dem Trainer gesucht, der seinen Toptorjäger in daraufhin in die Kabine schickte. „Pierre hat ein bisschen was in den Adduktoren gespürt“, erklärte Wolf die Vorsichtsmaßnahme, aus der hoffentlich nicht mehr wird. Denn gerade offensiv hat es der HSV nicht so dicke, wie auch heute auf dem Platz bau sehen war. Denn während Lasogga abbrach, trainierten Jairo Samperio und Hee Chan Hwang parallel nur individuell. „Hwang auf einem guten Weg, aber auch da müssen wir uns die Zeit nehmen und an die Abläufe halten. Es wäre sehr schön, wenn er gegen Aue dabei ist“, so Wolf, der voraussichtlich noch bis Saisonende auf Samperio verzichten muss. Fakt ist: Beide werden dem HSV in Köln am Montag ebenso wenig helfen können wie Aaron Hunt, der heute gar nicht erst auf dem Platz war. Und darauf angesprochen verzog Wolf zunächst das Gesicht. „Aaron hat drinnen gearbeitet“, so der Trainer, „da müssen wir ein bisschen aufpassen. Er hat ein bisschen was gespürt, auch vom Rücken her. Danach kann man nicht sofort trainieren.“ Ob es ein kleiner Rückschlag war auf dem Weg zum Comeback? Wolf: „Ja.“

Eine bittere Nachricht, denn Hunt fehlt an allen Ecken und Enden, wie es HSV-Legende und Geburtstagskind Horst Schnorr (Herzlichen Glückwunsch auch von dieser Stelle noch mal!!) heute im Abendblatt so trefflich analysiert hat. Ich will hier jetzt nicht zum 1000. Mal denn jeweiligen Punkteschnitt mit und ohne ihn vergleichen, diese Diskrepanz ist hinlänglich bekannt. Aber es fehlt schlichtweg ein zweiter Spieler im Kader, der das Spiel lenken kann. Lewis Holtby sollte zuletzt diese Rolle übernehmen - hatte sich damit aber übernommen. Heute musste Holtby den nächsten Rückschlag hinnehmen, als er widerwillig gen Kabine stapfte. Cotrainer Andre Kilian hatte ihn dazu aufgefordert und Trainer Wolf relativierte im Nachhinein: „Lewis hat einen Schlag aufs Sprunggelenk abbekommen und sollte vorsichtshalber rein.“

Wieder gut dabei ist indes Josh Vagnoman - was mich hoffen lässt. Denn der Youngster, der zuletzt mit einem Innenbandriss lange ausgefallen war, ist für mich eine echte Alternative für den Kader. Ich persönlich hätte ihn längst hinten rechts zu etablieren versucht. Auch, um Sakai dort zu erlösen und einen Spieler mit großer Perspektive (wie ich meine!) aufzubauen. Aber Wolf sieht in Vagnoman eher einen Offensivspieler - was auch nicht falsch ist. Im Gegenteil: Mit Vagnoman bekommen t der HSV das, was vorn fehlt (zumindest, sobald Jatta raus ist): Tempo. „Josha hat jetzt wieder vol mitgemacht, hat die Turnierform im Training mitgespielt. Josha ist der, der am nächsten dran ist“, so Wolf zu dem Rekonvaleszentenstand.

Womit ich noch einmal auf die Taktik zurückkommen möchte. Ich hatte in meinen Blogs zum Spiel und nach dem Spiel gegen Magdeburg geschrieben, dass unter anderem die Wechsel dem HSV-Spiel geschadet hatten, Tobias Escher sah vor allem in der Taktik das Kernproblem. Die gegen Paderborn so funktionale Dreierkette hatte gegen die defensiver agierenden Magdeburger keine Wirkung. Ob er wie heute bim Training wieder auf Viererkette umstellen wolle, fragten wir Wolf? Und der verneinte indirekt. Er will und wird sich natürlich nicht öffentlich auf eine Taktik festlegen, um die Kölner nicht vorzuwarnen. „Du kannst die Verteidigung aus allem entwickeln“, so der kurze Kommentar Wolfs.

Und ich hoffe, dass er trotz der falschen Wahl für das Magdeburg-Spiel gegen Köln nicht wieder auf Viererkette umstellt sondern genau diese Dreierkette aus dem Paderborn-Spiel anwendet. Mit zwei Sechsern davor, wobei Gideon Jung hier wieder zu gebrauchen wäre. Denn bei allem, was er gegen Magdeburg falsch gemacht hat, er hat Tempo und defensiv im Normalzustand mehr Zweikampfstärke als die anderen Sechser. Und gegen Köln dürfte er defensiv so stark gebunden sein, dass seine offensiven Schwächen, die auch im Training momentan sehr auffällig sind, nicht zu sehr zum Tragen kommen dürften. Ergo: Es mag überraschend kommen, das gerade von mir zu hören, aber ich würde gegenüber dem Magdeburg-Spiel in Sachen Startelf in Köln gar nicht allzu viel verändern. Trotz der Minusleistung gegen Magdeburg könnte diese Taktik in Köln wiederum passen.

Apropos passend: Ich hatte in den letzten Jahren immer wieder und auch dieses Jahr vor dem Stadtderby geschrieben, wie wenig anders der etwas andere Klub vom FC St. Pauli inzwischen ist. Und mit dem aktionistisch wirkenden Trainer- und Sportchefwechsel hat mich der Klub vom Millerntor noch einmal bestätigt. Das Paradoxe daran: Ich glaube, dass die Niederlage des HSV am Montag maßgeblichen Anteil an der Demission Markus Kauczinskis und Uwe Stövers hatte. Denn der FC St. Pauli glaubt - das hatte ich schon zu Saisonbeginn gehört und hier geschrieben - tatsächlich und nachhaltig daran, aufsteigen zu können. Statt der erwarteten zehn Punkt zum HSV sind es nur sieben - gar nur vier auf Rang drei (Relegation).

Dass man dem entlassenen Trainer Kauczinski heute bei der Vorstellung des neuen Trainers (Jos Luhukay) sogar noch Vorwürfe hinterherwarf - es passt ins Bild des inzwischen voll kommerzialisierten und längst nicht mehr als pseudo-wertelastigen Klubs vom Millerntor, der sich dem wirtschaftlichen Wettkampf ebenso stellt wie alle anderen Profiklubs auch. „Es herrscht eine lethargische Stimmung in und um den Verein, als ob wir auf einem Abstiegsplatz stünden“, warf Präsident Oke Göttlich Kauczinski vor. Zudem warf er Trainer und Team in der Vergangenheit Angsthasenfußball vor und dürfte wohl vor allem die Taktik im Derby gegen den HSV (0:4) im Hinterkopf gehabt haben. „Wir wollen eine Situation schaffen, die davon geprägt ist, Spiele zu gewinnen und nicht zu versuchen, Spiele nicht mehr zu verlieren“, so der Präsident, der intern vor der Saison das Ziel Aufstieg ausgegeben hatte und davon träumt, innerhalb der nächsten fünf Jahre international zu spielen.

Eine gefährliche Situation für den Nachbarklub, die wir vom HSV der letzten Jahre nur zu gut kennen: Denn auch hier stimmen Anspruch und Realität mal so überhaupt nicht überein. Passend dazu auch Hannes Wolfs Kommentar: „Ich finde eigentlich, dass der FC St. Pauli in der Summe eine sehr gute Saison gespielt hat“, so der HSV-Coach heute ein wenig überrascht. Er versuchte den Satz noch schnell zu relativieren („Ich kann das am Ende auch nicht beurteilen.“) - man kritisiert sich untereinander eben nicht. Das hatte er aber schon. Und auch völlig zurecht.

In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich wie gewohnt mit dem MorningCall bei Euch, während die Mannschaft im Anschluss unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert.

Bis dahin,

Scholle

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