Marcus Scholz

20. März 2020

Bis spät in die Nacht wurde getagt. Gute sechs Stunden saßen die Kontrolleure am gestrigen Donnerstag bis 23 Uhr im Besprechungssaal im Campus zusammen und diskutierten Themen, die für den HSV existenziell sein können. Die Corona-Krise und seine Folgen war ein naturgemäß und angemessen zeitaufwändiges Thema. Es wurde letztlich auch von Finanzvorstand Frank Wettstein so vorgetragen, dass die sieben Aufsichtsräte im Anschluss eine tiefe Sorgenfalte weniger hatten. Bis zum Sommer, so heißt es, ist der HSV liquide auch für den Fall, dass die Saison nicht mehr aufgegriffen und nicht mehr sportlich beendet werden kann. Ein Vorteil sehr vielen anderen Bundesligisten gegenüber - aber dazu morgen mehr. Denn neben diesem Thema war natürlich auch das in Schieflache geratene Vertrauensverhältnis auf Vorstandsebene ein einnehmendes Thema. Es war sogar DAS Thema des Abends.

Sowohl Wettstein als auch Sportvorstand Jonas Boldt und Vorstandsboss Bernd Hoffmann waren gestern geladen, um sich eben auch zu diesem Thema zu äußern. Die Aufsichtsräte machten dabei keinen Hehl aus dem Umstand, dass der Moment nichts anderes zulasse als eine konsequent konstruktive Zusammenarbeit der wichtigsten Entscheidungsträger. Aber auch die sieben Räte wussten nach der gestrigen Veranstaltung, dass die erforderliche Geschlossenheit auf Vorstandsebene nicht (mehr) gegeben ist. Ich habe heute mit einigen Räten sprechen können und dabei sehr unterschiedliche Blickwinkel vernommen. Aber in einem Punkt waren sich letztlich alle einig: Garantieren, dass man die aktuelle Konstellation langfristig so belassen kann, wollte keiner mehr. Und das klang vor ein paar Wochen noch gänzlich anders.

Vorstand demonstriert Kontrolleuren Uneinigkeit 

Während bundesweit das Moto „nur zusammen“ gilt, scheint dies beim HSV-Vorstand heute schwerer denn je umzusetzen. Im Aufsichtsrat ist diese Einsicht angekommen. In den letzten Tagen und Wochen, in denen hinter vorgehaltener Hand sogar schon über mögliche Stimmenverhältnisse spekuliert wurde, hatte es sich bereits angedeutet. Die SportBild hatte am Mittwoch zudem von einer bevorstehenden Kampfabstimmung um Bernd Hoffmanns Zukunft geschrieben. Und auf Nachfrage, ob eine solche Abstimmung dem HSV bevorstünde, vermochte keiner der Räte heute zu dementieren. Hintergrund: Dafür reicht der Antrag eines einzelnen Kontrolleurs. So, wie es gestern reichte, dass einer der Räte die Causa Hoffmann außerhalb der eigentlichen Tagesordnungspunkte auf die Agenda brachte.

4:3 Stimmen, so heißt es, würde Hoffmann aktuell vorn liegen. Wobei die Contra-Fraktion keine Wachkelkandidaten habe, die Pro-Hoffmann-Fraktion (JA! So weit ist es schon wieder…) allerdings zwei Räte beinhalte, deren Entscheidung nicht sicher sei. Und allein die Tatsache, dass immer mehr über dieses Stimmverhältnis gesprochen und darum geworben wird, das zeigt schon, dass der HSV den Fehler der letzten Jahre wiederholt. Schon 2009 waren es interne Differenzen zwischen Hoffmann und dem damaligen Sportchef Dietmar Beiersdorfer, die eine erfolgreiche Phase beendeten.

Szenerie erinnert an Vorstandsstreit 2009

 Kompetenzüberschreitungen, Eitelkeiten, Indiskretionen, Alleingänge - es gab damals eine Vielzahl Vorwürfe gegenüber Hoffmann, die gestern in der Aufsichtsratssitzung neu auflebten und die leider nicht abschließend ausgeräumt werden konnten. Und um eines vorwegzuschicken: Bis zu diesem Zeitpunkt kann man den Aufsichtsrat nicht für diesen hausgemachten Missstand hauptverantwortlich machen. Sehr wohl aber, wenn er diesen Zustand weiterhin zulässt. Mein Kommentar aus dem „Car-Office“ (zuhause laufe ich zu sehr Gefahr, dass es durch die drei Kinder etwas zu laut wird) dazu:

 

Wie immer, wenn man über derartige Themen spricht, gibt es diejenigen, die die Überbringer der Nachrichten anklagen. So war es beim Abendblatt-Artikel vergangene Woche, der den monatelang schwelenden internen Missstand öffentlich machte. Und so wird es wahrscheinlich immer sein. Aber ich habe es nicht nur im Video gesagt, sondern es ist bei mir zu 100 Prozent genau so: Ich mag solche Themen nicht! Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich jeden Tag über Fußball schreiben, Entwicklungen beobachten, mich freuen und ärgern. Aber so funktioniert der Profifußball nicht.

Aufsichtsrat steht vor einer großen Aufgabe

Weder bei anderen Klubs, wo solche Machtkämpfe und polarisierende Funktionäre ebenso vorkommen wie hier. Aber leider auch sehr wenig beim HSV, der zumindest den Vorteil und dadurch eine große Chance hat, aus der schmerzhaften Erfahrung der noch gar nicht alten Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Kontrolleure können, nein: sie müssen ein Problem aus der Welt schaffen, ehe es weiteren Schaden anrichtet. Denn Fakt ist: Hier darf es nicht vorrangig darum gehen, pro oder contra Hoffmann zu sein - hier muss es darum gehen, pro HSV zu handeln. Eine große Aufgabe für den Aufsichtsrat.

Auf dem Weg dahin besprechen sich am Sonntag auch die sportlich Verantwortlichen, wie es in der kommenden Woche beim HSV weitergeht - also auf dem Platz. Denn bislang steht die Sondergenehmigung der Hamburger Behörden für den HSV noch aus. Und nicht nur ich sondern auch beim HSV gehen viele davon aus, dass es in der kommenden Woche weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus’ kommt. Folglich wird an Training auch in der kommenden Woche mit allergrößter Wahrscheinlichkeit noch nicht zu denken sein.

In diesem Sinne, bleibt zuhause und macht Euch einen schönen, stressfreien und vor allem gesunden Abend! Bis morgen!

Scholle

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