Marcus Scholz

13. November 2017

Womit beginnen? Politik – oder doch Sport? Was ist aktuell wichtiger? Nun ja, ich gebe zu, dass ich diese Frage weniger rational denn emotional beantwortet habe, und deshalb mit der vorzeitigen Vertragsverlängerung von Gideon Jung beginnen möchte, die mich sehr freut. „Gideon hat eine hervorragende Entwicklung bei uns vollzogen und sich als absoluter Stammspieler in der Bundesliga etabliert. Er ist ein Spieler, der sich immer vollkommen in den Dienst der Mannschaft stellt. Wir freuen uns sehr darüber, dass wir ihn weiter langfristig an uns binden konnten und auch die nächsten Schritte in seiner Karriere gemeinsam mit ihm gehen werden“, sagte Sportchef Jens Todt via HSV-Homepage.

Jung war im Sommer 2014 vom Viertligisten Rot-Weiß Oberhausen nach Hamburg gekommen. Beiersdorfer hatte den Spieler empfohlen bekommen und ihn für rund 150.000 Euro verpflichtet. Einer seiner besseren Deals. Denn nachdem Jung lange Zeit in der U23 zum Einsatz kam, konnte er sich für die Profis empfehlen, wo er im August 2015 zum Saisonauftakt beim FC Bayern München debütierte. Seitdem bestritt Jung 57 Erstligaspiele und krönte seine bisherige Karriere in diesem Sommer, als er mit der deutschen U21-Auswahl das EM-Championat gewann. „Das war für mich das i-Tüpfelchen einer guten Saison“, betonte er damals. Das Turnier hätte ihn vom Selbstvertrauen her deutlich weitergebracht, sagte er zuletzt meinen Abendblatt-Kollegen Schiller und Hardt – aber er legte auch gleich in der ihm typischen Manier nach: „Ich habe meine eigenen Erwartungen weiter angehoben.“ Soll heißen: Ausruhen ist nicht...

 

 

Und so legte Jung bislang auch stetig nach. Er zählt aktuell zu den beständigsten Spielern im Kader – ehrlich gesagt war er sogar einer der wenigen, die beständig spielten. Und auch deshalb erhielt er nach einem umfassenden Sonderlob von einem damit ansonsten sehr sparsam umgehenden Markus Gisdol jetzt auch seine Vertragsverlängerung. Heute unterschrieb der 23-Jährige bis 2022. Sein alter Vertrag wäre 2020 ausgelaufen. Dementsprechend zufrieden lässt er sich vom HSV zitieren: „Beim HSV habe ich die Chance bekommen, mich in der Bundesliga durchzusetzen. Ich habe in den letzten Jahren sehr viel an Erfahrung mitgenommen und große Lust, hier beim HSV meinen Weg weiter zu gehen.“

Und ich gebe gern zu, dass ich mich darüber sehr freue. Denn Gideon war nicht nur einer der ersten Spieler in meinen Live-Sendungen, sondern immer ein sehr angenehmer Gesprächspartner. Ungeeignet für Enthüllungsstorys geschweige denn Skandale – aber immer sehr respektvoll uns Journalisten und vor allem seinen Mannschaftskameraden gegenüber. Einige verkennen das meiner Meinung nach und nennen Jung „langweilig“. Denn ich behaupte, dass Jung einfach professionell ist. Das einstige Schnäppchen aus der Regionalliga von RW Oberhausen hat sich tatsächlich immer auf den Fußball fokussiert, den Versuchungen wiederstanden, die sich ihm wie seinen Freunden geboten haben - und das bzw. er hat sich durchgesetzt. Das und sein unbändiger Wille, sich von Tag zu Tag zu verbessern.

HSV-Trainer Markus Gisdol brachte es zuletzt es auf den Punkt: „Gideon Jung ist seit Wochen unser bester und beständigster Spieler. Ohne Wenn und Aber - egal auf welcher Position. Er macht aktuell den nächsten Schritt zum Führungsspieler.“ Und damit kann er frisch gestärkt und mit neuem - und verdientermaßen auch finanziell verbessertem – Vertrag am Sonntag auf Schalke endlich weitermachen, nachdem er zuletzt zwei Spiele gesperrt war. Und während wir uns über das Zeichen, das der HSV damit sendet, berechtigt freuen dürfen, geht es auf vereinspolitischer Ebene unvermindert unruhig weiter.

Jung macht Freude - obwohl viele alte Probleme des HSV dieser Tage bleiben. Denn am späten Nachmittag kam dann auch die offizielle Bestätigung von Hapag-Lloyd Cruises: Geschäftsführer Karl J. Pojer steht nicht mehr als Kandidat für den HSV-Aufsichtsrat zur Verfügung. Der erste Absprung. Wobei der Verdacht naheliegt, dass Klaus Michael Kühnes Interviews in der vergangenen Woche maßgeblich waren. Dennoch ist das nur Theorie - kein Fakt. Vor allem weshalb so viele hier und anderswo die Gleichung aufmachten, dass dadurch der eine Posten für einen Kühne-Vertrauten frei würde, erschließt sich mir nicht. Denn auch mit Pojer waren bislang erst fünf Kandidaten (Meier, Peters, Jansen, Luther, Pojer) bek(n)annt. Insofern konnte auch vorher noch dieser eine, jetzt von vielen zitierte Posten frei gewesen sein. Zumal ich gehört hatte, dass der dafür vorgesehen Kandidat schon vor Kühnes Reaktionen - also tatsächlich unabhängig davon - zurückgezogen hatte.

Aber okay, einen bitteren Nachgeschmack wird die Besetzung des neuen Aufsichtsrates eh behalten, das wissen wir seit vergangener Woche. Dafür waren und sind die Parteien zu sehr auf Kollisionskurs. Selbst wenn jetzt hier ein Kühne-Vertrauter in den Rat einzieht und es alle als salomonische Lösung verkaufen wollen, wird das kaum jemand noch glauben. Und so wenig mich das Prozedere im Vorfeld der Jahreshauptversammlung bislang auf strukturelle Verbesserungen hoffen lässt, so bin ich trotzdem sehr gespannt, wie vor allem e.V.-Präsident Meier versuchen wird, diese Situation zu retten. Und natürlich, inwieweit Klaus Michael Kühnes Forderungen erfüllt werden. Am Mittwoch oder Donnerstag werden wir es aller Wahrscheinlichkeit nach wissen. Denn da (Mittwochabend) muss Meier den alten Aufsichtsrat in seiner letzten turnusmäßigen Sitzung über die neue Zusammensetzung des Kontrollgremiums informieren.

In diesem Sinne, morgen mehr. Leider auch hiervon. Da müssen wir diese Woche leider noch mal durch. Mindestens sogar. Denn vielleicht dauert es auch noch etwas länger. Ich hoffe nur, dass es sich nicht bis zur Jahreshauptversammlung am 18. Dezember zieht. Denn dann würde der HSV nicht nur weiter Prestigeverlust einstecken müssen, sondern aller Wahrscheinlichkeit auch sportlich unter dieser Unruhe leiden. Und DAS kann sich dieser Verein mit Sicherheit am allerwenigsten erlauben – um nicht zu sagen: überhaupt nicht.

Bis morgen!

Scholle

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