Marcus Scholz

12. Mai 2020

Viele Highlights hat das Hotel "Herzogs Park" in Herzogenaurach nicht zu bieten. Da müssen schon die selbst mitgebrachten Playstation herhalten, um das tägliche Training und das gemeinsame Essen als bisherige Höhepunkte des Tages zu überbieten. Es ist eben alles anders als sonst. Kein Wellnessbereich, der geöffnet hat, selbst das Personal gebe sich zwar sehr viel Mühe, soll aber auch den Kontakt zu den Spielern nach Möglichkeit minimieren.Trotzdem versucht Aaron Hunt der ungewöhnlichen Situation etwas Positives abzugewinnen. Es bleibt ja auch nichts anderes übrig angesichts der weiterhin unwirklich wirkenden Situation, die dem Profifußball in den nächsten Wochen Geisterspiele bescheren wird. „Das wird vom Kopf her etwas ganz anderes“, weiß Hunt. Der HSV-Kapitän hat sich schon mit der neuen Situation befasst, was zum Vorteil werden könnte. „Die Mannschaft, die sich am besten auf die neuen Umstände einlässt, wird die Spiele gewinnen. Und das muss nicht immer der Favorit sein.“

Hunt, der uns heute per „Zoom“-Video-Konferenz zugeschaltet worden war,  machte einen sehr gefassten, unaufgeregten Eindruck. Er betonte noch einmal, dass die Ergebnisse ungewöhnlich ausfallen könnten, womit er sogar rechne. Und er berief sich auf die Politiker und andere Offizielle, die die Saisonfortsetzung entschieden hätten. Es sei nach dem Konzept der DFL von der Politik so entschieden worden und würde von daher schon seine Richtigkeit haben, so Hunt, der sich selbst nicht in der Position sieht, es besser zu wissen. Deshalb wollte er sich heute im Interview auch gar nicht erst weit aus dem Fenster lehnen. Anders Neven Subotic vom 1. FC Union Berlin. Der Innenverteidiger sieht das gänzlich anders und hat erneut seine Bedenken geäußert. „Ich bin der erste, der sagt, ‚das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren‘, sollte nachgewiesen werden, dass es Krankenhäusern an Testkits fehlt, wenn wir Spieler mehrmals wöchentlich auf das Coronavirus getestet werden“, sagte der 31-Jährige. „Ich wünsche mir, dass mehr Fußballer ihr Verhalten hinterfragen und sich ihrer Rolle in der Zivilgesellschaft bewusst werden. Die Clubs haben kein Interesse daran. Es fehlt bislang ein breiter gesellschaftlicher Druck, um daran wirklich etwas zu verändern und die bisherigen Aktivitäten zu hinterfragen.“

Bundesliga diskutiert Wiederaufnahme - Hunt nicht

Auch Fortuna Düsseldorfs Sportvorstand Lutz Pfannenstiel fordert ein Umdenken in allen Bereichen des Fußballs. „Das gesamte Geschäft muss sich hinterfragen. Ein ‚Weiter so' kann und darf es nicht geben. Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit, Bodenständigkeit und vor allem Demut. Es ist wichtig, dass diese Mond-Beträge bei den Ablösen und Gehältern auf ein gesundes Normalmaß sinken. Diese Irrsinnssummen sieht die Gesellschaft zurecht kritisch. Das hat zu einer Entfremdung vom Fußball geführt.“ Pfannenstiel glaubt zwar an eine Normalisierung nach der Corona-Krise, warnt aber zugleich: „Ich hoffe, dass dies eine nachhaltige Entwicklung ist, und die Summen nicht irgendwann wieder durch die Decke schießen. Nun sind wir alle gefordert, damit der Profi-Fußball nicht wie eine Seifenblase zerplatzt, sondern künftig auf einem gesunden Fundament steht. Und da gehört eine gewisse Außendarstellung dazu“, so der 47-Jährige.

Gedanken, die beim HSV aktuell nicht aufzukommen scheinen, wenn man Hunts Einstellung stellvertretend für alle anderen gelten ließe. Hunt und Co. sind gedanklich schon auf dem Weg ins Stadion von Greuther Fürth, bei der Wiederaufnahme der Saison. „Ich hoffe, dass wir spielen“, sagt der Kapitän und betont, dass allen sehr wohl bewusst sei, dass in diesen Tagen nichts wirklich garantiert sei. Der Fall Dresden, wo gerade zwei Spieler positiv getestet wurden und deren Spiele dadurch abgesagt wurden, könnte sich wiederholen. „Es wird sicher noch den einen oder anderen Fall geben“, so Hunt, der die Dinge ansonsten eher pragmatisch angeht. Angst habe er nicht, sich anzustecken. Vielmehr müsse man den Spielern auch zugestehen, die eine oder andere Sicherheitsauflage wie beispielsweise den eingeschränkten Torjubel mal verletzen zu dürfen. „Ich stelle mir gerade vor, wie wir in der 92. Minute den 2:1-Siegtreffer zum Aufstieg schießen. Da ist es schwer. Beim Fußball sind so viele Emotionen dabei, wenn mal einer seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat, dann darf man da nicht zu streng sein.“

Aber da irrt sich Hunt. Ganz sicher. Denn die Bundesliga wird in den nächsten Wochen bei jeder Aktion ganz genau beobachtet werden. Und das zurecht, wie letztlich auch Hunt einräumt. „Wir sind Vorbilder für Deutschland und Europa“, weiß der 33-Jährige, „wir werden uns bemühen.“

 

Und das selbstverständlich auch sportlich. Immerhin geht es für den HSV noch um den Aufstieg und für ihn selbst noch immer darum, sich für einen neuen Vertrag zu empfehlen. 7,5 Einsätze fehlen ihm noch, dann würde sich sein Vertrag automatisch verlängern. Das bedeutet, dass Hunt nur noch eines der letzten neun Saisonspiele verpassen darf. Angesichts seiner Verletztenhistorie der letzten Jahre ist es allerdings durchaus als wahrscheinlich zu erachten, dass er ausfällt. Zumal die Belastung aufgrund der kurzen Zeitspanne bis Saisonende zwei Englische Wochen mit sich bringt. „Angst davor, mich zu verletzen, haben ich gar nicht. Ich mache wie gewohnt mein Programm. Unsere Physios und Trainer haben da genug Erfahrung, um das Pensum richtig zu dosieren.“ Erschwerend hinzu kommt allerdings, dass der HSV gerade erst seit vergangenem Donnerstag wieder in Wettkampfform trainieren darf. Hunt: „Es ist schon etwas anderes, allein oder in kleinen Sechsergruppen zu trainieren. Das ist nicht optimal, aber auch keine Katastrophe!.“ Es sei ja für alle Mannschaften gleichermaßen schwierig.

Hunt setzt auf HSV als besten Kader der Liga

Hunt sieht den HSV sogar im Vorteil anderen Teams gegenüber. „Wir haben noch alles in der eigenen Hand, spielen noch gegen Bielefeld, Stuttgart und Heidenheim. Und wir haben die beste Mannschaft.“ Ein letzter Satz, der mich ehrlich gesagt zusammenzucken ließ. Denn das letzte Mal, wo sich Hunt derart optimistisch geäußert hatte, ging es am Ende schief. Letzte Saison war das, wo der HSV den Aufstieg verpasste. Warum das diesmal nicht so sein wird? Hunt: „Wir hatten vor Corona einen kleinen Hänger, aber mit dem Spiel gegen Regensburg, das sicher kein Topspiel von uns war, haben wir einen kleinen Schritt tun die richtige Richtung gemacht.“ Die Pause danach habe die Möglichkeit mit sich gebracht, dass bis auf Jan Gyamerah alle Spieler wieder gesund sein. „Wir haben den besten Kader“, sagt Hunt voller Selbstvertrauen, „und dieser Kader wird sich bezahlt machen.“

Hoffen wir es. Denn diese Saison hat durch Corona auf dem Weg zum Aufstieg mehr Fragezeichen drumherum zu  beantworten, als Spiele, die es zu gewinnen gilt. Hoffen wir, dass Stuttgarts Sportchef Sven Mislintat Recht behält. Der verkündete heute den Ausfall von Innenverteidiger und Leistungsträger Maxime Awoudja (Riss der Achillessehne) und sagte zur Saison-Wiederaufnahme: „Ich glaube, dass es sogar das Gefühl bei fast der ganzen Mannschaft ist, dass man auch ein Zeichen setzen muss für die Gesellschaft. Ich glaube, wenn wir nicht rausgehen, dass es umso schwieriger wird für viele andere Menschen, die eben nicht dieses Privileg haben.“ Und so unterschiedlich die Meinungen hier auch sind, eines ist klar: Es wird weiter diskutiert werden.

In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich natürlich wie immer um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch, ehe wir am Nachmittag im Community-Talk Eure Fragen beantworten werden. Bis dahin Euch allen einen schönen Abend und bleibt gesund!

Scholle

 

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