31. Juli 2020
Was lange währt, wird endlich gut. Heißt es. Und es ist zu hoffen, dass das auch so stimmt für die Personalie, die heute beim HSV natürlich alle Schlagzeilen dominiert: Horst Hrubesch ist zurück! „Ich habe in den vergangenen Jahren in regelmäßigen Abständen Kontakt zu Horst Hrubesch gehabt und mich mit ihm auch immer über Fußball und Entwicklungspotenziale unterhalten. Er verfügt über einen enorm wertvollen Erfahrungsschatz, trifft im Umgang mit jungen Fußballern den richtigen Ton und ist zudem ein echter HSVer. Ich hielte es für fahrlässig, in Sachen Nachwuchsarbeit keinen Austausch mit ihm zu suchen“, sagt Jonas Boldt. Auf der vereinseigenen Homepage, wo auch Horst Hrubesch zitiert wird: „Ich habe in den Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass der HSV jetzt den richtigen Weg eingeschlagen hat. Es geht im Fußball nicht um kluges Reden, es geht um harte Arbeit, um Fleiß, Geduld und Überzeugung. Nur damit kann man weiterkommen“, sagt Hrubesch. Und damit hat er sicherlich Recht.
Nachdem wir her in den letzten Wochen immer weder die Nachwuchsarbeit als Thema hatten, nun also eine erste Bewegung in diesem Thema. Und was für eine! Hrubesch, der in der erfolgreichsten Vereinszeit von 1978 bis 1983 beim HSV spielte und in 159 Spielen 96 Tore erzielte, gab Boldt die Zusage, weil er überzeugt vom neuen Weg ist. Das klingt fast besser, als man es sich hätte wünschen können. Zumal, wenn man weiß, wie weit Hrubesch nach den Gesprächen mit den vorigen Vereinsführungen vom HSV entfernt war. Damals schon gab es immer wieder Gespräche zwischen dem HSV und dem Kopfballspezialisten, der als Nachwuchstrainer des DFB Jahr für Jahr für Aufsehen sorgte. Und egal, wen man von seinen ehemaligen Schützlingen fragte: Alle, wirklich alle waren voll des Lobes für Hrubeschs Art, Mannschaften zu führen und Spieler zu entwickeln.
Was Herman Gerland für alle Bayern-Nachwuchsspieler war, ist Horst Hrubesch für die größten Talente auf DFB-Ebene. Beim HSV soll der Nachwuchs-Direktor der HSV-Jugend neuen Schliff verleihen. Und passend zum Einstieg des einstigen Weltklassestürmers kommt der Ratschlag eines ehemaligen Weltklassemittelfeldspielers: „Es ist jetzt wirklich wichtig, dass die jungen Spieler ihre Chancen bekommen“, fordert Rafael van der Vaart gegenüber 90min.de in einem Videointerview. „Die Akademie steht, Hamburg ist eine große Stadt, mit vielen Talenten und viel Potential. Es geht nicht darum, teure Spieler einzukaufen, die dir am Ende doch nicht weiterhelfen. Das Geld sollte man lieber sparen und stattdessen dem eigenen Nachwuchs eine Chance geben.“ Zumal jetzt mit Horst Hrubesch am Ruder.
Dass der Mann, der mich mit seinen Toren in Hamburg unsterblich (köpfte) machte, jetzt wieder da ist, ist ein guter Anfang. Hrubesch bringt das Pathos mit, den man ansonsten von keiner der Führungspersonen beim HSV erwarten kann. Oder glaubt irgendwer, dass der in Osnabrück aufgewachsene neue Trainer den HSV in irgendeiner Form vor seinem Engagement hier im Herzen trug? Oder Sportdirektor Michael Mutzel, der im bayerischen Memmingen aufgewachsen ist? Oder Sportvorstand Jonas Boldt, der 1982 in Nürnberg geboren wurde? Nein – und das kann man auch gar nicht erwarten. Erwarten kann man von all diesen Funktionären nur, dass sie ihren Job beim HSV so gewissenhaft und gut wie möglich machen.
Ebenso wie natürlich auch von Horst Hrubesch – mit einem gravierenden Unterschied: Hrubesch hat den HSV als Spieler intensiver erlebt, als die allermeisten anderen. Er machte in Hamburg den großen Sprung zum Europapokalsieger, zum Deutschen Meister, in die Nationalmannschaft und zu EM-Titel. Kurzum: Hrubeschs Karriere basiert auf dem HSV alter Tage. Und wer Hrubesch ein wenig kennt, der weiß, dass sich das in ihm festgesetzt hat. Hrubesch ist ein ehrlicher, geradliniger Mensch, der den HSV so verinnerlicht hat, dass er bei seinen Handlungen immer auch moralisch an „seinen HSV“ denkt.
Und das allein ist ein Maß an Identifikation mit dem HSV, die er fast allen hier voraushat. Vor allem aber ist Hrubesch ein geradliniger Mensch, der es nie nötig hatte, sich in den Vordergrund zu spielen. Er schaffte es dennoch – mit Leistung. Und mit Charakter. Zumindest gibt es aktuell nur zwei Nachwuchstrainer, über die ich von bislang noch allen ehemaligen Talenten ausschließlich lobende Worte gehört habe: Bayern Münchens Hermann Gerland - und Horst Hrubesch.
Am besten charakterisiert wohl die Beschreibung des heutigen Bayern-Keepers Manuel Neuer den Menschen Hrubesch. Neuer sagte der „Welt“ einmal: „Der Trainer ist wie ein Freund. Er hat uns angeschnauzt und sofort wieder aus dem Dreck gezogen. So habe ich das noch nie erlebt.“ Matthias Sammer lobt im selben Artikel den Europameister von 1980, der im EM-Endspiel von Rom (2:1 gegen Belgien) seine ersten beiden Länderspieltore erzielte, als „Vaterfigur, die Orientierung für die jungen Spieler schafft. Er ist ehrlich, authentisch und sehr erfolgsorientiert. Man glaubt und vertraut ihm. Er ist einfach ein Typ.“
Hrubesch hat Talente zu Stars geformt und ihnen auf dem Weg gezeigt, dass man sich selbst nie zu wichtig nehmen sollte. Und das alles, indem er einfach war, wie er immer schon war. Ein Beispiel: Als er mit der U21 in Schweden den EM-Titel holte, wollte er den Spielern nicht die Show stehlen, sondern eben sie und ihre Leistungen gewürdigt sehen. Zum Bankett in Malmö erschien er damals im Flanellhemd und Turnschuhen. Die Bühne gehörte seiner Auffassung nach den Spielern. Sein größtes Kompliment war denn auch, dass selbst Spieler, die in Schweden weniger Einsatzzeit hatten als erhofft, nur gut über Hrubesch sprachen. Oder anders formuliert_ Hrubesch war immer ein Freund der Spieler. Er schaffte es, Nähe und Leistungsanspruch perfekt zu kombinieren.
Und genau darauf hoffen beim HSV jetzt auch alle. Hrubesch startet hier mit viel Vorschuss. Wenn ich die Reaktionen im Netz und auch meine ersten Gedanken summiere, lastet hier fast schon ein riesiger Berg von Hoffnung auf dem bald 70-Jährigen. Umso wichtiger wird sein, dass Hrubesch hier in Hamburg die Zeit bekommt, sein Nachwuchskonzept nicht nur zu entwickeln, sondern es hier auch so stabil zu verankern, dass es unabhängig von seiner Person funktioniert. Wobei ich es sehr wohl als großen Vorteil sehen würde, wenn möglichst viel vom Hrubesch-Habitus in diesen HSV einfließt – und bleibt. Auf jeden Fall ist Sportvorstand Boldt mit der Verpflichtung Hrubesch ein echter Coup gelungen, der zu keinem Zeitpunkt besser hätte reinpassen können, als zu dem Neuanfang, bei dem der gesamte HSV auf die Entwicklung eigener Talente nicht mehr nur setzen will – sondern schon aus wirtschaftlicher Sicht setzen muss.
Auf jeden Fall aber ist diese Verpflichtung für mich allemal Argument genug, hier nur auf dieses eine Thema einzugehen. Ich freue mich über diesen Transfer!
Bis morgen! Da meldet sich an dieser Stelle Gastautor Andreas Kitzing mit seinem Vermarktungscheck bei Euch. Ich bin morgen Nachmittag meinerseits als Gast in der neuen „Tier-List“ dabei. Thema diesmal: Die HSV-Trainer der letzten 20 Jahre im Check! Zudem werde ich Euch am Sonntag vor dem Trainingsstar noch einmal auf den aktuellsten Stand bringen.
Bis dahin!
Scholle