Marcus Scholz

29. März 2020

Als Bernd Hoffmann im Februar 2018 mit knappen 12 Stimmen Vorsprung gegenüber seinem Vorgänger Jens Meier zum neuen Präsidenten des HSV e.V. gewählt worden war, betonte der polarisierende Funktionär, dass es ihm nicht darum ginge, das Amt des Vorstandsvorsitzenden einzunehmen. Hinter vorgehaltener Hand war schon im harten Wahlkampf zuvor immer wieder gewarnt worden, dass Hoffmann nichts anderes als das im Schilde führe. Und letztlich dauerte es keinen klang, bis Hoffmann mit seinem damaligen wie heutigen vertrauten Max Arnold Köttgen im Büro von Vorstandsboss Heribert Bruchhagen auftauchte und diesen freistellte. „Bernd Hoffmann hatte einen Masterplan. Er wollte unbedingt zurückkehren und hat das dann sehr geschickt gemacht. Das war alles vorhersehbar, und es war auch immer klar: Wenn Bernd Hoffmann diesen Job haben will, dann kriegt er ihn auch“, hatte Bruchhagen seinerzeit gesagt - und das vor kurzem noch einmal wiederholt. Und nicht nur hier bekommen viele das Gefühl eines Déja-vus, wenn sie sich die letzten Tage anschauen.

Denn auch heute, am Tag nach der Entlassung des von Beginn an umstrittenen Hoffmann, werden die nächsten Schreckensszenarien gespielt. Bis zur Freistellung Hoffmanns waren sie noch dafür gedacht, den Leuten klar zu machen, dass Hoffmanns resolute Art den HSV vor der alten-neuen Gefahr Klaus Michael Kühne bewahren könne. „KSV“ statt HSV heißt es hier und da. Zudem sei Jansen, der zusammen mit den Vorständen Jonas Boldt und vor allem Frank Wettstein als Königsmörder hingestellt wird, seinerseits nur auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden aus, um dort den Weg für Kühne freizuräumen. „Alles Quatsch“, sagte Jansen zuletzt wiederholt. Er fühle sich auf seinem Posten als Präsident sehr wohl und habe das Gefühl, dem HSV von dort aus am besten helfen zu können. Aber genau das hatte auch Bernd Hoffmann gesagt. Heute vor knapp zwei Jahren.

Populismus hat beim HSV zu oft funktioniert

Den Unterschied zwischen populistischen Parolen und dem wahrhaften Vorhaben der Protagonisten zu erkennen hat sich beim HSV in den letzten Jahren zu einer Kernfrage entwickelt. Vertrauensverhältnisse haben eine kaum messbare Halbwertszeiten, was sich in den ständigen Personalwechseln widerspiegelt. Selbst jetzt, wo viele glauben, die Ursache des Misstrauensgefühls im HSV mit der Freistellung Hoffmanns abgestellt zu haben, bauen sich neue Fronten auf. Diesmal noch komplett im Konjunktiv für mutiert - aber mit einem Gesicht versehen: Klaus Michael Kühne. Sein Wunsch nach mehr Einflussnahme beim soll die Motivation für alles sein, w as sich in den letzten tagen und Wochen rund um den Vorstandsstreit abgespielt hat. Eine These, die sowohl Boldt als auch Wettstein als so absurd erachten, dass sie sich dazu erst gar nicht äußern wollen.

 

Stattdessen wurden und werden immer mehr fiese Geschichten bekannt, an denen Hoffmann letztlich gescheitert sein soll. Neben dem Transfer von Douglas Santos, bei dem sich Hoffmann unabgesprochen in Boldts Verantwortungsbereich eingemischt haben soll, wird von Indiskretionen und Vertrauensbrüchen gesprochen. Zuletzt soll sich der scheidende Vorstandsboss sogar mittels Versprechen bei Kollegen von mir positive Darstellungen eingeworben haben. Aber das nur am Rande, denn von derlei Geschichten gibt es viele - und davon wird es in den nächsten Tagen hier und da sicher noch eine ganze Menge mehr geben. Aber nicht hier. Denn Fakt ist, dass dieser HSV nur dann den Hauch von Hoffnung auf Besserung hat, wenn er sich neu konstituiert und aufhört, die Vergangenheit wichtiger zu nehmen als die Gegenwart.

Zumal im Aufsichtsrat die letzten Hoffmann-Befürworter Max Arnold Köttgen und Thomas Schulz gestern konsequenterweise zurückgetreten waren, nachdem ihre Stimmen die einzigen pro Hoffmann waren. Mit 5:2 Stimmen wurde Hoffmann abbestellt - und aus den sieben Kontrolleuren bleiben nur noch die fünf übrig, die gegen Hoffmann gestimmt hatten. Köttgen selbst hatte seinen Ratskollegen zuvor angekündigt, dass er die Entscheidung einer Vorstandsentlassung inmitten der Coronakrise weder verantworten noch befürworten könne. Sein Rücktritt war entsprechend konsequent und wird von den Kollegen wie vom verbliebenen Vorstand bedauert. Dennoch hat man sich auch hier schnell umgestellt, indem Marcell Jansen zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden bestimmt wurde - und damit der Kühne-Masterplan neu befeuert wurde. Hintergrund: Kühne und Jansen sowie Kühne und der neue Interims-HSV-Boss Frank Wettstein gelten als Vertraute des Schweizer Milliardärs.

Mit anderen Worten: Auch jetzt geht der HSV in seiner Führung vorbelastet in die Zeit nach Hoffmann. Ein echter Neuanfang geht anders…

Morgen wird sich Marcell Jansen das erste Mal als Aufsichtsratsboss äußern. Dabei wird es ganz sicher auch Fragen zu seinem Verhältnis zu Klaus Michael Kühne geben. Der ließ heute auf BILD-Nachfrage mitteilen, dass er die Entwicklungen beim HSV sehr begrüße, wollte sich aber nicht weiter äußern. Das wiederum wird Jansen morgen machen. Zudem wird es auch darum gehen, wer den Vorstand in Zukunft führt. Angedacht ist eine interimsweise Doppelspitze Wettstein/Boldt, wobei noch offen ist, ob es zudem einen aufrückenden Vorstand Marketing gibt. Möglich auch, dass die Geschicke vorerst in die Hände eines Geschäftsführers gelegt werden.

Ich werde mir parallel in den nächsten Tagen einmal versuchen, einen Überblick über funktionierende Vereins- bzw. Fußball-AG-Strukturen zu verschaffen. Vielleicht gibt es da ja noch den einen oder anderen Hinweis darauf, wie der nimmerruhige HSV irgendwann doch noch in konstruktive Fahrwasser geraten kann.

In diesem Sinne, bis morgen. Habt alle einen schönen Sonntag - und vor allem: Bleibt gesund!

Scholle

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