Marcus Scholz

13. Februar 2018

Nach einigen Wochen des Abtastens und Abwartens – zumindest, was die Öffentlichkeit betrifft – gehen die beiden Präsidentschaftskandidaten jetzt den harten Weg. Sie schaukeln sich via Zeitungsinterviews hoch. Meist beginnen die Sätze mit, „Mir liegt es fern, etwas über meinen Gegenkandidaten zu sagen“, und wird dann doch ergänzt mit, „aber trotzdem kann ich sagen, dass....“. So geschehen im Abendblatt per Interview – erst Bernd Hoffmann und dann an selber Stelle Jens Meier. Das Gleiche in der BILD und im TV. Auch wir hatten den beiden Protagonisten Termine vorgeschlagen, um sie zu interviewen – allerdings gemeinsam. Beide sollten im selben Moment dieselben Fragen beantworten können. Eine Art Präsidentschaftsdebatte live. Leider hatte nur einer der beiden Kandidaten zugestimmt, von daher werden auch wir hier separat mit den beiden sprechen, ihnen die gleichen Fragen stellen und diese Gespräche dann veröffentlichen. Aber Fakt ist: Friedlich und ruhig ist der Kampf ums Amt des e.V.-Präsidenten nicht mehr – und er wird es auch nicht mehr.

Eskalationsstufe eins ist gezündet

Allein, in der Sache inhaltlicher geworden ist dieser Wahlkampf auch noch nicht. Insofern ist das alles, was gerade passiert, noch nichts anderes als unproduktives, politisches Geschachere zum ungünstigsten Zeitpunkt und zulasten des Fußballs. Die Fragen, die sich mir stellen, sind: Wann werden die Kandidaten etwas zu ihren Inhalten sagen? Wann präsentieren sie mehr Lösungsansätze als gegenseitige Vorwürfe? Und wann werden Allianzen erkennbar, die den Wähler überzeugen sollen? Also: Zu wem steht Klaus Michael Kühne zum Beispiel? Gesagt hatte der Milliardär, dass er sich eine stärkere Führung und entsprechend Wechsel wünsche – allerdings galt das eher Vorstandsboss Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt, denn dem noch amtierenden Präsidenten Jens Meier, wie zu hören ist. Im Laufe der Woche soll sich Kühne auch noch mal zu Wort melden, wie ich gehört habe. Und es wäre spannend mitzubekommen, wie sich der HSV-Investor und Anteilseigner positioniert – wen er es denn wirklich macht...

Dennoch, so spannend dieses Thema auch ist und bleibt, es lenkt in einer Phase vom Fußball ab, wo dieser eigentlich mehr denn je der Beachtung aller Fans und Befürworter bedarf. Gerade einmal 42.000 Tickets sind bislang für das Spiel gegen Bayer am Sonnabend verkauft. Es droht nach Frankfurt das am schlechtesten besuchte Heimspiel zu werden. Dabei stehen die HSV-Profis nach dem fünften sieglosen Spiel der Rückrunde mit dem Rücken zur Wand. Spieler appellierten am vergangenen Wochenende öffentlich an sich und alle Fans – nahezu ungehört. Verdientermaßen, okay. Aber insgesamt geht einfach unter, was sich derzeit auf dem Platz abspielt, weil die Personalien Meier und Hoffmann zu sehr polarisieren. Dabei ist inzwischen wohl nahezu jedes Spiel wichtiger, als die Frage nach dem nächsten Präsidenten in dieser Situation sein dürfte.

Und (nicht nur) das macht mir ernsthaft Sorgen. Denn das Fatale daran ist und bleibt, dass es mit egal welchem Wahlsieger nicht sofort besser werden wird. Dafür aber werden auf dem Weg bis zur Wahl wichtige Prozentpunkte noch wichtigerer Aufmerksamkeit vergeudet, die die Mannschaft am allerdringendsten braucht. Und so typisch das für den HSV auch ist – es war vorhersehbar.

 

Selbst ich habe jetzt wieder knapp 100 Zeilen damit verbraten, aufzuschreiben, was ob des Wahlkampfes alles nicht läuft, anstatt mich am Fußball zu orientieren. Denn dort passiert auch immer wieder etwas. Heute nahm sich Trainer Bernd Hollerbach seine Mannschaft am Vormittag zur Brust und ließ sie nach einem ordentlichen Aufwärmprogramm sowie lauf- und zweikampfintensiven Spielformen zum Abschluss noch mal Sprinten. Ein zwei Stunden langes, hartes Programm á la Hollerbach, wie es seinen Mentor sicher stolz machen würde. Zumal am Nachmittag noch eine Einheit angesetzt war, an der Albin Ekdal (Sprunggelenk) sowie Luca Waldschmidt (Ferse) ebenso wie am Vormittag auch fehlten.

Dafür war Lewis Holtby nach überstandener Grippe wieder mit im Mannschaftstraining. Ebenso wie die Youngster Stephan Ambrosius und der vom HSV mit einem Fünfjahres-Vertragsangebot umworbene Josha Vagnoman. Der Außenverteidiger und U17-Nationalspieler wird das HSV-Angebot so allerdings nicht annehmen, wie zu hören ist. Denn während bei Arp von Millionen als Jahresgehalt die Rede ist, soll Vagnoman per annum bei weniger als 100.000 Euro liegen. Eine Zahl, die grundsätzlich nach viel Geld für jemanden klingt, der noch nie Bundesliga gespielt hat. Andererseits ist diese Summe für andere Vereine ganz leicht zu überbieten. Beispiel: In Leipzig kassieren schon jetzt verschiedene Jugendspieler mehr als Vagnoman im Falle seiner Unterschrift unter den vorliegenden Profivertrag...

Nein, Johannes Spors, der neue Scoutingchef, wird hier sicher mit seinem Knowhow aus Leipziger Zeiten helfen können und dem HSV aufzeigen, was heute schon bezahlt wird für Spieler der Kategorie Vagnoman. Ob der HSV diesen finanziellen Kraftakt dann mitgehen kann, steht auf einem anderen Blatt. Allerdings hoffe ich, dass der HSV hier nicht den Fehler macht, bei einem Toptalent 100.000 Euro zu sparen, während oben weiter Millionen verbrannt werden. Soll heißen:

Bitte steckt das wenige Geld, das ihr noch habt, in den Nachwuchs und setzt darauf, über teure Verkäufe daraus ein Geschäftsmodell zu machen. Eine andere Wahl, endlich ohne Fremdfinanzierung wieder handlungsfähig und vor allem sportlich konkurrenzfähig zu werden, habt ihr nicht, liebe HSV-Verantwortliche!

Aber auch hier wiederhole ich mich nur. Und da das nicht nur mich nervt und es heute leider sehr spät geworden ist, lasse ich das an dieser Stelle. Morgen wird um 15 Uhr trainiert, anschließend melde ich mich bei Euch. Sicher nicht ohne Wahlkampf – aber das lässt sich in den letzten tagen vor dieser Wahl auch nicht mehr vermeiden. Apropos, anbei ein Podcast der Supporters mit Bernd Hoffmann und Jens Meier – natürlich getrennt voneinander befragt...

Der Podcast der HSV-Supporters mit Meier und Hoffmann – klickt hier!

 

Viel Spaß dabei und bis morgen.

Scholle

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