Tobias Escher

22. Dezember 2019

So richtig in die Spur findet der Hamburger SV derzeit nicht. Trainer Dieter Hecking ändert und ändert seine Startaufstellung; doch keine Variante bringt die gewünschten Ergebnisse. Auch beim 2:2 gegen den SV Darmstadt veränderte Hecking sein System. Manches funktionierte, manches nicht; ein Sinnbild einer wechselhaften HSV-Hinrunde.

Nachdem Adrian Fein und Sonny Kittel beim 1:1 in Sandhausen zunächst auf der Bank Platz nehmen mussten, kehrten die beiden Kreativspieler gegen Darmstadt in die Startaufstellung zurück. Gideon Jung behielt jedoch seinen Platz im zentralen Mittelfeld. Das hatte eine veränderte Systematik im Mittelfeld zur Folge: Jung agierte als nominell tiefster Sechser vor der Abwehr; eine Position, die normalerweise Fein innehat. Der Leihspieler von Bayern München rückte eine Linie weiter nach vorne, während Sonny Kittel im halblinken Raum den Zehner gab.

Auch die Besetzung der Außenstürmer-Positionen überraschte: In den ersten Minuten schien es noch so, als würde Martin Harnik wie gewohnt von der Rechtsaußen-Position vor das Tor starten. Früh tauschte er jedoch die Seiten mit Bakary Jatta. Harnik agierte fortan als eingerückter Linksaußen. Der HSV sah die Schwachstelle der Darmstädter offensichtlich auf deren linker Seite. Rechtsverteidiger Khaled Narey, Jatta und der häufig nach rechts rückende Lukas Hinterseer sollten diese Schwachstelle attackieren, im Anschluss sollte der Ball in den Strafraum geflankt werden. Und tatsächlich: Nach solch einem Angriff fiel das frühe 1:0 (18.).

Starkes Pressing, etwas schwächeres Ballbesitzspiel

Auch ansonsten war die Anfangsphase des HSV rundum gelungen. Sie dominierten die erste halbe Stunde. Das lag maßgeblich am starken Pressing: Der HSV wechselte zwischen aggressivem 4-4-2 und 4-3-3, je nachdem, wie tief Darmstadts Sechser sich zurückfallen ließen. Diese fanden mit ihrem recht konservativen 4-2-3-1-System keine Antwort auf das hohe Pressing der Hamburger. Ihnen blieb meist nur der hohe Ball, wenn der HSV die Anspielstationen im Mittelfeld mannorientiert zustellte.

Taktische Aufstellung Darmstadt - HSV

 

Etwas weniger zielstrebig war das Hamburger Spiel mit dem Ball. In dieser Disziplin war es ausgerechnet das auf dem Papier recht spielstarke Mittelfeld, das abfiel. Fein ließ sich von seiner Achter-Position häufig tief fallen. Dadurch dass Jung aber ebenfalls tief agierte, war die Struktur der Hamburger zu stark nach hinten gerichtet. Es fehlte an Verbindungen zwischen Abwehrkette und Offensive. Bekam Fein den Ball wiederum in höheren Zonen, verschleppte er häufig das Tempo. Seine charakteristischen Dribblings, bei denen er den Ball lange hält und damit Gegner auf sich zieht, funktionieren auf der Sechser-Position effektiver als auf der Achter-Position.

Es entstand eine etwas abgehackte Partie. Beide Teams hatten Probleme, sich am Pressing des Gegners vorbei zu kombinieren. Die Hamburger scheiterten an Darmstadts kompaktem Mittelfeldblock, während die Darmstädter gegen Hamburgs hohes Pressing nur den langen Ball als Antwort hatten. Das Problem für die Hamburger: Exakt einmal ging Darmstadts Strategie auf. Der Ausgleichstreffer durch Serdar Dursun (32.) entstand nach einem langen Ball aus der Abwehr. Der HSV hatte es verpasst, in dieser Situation Druck auszuüben – sowohl vor dem langen Ball als auch vor der Flanke. Jatta konnte vor der Pause nach einem Standard jedoch den HSV wieder in Führung bringen (45.)

Keine echte Dominanz

Nach der Pause änderte sich taktisch zunächst wenig. Jatta und Harnik tauschten etwas häufiger die Positionen. Darmstadt versuchte weiterhin, über hohe Bälle ins Spiel zurückzufinden. Der HSV wiederum ließ im Pressing nun den Biss vermissen, der sie vor der Pause auszeichnete. Die Spieler zogen sich immer häufiger in einem passiven 4-4-1-1 in die eigene Hälfte zurück. Das wiederum gab den Darmstädter Spielern Zeit, lange Bälle vorzubereiten und auszuführen. Gerade Dario Dumic überzeugte in dieser Disziplin: elf seiner 17 Pässe kamen bei einem Mitspieler an.

Nach dem Ausgleich durch Dursun (58.) waren es nun die Darmstädter, die sich zurückziehen und dem Gegner das Spiel überlassen konnten. Hecking versuchte, über Wechsel seine Mannschaft ins Spiel zurückzubringen. Jeremy Dudziak war bereits vor dem Ausgleichstreffer für Harnik gekommen (57.). Dudziak ging ins Mittelfeld, Kittel wechselte nach Linksaußen. In der 87. Minute wiederum kam Jairo Samperio für Kittel ins Spiel.

Doch es blieb dabei: Das Passspiel des HSV war an diesem Nachmittag zu ungenau, die Struktur zu gestreckt, um erfolgsstabil hinter Darmstadts Abwehr zu gelangen. Wäre der Treffer durch Rick van Drongelen (76.) nicht aberkannt worden, hätte der HSV mit einem Erfolgserlebnis die Hinrunde beenden können.

 

So aber verkam das Spiel zu einem Sinnbild der Hinrunde: Nach einer druckvollen und dominanten Anfangsphase konnte der HSV das Niveau nicht halten. Nie konnten sich die Hamburger wirklich absetzen vom Gegner, zu selten aus der Dominanz Torchancen kreieren – und die Torchancen, die sie hatten, vergaben sie.

Für Trainer Hecking kommt die Winterpause zum richtigen Zeitpunkt. Seine zahlreichen personellen wie taktischen Experimente der vergangenen Wochen zeigen, wie sehr er auf der Suche nach der richtigen Linie ist. Vielleicht kommt er aus der Winterpause mit neuen Ideen, die etwas besser zünden als zuletzt.

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