Marcus Scholz

12. August 2018

Trainer Christian Titz war sichtlich erleichtert. Nach der bitteren 0:3-Pleite gegen Kiel, die eine überhöhte Diskussion um sein Spielsystem nach sich zog und an den wahren Fehlerquellen vorbeiging, schaffte es seine Mannschaft heute deutlich besser, die neuen Umstände der Zweiten Liga anzunehmen. „Wir haben das Spiel mit viel Ballbesitz und gutem Körpereinsatz dominiert. Das frühe Tor hat uns auch geholfen reinzukommen“, freute sich Doppeltorschütze Khaled Narey, der in der 7. und der 59. Minute jeweils nach Torwartfehlern von Sandhausens Keeper Schuhen traf. Den Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0 beim 3:0-Auswärtssieg steuerte Rick van Drongelen per Kopf bei (30.).

Wobei man angesichts der gut 4000 Fans in dem mit 14.805 Zuschauern ausverkauften Hardtwaldstadion nie das Gefühl hatte, es sei ein echtes Auswärtsspiel. „Die Fans haben uns klasse unterstützt. Es war wie ein kleines Heimspiel“, freute sich Narey im Anschluss. Denn der HSV begann heute auch wie zuletzt gegen Kiel daheim. Offensiv, mit Pollersbeck als mitspielenden Keeper – aber mit einem ganz wesentlichen Unterschied. Nein, ehrlich gesagt waren es sogar zwei ganz wesentliche Unterschiede zum Kiel-Spiel. Erstens: Wenn man unter Druck geriet, wurde der Ball tatsächlich lang geschlagen anstatt ihn krampfhaft halten zu wollen und ihn so zu verlieren. Auch dadurch ergaben sich potenziell gefährliche Szenen und die Umstände (trockener, hoher Rasen) wurden angenommen. Und zweitens: Man traf endlich auch. Narey war es, der in der siebten Minute Vereinsgeschichte schrieb. Nach einer Pressingaktion des HSV wusste sich Sandhausens Keeper Schuhen nicht anders zu helfen, als mit einem Befreiungsschlag, der bei Narey landet. Narey selbst zieht sofort das Tempo an, lässt Zhirov stehen und tunnelt Schuhen dann auch noch aus spitzem Winkel. Das erste Zweitligator der Vereinsgeschichte und das 1:0 in der 7. Minute.

Und dieser Start, den man sich gegen Kiel gewünscht hatte (und der zweifelsfrei möglich war), gab dem HSV Sicheerheit. Keine fünf Minuten nach dem Führungstor dann der nächste HSV-Treffer – allerdings aus Abseitsposition. Douglas Santos, zu dem es neue Gerüchte um einen Wechsel zum FC Schalke 04 gibt, flankte aus dem Halbfeld und fand Lasogga, der den Ball schön aus 13 Metern per Kopf ins Tor verlängerte. Sah richtig schön aus – war aber tatsächlich deutlich Abseits.

Dennoch, trotz des guten Starts schlichen sich beim HSV immer noch zu viele einfache und leicht vermeidbare Fehler ein. Mit zwei Hauptdarstellern in der ersten Hälfte: Julian Pollersbeck und Gotoku Sakai. Wobei man bei Pollersbeck dazusagen muss, dass er das, was er aufs Tor bekam, super parierte. Allerdings leitet er diese Torchancen oft auch mit ungenauen Pässen selbst ein. In der 14. Minute musste er nicht eingreifen, als Gislason aus 18 Metern vorbeischoss, in der 17. Minute nur bedingt, als Sandhausens Müller plötzlich völlig frei aus acht Metern zum Schuss kam. Sakai hatte komplett gepennt und Müller ziehen lassen, der den Ball aber kaum traf. Kein Problem für Pollersbeck.

Ansonsten stimmte schon einiges. Im Mittelfeld agierte Mangala unauffällig aber stabilisierend, während der sehr starke Janjicic das Offensivspiel immer wieder effektiv ankurbelte und der ebenfalls sehr gute Douglas Santos in der 24. Minute mit einem Traumpass Lasogga freispielte, der mit links aus 14 Metern an Schuhen scheiterte. Santos war es auch, der mit seiner Freistoß-Hereingabe das 2:0 vorbereitete. Narey hatte sich den Ball stark erkämpft, war gefoult worden, und den Freistoß von der linken Seite trat Santos so genau, dass Rick van Drongelen den Ball schön per Kopf (siehe Foto) zum 2:0 verwerten konnte.

Der HSV hatte das Spiel bis hierhin – und auch danach - tatsächlich weitgehend im Griff. Umso erstaunlicher war für mich, weshalb man sich selbst in Schwierigkeiten brachte. So geschehen in der 39. Minute, als die beiden „Zitterfüße“ eine Sandhausen-Chance einleiteten. Zuerst spielte Pollersbeck einen „Schweinepass“ halbhoch auf den an der Seitenlinie stehenden und attackierten Sakai, der den Ball auch prompt verlor (wie zuvor schon häufiger, weil er zu langsam schaltete). In letzter Instanz war es dann SVS-Spieler Behrens, der aus 18 Metern abzog und Pollersbeck zu einer Glanzparade zwang (39.). Da der HSV-Keeper auf der Linie fehlerfrei blieb, blieb es auch beim 2:0 für den HSV zur Halbzeit.

Ohne zu wechseln kam der HSV aus der Halbzeitpause. Und er machte so weiter wie in der ersten Halbzeit. Ballbesitz, viele kurze Pässe – und zur Not eben auch mal lang. Eben so, wie man es machen muss in der Zweiten Liga. Dass man 14 Minuten lang warten musste, bis das 3:0 fiel, das nahmen alle Beteiligten ebenso gern hin wie das Zustandekommen. Denn es war wieder einmal SVS-Keeper Schuhen, der den unfreiwilligen Assist gab. Und das wieder aus einer Pressingsituation, in der Schuhen den Ball von der rechten Sechzehnmeterkante quer in den 16er passte – an seinem Mitspieler vorbei und direkt in die Füße des Matchwinners Khaled Narey, der problemlos aus 16 Metern ins leere Tor einschieben konnte (59.). Das 3:0 für den HSV, das auch nicht mehr in Gefahr geriet. Obgleich Lasogga als Aushilfsverteidiger mit einem Katastrophen-Querpass noch mal Sandhausens Behrens freispielte. Doch dieser verzog freistehend deutlich (63.).

Und nachdem auch ein neuerlicher Fehlpass von Pollersbeck  vom SVS nicht konsequent genutzt werden konnte (65.) war klar, dass hier nicht mehr viel schiefgehen könnte. Titz wechselte die vergleichsweise schwachen Samperio Jairo und Sakai gegen Ito und den Premiere feiernden Josha Vagnoman aus (74.), später (81.) kam noch Christoph Moritz für Mangala. Viel passierte aber nicht mehr. Stattdessen ließen es die HSV-Akteure in dem ausverkauften Hardtwaldstadion es bei 32 Grad Celsius entspannt ausklingen. Manchmal, wie in der 85. Minute auch etwas zu entspannt. Allerdings war am Ende immer noch ein HSVer dazwischen. Und deshalb feierte der HSV am Ende mit diesem ungefährdeten, souveränen 3:0-Auswärtssieg seinen ersten Zweitligasieg der Vereinsgeschichte.

Kurzes (Zwischen-)Fazit: Der „Hammer auf den Kopf“ vom vergangenen Freitag hat Wirkung gezeigt. Die HSV-Spieler haben die Niederlage offenbar verstanden und richtig gedeutet. Zumindest wurden die richtigen Lehren gezogen und ein Ball auch mal lang geschlagen, wenn man unter Druck geriet. Im Mittelfeldzentrum hat Janjicic nach dem schwachen Spiel gegen Kiel heute seine Chance so eindrucksvoll genutzt wie Narey seine Torchancen. Sakai und Samperio agierten schwach, ebenso Pollersbeck im Aufbauspiel. Pierre Michel Lasogga war fleißig, aber ohne große Wirkung, während David Bates hinten neben dem guten Rick van Drongelen deutlich verbessert war. Kurzum: Der HSV ist nach der harten Landung gegen Kiel endlich auch mal einen (Zeitliga)Schritt nach vorn gekommen. Einen kleinen, aber wichtigen.

Und wie nach dem 0:3 vor einer Woche sage ich auch heute, dass man dieses Ergebnis nicht überbewerten darf. Heute im Zustandekommen ebenso glücklich wie vor einer Woche unglücklich – aber am Ende ebenso verdient, wie die Niederlage vor einer Woche. Es kann und darf daher heute nur darum gehen, das Spiel genau zu analysieren und weitere Fehlerquellen abzustellen, sowie die positiven Aspekte herauszufiltern und auszubauen. Denn wie oben schon beschrieben, hat sich der HSV heute der richtigen Balance aus spielerischer Überlegenheit und robusten, kompromisslosen Spiel zumindest deutlich angenähert.

Apropos: Der FC Schalke hat heute seinen Spieler Kehrer für 37 Millionen Euro an Paris Saint Germain verkauft und wieder für die Position links hinten sucht. Dort hatte Schalke zuletzt Interesse an einem Leihgeschäft von Santos signalisiert, inzwischen könnte man den Brasilianer auch mit einem Teil der Kehrer-Einnahmen kaufen. Gut möglich, dass hier in den nächsten Tagen noch einmal Bewegung reinkommt. Zumindest würde ich an Stelle des Schalke-Managers Heidel noch mal beim HSV anklopfen...

In diesem Sinne, heute kurz über den Sieg freuen, morgen geht’s normal weiter. Die Vorbereitung auf das Pokalspiel am kommenden Sonnabend um 18.30 Uhr gegen den TuS Erndtebrück steht an, ehe es am Montag (27.8.) im Volksparkstadion gegen Arminia Bielefeld geht. Wobei, bevor ich mich erst einmal abmelde, noch eine positive Meldung von der U21, die heute mit 2:0 gegen den VfL Oldenburg gewann. Doppelter Torschütze: Fiete Arp. Läuft heute...

****...außer bei Filip Kostic, der offenbar seinen Einsatz in Sandhausen boykottiert hat. Zumindest berichten das meine Kollegen vom Abendblatt, denen Sportvorstand Ralf Becker folgendes sagte: „Wir hätten Filip sehr gerne mitgenommen, aber er hat uns gesagt, dass er andere Pläne hat“, sagte Sportvorstand Ralf Becker, der auf Nachfrage etwas deutlicher wurde: „Wir können nur diejenigen mitnehmen, die für den HSV Gas geben wollen. Filip sagte uns, dass das für ihn gerade nicht möglich ist. Das macht dann für uns aber keinen Sinn.“ *****

Scholle

Das Spiel im Stenogramm:

SV Sandhausen: Schuhen - Klingmann (54. Gipson), Kister, Müller (46. Karl), Zhirov, Paqarada - Behrens, Kulovits, Linsmayer, Müller - Gislason (75. Gouaida) - Schleusener

HSV: Pollersbeck - Sakai (73. Vagnoman), Bates, van Drongelen, Santos -  Janjicic - Narey, Holtby, Mangala (82. Moritz), Jairo (73. Ito) - Lasogga

Tore: 0:1 Narey (7.), 0:2 van Drongelen (30.), 0:3 Narey (59.) Zuschauer: 14.508 (ausverkauft) Schiedsrichter: Tobias Welz (Wiesbaden) Gelbe Karten: Müller (26.), Kister (29.), Janjicic (38.)

STIMMEN ZUM SPIEL:

Rick van Drongelen: Ein Tor zu schießen, ist das beste Gefühl der Welt. Ich hab es erst gar nicht geglaubt. Mein Jubel galt unserem Physiotherapeuten Andreas Thum, zu dem ich direkt gerannt bin. Er hilft mir immer ganz besonders und ist zu jeder Zeit für mich da. Er ist einer dieser Leute rund um das Team, die man auf dem Platz nicht sieht, die aber immens wichtig für unseren Erfolg sind. Im Spiel letzte Woche gegen Kiel war nicht alles schlecht. Wir haben die 2. Halbzeit gut analysiert und heute viele Dinge besser gemacht. Wir hatten defensiv bessere Abstände und haben vorn die Tore gemacht. Das war ein wichtiger und verdienter Sieg, der auch zeigt, dass wir mit unserem System auf dem richtigen Weg sind.

Khaled Narey: Dass wir früh in Führung gegangen sind, hat uns Selbstvertrauen gegeben. Es war meine erster Doppelpack in der 2. Liga. Natürlich war auch ein wenig Glück dabei, dass der Torwart mir zweimal den Ball so vorgelegt hat. Am Ende ist es aber völlig egal, wer die Tore gemacht hat. Die Hauptsache ist, dass wir gewonnen haben. Der Sieg tat uns gut. Wir haben heute vieles besser gemacht als letzte Woche. Es gibt aber immer noch Sachen zu verbessern.

Christian Titz: Es war zunächst das schwere Spiel, das wir so erwartet haben. Wir haben zehn Minuten gebraucht, um richtig in die Partie reinzukommen. Mit dem Tor haben wir uns leichter getan und am Ende auch verdient gewonnen. Der Sieg ist wichtig für das Selbstvertrauen. Aber genauso wie in der vergangenen Woche nicht alles schlecht war, gab es auch heute Phasen, in denen wir es besser machen können. Wir werden versuchen, weiter ruhig zu arbeiten. Ein Lob gilt noch Orel Mangala, der mit nur wenigen Trainingseinheiten im Gepäck heute prompt ein gutes Debüt gezeigt hat.

 

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