Marcus Scholz

20. Mai 2018

Wer auch immer meint, der Videobeweis habe endgültig ausgedient, dem sage ich: schon längst! Ich bin wirklich komplett frei von überbordenden Sympathien für die Bayern oder die Eintracht aus Frankfurt. Von daher laufe ich auch nicht Gefahr, fälschlich Partei für eine Seite zu ergreifen. Aber wenn ich diese teilweise sinnbefreite Diskussion über das Foul von Boateng an Martinez höre, wird mir anders. Da trifft ein abwehrender Spieler im eigenen Sechzehner nur den Fuß seines angreifenden Gegners und es gibt keinen Elfer. Unfassbar.

Früher war das für mich ein ärgerliches, aber eben auch menschliches Versagen. Der Schiri hatte schlichtweg einen Fehler begangen und es nicht besser gesehen/sehen können. Gestern indes war es mehr als das. Denn gestern saßen knapp zehn Millionen Zuschauer vor dem Fernseher und sahen die Szene in der Super-Zeitlupe noch und nöcher aus allen Blickwinkeln, bis auch der letzte Bayern-Hasser zugeben musste, dass es hier keine zwei Entscheidungen geben darf. Und dennoch kam es anders. Es gab keinen Elfer.

Eine Farce, die nur noch einmal verdeutlichte, dass selbst der Videobeweis Auslegungssache ist. Und das schreibe ich wirklich nicht, weil ich glaube, dass der Videobeweis Schuld am HSV-Abstieg ist. Das waren andere, ganz klar. Aber diese andauernden Diskussionen, wann der Videoschiedsrichter eingreifen muss, was Auslegungssache ist und wo zwingend durchgegriffen werden muss – alles das zeigt doch, dass der Videobeweis nicht nur hilft, sondern verwirrt. Er nimmt uns die Möglichkeit, Fehlentscheidungen mit Menschlichkeit zu erklären und erträglicher zu machen. Zumindest dann, wenn es so krasse Entscheidungen sind wie gestern. Und nebenbei: Boateng selbst hat heute zugegeben, dass er nur Martinez’ Fuß trifft. Mehr Elfer geht kaum. Mehr Hilfsmittel auch nicht. Von daher: Mehr Fehler kann man nicht machen. Von daher: Weg mit diesem Schrott, der die Diskussion nicht vermeidet, sondern sie nur noch auf eine andere, noch unverständlichere Ebene hebt...

Der Videobeweis wird eigentlich nur noch von Sandro Wagner, dem selbsternannten Meinungsmacher, getoppt. Nachdem der Bayern-Angreifer aus der Nationalmannschaft zurücktrat und seine Selbstüberschätzung so eindrucksvoll demonstrierte, lieferte er gestern das nächste Fehlverhalten. Weil er sauer war – er saß nur auf der Bank, während seine Kollegen auf dem Platz gegen Außenseiter Frankfurt vergeigten -, schmiss er seine Silbermedaille nach der Ehrung ins Publikum. Unfassbar respektlos. Ebenso die Aktion einiger Spieler, die den Spalier für die Gewinner vergaßen/verweigerten. Aber die entschuldigten sich anschließend wenigstens...

Aber bevor ich hier für heute und morgen den Blog beende, noch ein Wort zum HSV. Heute kam heraus, dass der HSV an Markus Krösche als neuen Vorstand Sport interessiert sein soll. Und dieses Interesse wird auch nicht dementiert. Ich kenne Krösche persönlich nicht und kann nur sagen, dass alles, was ich heute über ihn erzählt bekommen habe, gut zum HSV passt. Sein Spielsystem („Wir wollen dominant, mutig, offensiv mit schnellen Ballgewinnen auftreten mit dem Ziel, viele Tore zu schießen.“) passt zu der Philosophie des HSV-Trainers Christian Titz. Und sportliche Expertise hat er aus seiner Zeit als Spieler, wo er für die Amateure von Werder Bremen (1999 bis 2001) und den SC Paderborn (2001 bis 2014) auflief sowie aus seiner Zeit als Trainer. Zuerst übernahm der heute 37-Jährige die Reserve des SCP (Westfalenliga) und folgte dann 2015 als Assistent seinem früheren Coach Roger Schmidt zu Bayer Leverkusen – womit auch der Kreis zu Hoffmann geschlossen sein dürfte. Seit wenigen Monaten hat Krösche sogar die Fußball-Lehrer-Lizenz und ist der Geschäftsführer Sport für Zweitliga-Aufsteiger Paderborn.

Ralf Becker von Holstein Kiel oder Markus Krösche vom SC Paderborn? Oder doch noch Bernhard Peters? Geht es nach den Fans hätte Peters tatsächlich noch eine Chance. HSV-intern scheint diese Lösung aber ausgeschlossen, nachdem sich Peters öffentlich selbst für dieses Amt ins Gespräch gebracht hatte und bei den Aufsichtsräten für Verärgerung sorgte. Nein, ich gehe weiterhin fest davon aus, dass der HSV im Laufe der bevorstehenden Woche einen neuen Sportchef/Sportvorstand präsentieren wird. Auch, weil ich weiter an Ralf Becker glaube, der morgen Abend im Relegations-Rückspiel allerdings noch ein eminent wichtiges Spiel mit Holstein Kiel vor sich hat, das er mit seiner Entscheidung, den Klub zu verlassen, nicht gefährden will. Verständlich!

Apropos verständlich: Ich hatte gestern geschrieben, dass wir alle Zeit haben sollten, einmal tief durchzuatmen. Und für morgen werde ich mir diesen einen Tag Auszeit nehmen, sofern nichts Dramatisches passiert. Und das mach ich nicht, weil ich einfach mal entspannen will. Nein, ich habe morgen selbst ein sportliches Highlight auf dem Zettel, das mich zeitlich von früh bis spät einbindet und worauf ich mich konzentrieren möchte. Parallel dazu ist Luis morgen für uns im Einsatz und wird aufpassen, dass wir/Ihr hier nichts verpassen. Vor allem nicht, wer neuer Sportchef wird...

 

In diesem Sinne, wenn der Zweitligaabstieg tatsächlich etwas richtig Gutes hat, dann den Umstand, dass es dort keinen Videobeweis gibt.

 

Bis morgen!

Scholle

 

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.