Marcus Scholz

20. Mai 2020

50 Tore hat der HSV in dieser Saison geschossen. Auch in Fürth gab es zum Auftakt gleich zwei Treffer. Und obwohl man schon jetzt fünf Tore mehr erzielt hat als in der gesamten Vorsaison, sind es doch noch immer zu wenige Tore, um in der Tabelle nach ganz oben zu klettern. Wobei ich behaupte, dass die geschossenen Tore trotz der vielen ausgelassenen guten Gelegenheiten am Ende locker hätten reichen müssen, um in der Tabelle ganz oben zu stehen. Allein Bielefeld hat mit +26 ein um sechs Treffer besseres Torverhältnis. Und das größte Problem sind meiner Meinung nach auch nicht die ausgelassenen Torchancen. Es sind vielmehr die zu vielen unnötigen Gegentore. 30-mal musste HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes bislang schon hinter sich greifen. davon allein achtmal nach Standardsituationen. Wobei man hier bei der Beschreibung der Problematik durchaus den Gegentreffer vom Sonntag in der Nachspielzeit nehmen kann.

Auch wenn sich die Innenverteidiger des HSV zuletzt wackeliger präsentiert haben als zuvor, kassierte der HSV tatsächlich noch kein Gegentor nach einem krassen, individuellen Fehler. Auch sonst ist das Fürth-Remis ein sehr gutes Beispiel für das, was dem HSV noch fehlt, um sorgenfreier dem Saisonendspurt entgegenzugehen. Denn das ist nicht viel - aber eben doch zu viel und zu schwierig abzustellen, als dass man auf schnelle Besserung hoffen darf. Auch beim 0:1 zeigte die HSV-Abwehr die größte Schwäche: bei hohen Bällen. Problem hierbei ist auch, dass der HSV anders geplant hatte. An sich waren mit Kyriakos Papadopulos und Ewerton zwei Spieler eingeplant, die beide über außergewöhnlich die Kopfballqualität verfügen. Rick van Drongelen, der bislang unangefochtener Stammspieler war, gilt hier ebenso wenig als Spezialist wie sein Pendant Timo Letschert. Und auch Beyer demonstrierte beim 0:1 in Fürth, dass seine Qualitäten weniger im Luft- denn im Boden-Zweikampf zu sehen sind.

Gerade gegen Bielefeld wird Kopfballspiel wichtig

Mit anderen Worten: Das HSV-Problem war und ist absehbar. Nicht nur für uns - auch und vor allem für die Gegner, die wie beispielsweise Bielefeld am Sonntag über herausragende Kopfballspieler verfügen und/oder eben wie die Arminia auch mit hohen, langen Bällen agieren. Da sind die Probleme programmiert, wie auch das Hinspiel gezeigt hatte. Auf der Bielefelder Alm gab es in der 50. Minute nach einem Eckball den unglücklichen - am Ende aber alles andere als unverdienten - 1:1-Ausgleich durch Klos per Kopf. Ein Treffer, über den sich Timo Letschert heute noch ärgert, weil er sich ganz einfach hatte wegschieben lassen.

Aber wie gesagt, Letschert ist in der Defensive nur einer von vielen, die bei hohen Bällen wackeln. Die Innenverteidiger des HSV sind im Ligavergleich eh nicht besonders groß. Rick van Drongelen (1,85 m), Gideon Jung (1,89 m) und Timo Letschert (1,88 m) haben daher bisweilen Höhennachteile gegenüber gegnerischen Stürmern. Auch deshalb waren zuletzt immer wieder Stimmen lauter geworden, die nach Kopfballspieler Papadopoulos gerufen hatten. Nachvollziehbar, was seine Qualität im Kopfballspiel betrifft. Aber leider nicht mehr umsetzbar. Denn Papadopulos hat sich auch intern komplett von allem verabschiedet, was ihn überhaupt noch einmal in die Nähe eines Einsatzes hätte bringen können. Schon zu Saisonbeginn hatte er Trainer Dieter Hecking deutlich gemacht, dass eine Reservistenrolle für ihn nicht annehmbar sei, woraufhin er aussortiert wurde und sich eine Zeitlang bei der U21 fit hielt.

 

Nein, der HSV muss heute mit dem auskommen, was da ist. Und da sind die Probleme bei hohen Bällen kaum vermeidbar und einzukalkulieren. „Wir müssen vorher schon besser verteidigen“, sagte Hecking vor einer Weile hier im Blog - und er schob noch etwas nach. Denn auch er weiß, dass die nächsten Gegner die Spiele des HSV ebenso und noch genauer analysieren und dementsprechend diese Schwäche längst ausgemacht haben werden. Ob der HSV defensiv zu kopfballschwach ist? „Generell ist es schon so. Ohne die Gegner hier zu aufmerksam machen zu wollen, es ist im Moment eine Schwäche. Diese langen Bälle, gerade wenn zwei wuchtige, kopfballstarke Spieler vorn drin sind, die mit dem Körper arbeiten. Da müssen unsere Innenverteidiger noch zulegen.“ Ein Zitat aus dem November 2019 - und das hat nichts an Gültigkeit eingebüßt. Im Gegenteil: Es geht aktuell für den HSV-Trainer nur noch darum, Schadensbegrenzung zu betreiben. Und das Kopfballthema war tatsächlich selten aktueller als jetzt vor dem Spitzenspiel gegen Bielefeld mit Klos.

HSV-Kopfballspieler? Aussortiert und dauerverletzt

Dass Papadopulos nicht mehr im Kader sein würde, damit hatten Hecking, Sportvorstand Boldt und Co. gerechnet. Dass Ewerton ewig ausfällt war auch zu befürchten - aber die Hoffnung war eben eine andere. Trotz aller Vorwarnungen hatten sich die Verantwortlichen von dem Brasilianer einen Stammelf- und Führungsspieler erhofft, der hinten bei hohen Bällen alles im Griff hat. Allein inzwischen rechnen die Verantwortlichen einfach nicht mehr mit Ewerton. Der Vorteil hierbei: Man kann nicht mehr enttäuscht werden., wenn er wieder mal ausfällt. Fakt aber ist, dass der HSV hier bei der Kaderzusammenstellung eine wichtige Qualität nicht ausreichend bedacht bzw. nicht ausreichend abgedeckt bekommen hat: Defensives Kopfballspiel. Und dieser Ball fällt dem HSV heute teuer auf die Füße - oder anders gesagt: dem Gegner zu leicht auf den Kopf…

Eine Lösung zeitnah herbeizuführen ist hier tatsächlich nicht realistisch, da man hohe Bälle in den eigenen Sechzehner nicht dauerhaft verhindern kann. Gerade deshalb wird es nötig sein, dass der HSV im defensiven Mittelfeldbereich noch mehr Bälle abfängt, bevor sie überhaupt zu Flanken werden können. Und damit sind wir wieder beim gestrigen Thema. Denn für Fein allein ist das nicht zu schaffen. Ihm zur Seite gestellt werden müsste ein weiterer Defensivspieler, am besten ein Abräumer, zumal die Außen ebenso wie die zentralen Mittelfeldspieler Hunt und Dudziak so offensiv ausgerichtet sind, dass sie nur wenig  mit nach hinten machen. Mal abgesehen von Bakery Jatta, der sich immer wieder mal mit einschaltet.

Ich persönlich würde in Spielen wie jetzt gegen Bielefeld oder noch mehr am kommenden Donnerstag in Stuttgart auf ein 4-2-3-1-System umstellen und dabei einem lauffreudigen Kreativen vor den beiden Sechsern alle Freiheiten der Welt einräumen. Oder wie seht ihr das? Wie würdet Ihr aufstellen? Schreibt mir mal, wie Ihr dem Problem bei hohen Bällen begegnen würdet! Ich bin sehr gespannt und werde mich morgen thematisch einmal mit der Mannschaft beschäftigen, die ich für die zukunftsträchtigste aktuell halte.

In diesem Sinne, bis morgen. Im Anhang noch die Spieltagsterminierung für den Rest der Saison. Euch allen bis morgen einen richtig schönen Abend! Genießt ihn - und bleibt gesund!

Scholle

 

P.S.: Die DFL hat die Nachholspieltermine für die Spieltage 30 bis 32 festgelegt. Im Rahmen des 30. Spieltags empfängt der HSV zunächst am Montag (8.Juni) um 20.30 Uhr die KSV Holstein zum Nordduell. Vier Tage später (Freitag, 12. Juni) treten die Rothosen dann um 18.30 Uhr in Dresden bei der SG Dynamo an, ehe am Dienstag, den 16. Juni das vorletzte Heimspiel der Saison gegen den VfL Osnabrück ausgetragen wird (Anstoß: 18.30 Uhr). Die beiden letzten Spieltage finden am 21. Juni (beim 1. FC Heidenheim) und am 28. Juni (gegen Sandhausen) statt und werden wie gewohnt zeitgleich um 15.30 Uhr angepfiffen.

 

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