Marcus Scholz

20. September 2020

Wie entspannt man an solchen Tagen Fußball gucken kann – schon erstaunlich! Zumindest ist es ein selten gewordenes Gefühl. Gestern und heute die Erst- und Zweitligaspiele zu gucken, ohne irgendwem besonders die Daumen drücken zu müssen – das war extrem entspannt. Vor allem aber wurde mit beim Gucken der anderen Partien auch noch einmal deutlich, dass der HSV am Freitag tatsächlich gegen eine der besseren Mannschaften der Liga gespielt und gewonnen hat. Wobei ich auch betonen möchte, dass der erste Spieltag nicht stellvertretend für die gesamte Saison zu sehen ist. Aber im Spiel am Freitag deuteten die Düsseldorfer nicht nur einmal  an, dass sie Ansprüche auf die oberen Tabellenplätze anmelden – was den Sieg des HSV zusätzlich wertvoll macht. Zumal der HSV in einer Woche beim zweiten Bundesligaabsteiger in Paderborn ran muss – und diese Aufgabe wird nicht leichter. Wer sich das Spiel der Paderborner bei auffällig starken Kielern gesehen hat, wird das bestätigen können.

Bestätigt fühle ich mich auch in einigen vor dem Freitagspiel formulierten Einschätzungen. Vor allem in einer personellen: Amadou Onana. Den jungen Belgier zu bringen, war nach dem Dresden-Spiel zwar schon fast logisch. Aber eben auch konsequent vom Trainer, der dafür Aaron Hunt draußen ließ und damit gleich mal ein wichtiges Zeichen setzte. Und: Onana bestätigte den Coach in seiner Entscheidung mit einer blitzsauberen Partie.

Entwicklung: Thioune ist der Faktor

Ich wurde und werde immer wieder gefragt, ob es dieses Jahr besser wird. Und ich kann die Frage immer nur geteilt beantworten. Denn Fakt ist, dass der HSV nicht zwingend tabellarisch besser werden muss, um sich nach vorn zu entwickeln. Denn – um hier beim Beispiel Onana zu bleiben -  der Weg über junge Talente wird neben Höhen wie am Freitag auch einige Tiefen bereithalten, die man überstehen muss. In den Phasen muss sich jeder das Gesamtziel vor Augen halten und den Moment nur Moment sein lassen. Beim Umfeld – und dazu zähle ich neben den Verantwortlichen auch uns hier – bin ich da noch skeptisch. Aber ich glaube, Daniel Thioune kann genau das.

Denn im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist Thioune noch nicht stur. „Noch nicht“, weil er sich im Gegensatz zu Dieter Hecking, Markus Gisdol und Co. noch nicht durch viele Jahre Erfahrung auf einen Weg festgelegt hat. Thioune ist offen, er will selbst lernen und nimmt sich das Recht heraus, auch seine Vorgaben immer wieder zu hinterfragen und gegebenenfalls auch zu ändern – was viele andere Trainer nicht machen, weil sie es als Schwäche auslegen. Ich habe in solchen Fällen bei den „erfahrenen Trainern“ immer wieder von Sturheit gesprochen, während die erfahrenen Trainer mir immer wieder „x Jahre Erfahrung“ vorhielten. Ein Argument, das ich natürlich nur schwer widerlegen konnte. Aber jetzt Thioune zu beobachten und den Vergleich mit seinen Vorgängern zu haben, das zeigt mir, dass der HSV endlich einen Weg geht, der den HSV besser machen kann. Und die Betonung liegt auf „kann“. Denn der Weg ist noch weit.

 

Aber die Offenheit von Thioune, seinen Weg nicht auf Biegen und Brechen durchzuboxen und auf Prinzipien zu reiten, sondern immer wieder auch eigene Entscheidungen nachjustieren zu können, ist das, was besser geworden ist beim HSV. Genau darin liegt meiner Meinung nach das größte Potenzial für „Entwicklung“ beim HSV.  Denn dieses komplett auf das gemeinsame Ziel ausgerichtete Leistungsdenken verhindert auch, dass irgendwelche Vorgaben/Vorhaben zum Selbstzweck werden. Oder anders formuliert: Thioune ist noch nicht so satt, wie viele andere vor ihm.

Und genau das passt gerade sehr gut zum HSV, der sich endlich aus dem Trott der letzten Jahre befreien will – nein: muss. Immer wieder teure Spieler holen, Topfavorit sein und dann enttäuschen – das erträgt hier kaum noch jemand. Hamburg will mehr Onana als Hunt, könnte man sinnbildlich sagen. Denn am allermeisten braucht man beim HSV Hoffnung. Und die bringt neben sportlichem Erfolg nur die Aussicht auf erfolgreiche Veränderung mit sich.

Der HSV denkt um - endlich

Das Spiel am Freitag hat dafür gute Ansätze geliefert. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Hunt draußen zu lassen und dafür Onana zu bringen war ein Teil davon. Stephan Ambrosius‘ couragierter Auftritt, die stark verbesserten Josha Vagnoman und Jeremy Dudziak sowie die Startelfpremieren von den Neuzugängen Moritz Heyer und Simon Terodde rundeten das Bild ab, das ich von dem HSV unter Thioune habe: Der HSV ist endlich in der Zweiten Liga angekommen! Leider, weil man es in den letzten beiden Jahren jeweils hätte korrigieren können/müssen. Und zum Glück, weil Thioune eine neue Denke reingebracht hat und sich beim HSV niemand mehr wichtiger nimmt, als er es sollte. Das fängt schon mit der Gleichbehandlung aller Spieler im Kader an. Oder wie Thioune es selbst formulierte: Für den Erfolg müssen sich alle dem Ganzen unterordnen. Auch er selbst. Manchmal ist eben weniger mehr.

 

Heute war übrigens trainingsfrei, morgen geht es weiter. Sieben Tage Vorbereitung auf die nächste Aufgabe. Und wir werden Euch natürlich davon berichten. Morgen wird um 15 Uhr trainiert. Vorher werde ich Euch natürlich im MorningCall ab 7.30 Uhr wieder alles kompakt zusammentragen, was meine Kollegen über den HSV berichten. Unter anderem werden dabei auch der geplante Einspruch von HSV-Profi Leistner gegen seine Spielsperre (drei Partien zzgl. zwei Spiele auf Bewährung) und die noch immer ausstehende Zahlung vom FC Santos an den HSV (vier Millionen Euro für Cleber Reis) Thema sein. Aber dazu morgen mehr!

Bis dahin Euch allen noch einen schönen Rest-Sonntag!

Scholle

 

 

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