Marcus Scholz

6. November 2017

Ich hatte den Blog nach dem 3:1-Sieg gegen den VfB Stuttgart mit den Worten beendet, dass wir uns einfach einmal freuen dürfen, ungeachtet der Gesamtsituation, die weiterhin mehr als schwierig ist. Und das ist auch heute noch so – also, die schwierige Gesamtsituation. Sportlich hat der HSV mal wieder etwas frische Luft einatmen können und sich von den ewig langen Wochen der Misserfolge befreien können. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Ich zähle die Punkte rückwärts, also 10/40 nach elf Spielen. Das ist zu wenig, und das wissen auch alle. Sportchef Jens Todt sagte, dieser Punkteschnitt würde am Ende den Abstieg bedeuten. Damit hat er Recht. Auch, dass das ein Problem sei, das weiter besteht. Eines von sicher noch vielen. So sehe ich es auch. Was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist, weshalb man aus der Personalie Jann-Fiete Arp neben aller Freude über seine Tore jetzt schon ein Problem zu machen versucht, weil er einfach nicht zu halten sein würde. Anstatt sich darüber zu freuen, dass da endlich mal ein Riesentalent durchzustarten scheint, machen viele schon jetzt ein Problem daraus, wie chancenlos der HSV im Poker um ihn ist.

Nein, Arp ist kein Problem. Arp ist 17 Jahre alt und eher die größte Chance für diesen HSV, erzwungenermaßen einen lang gemachten Fehler endlich abzuhaken und die Mär von dem vorsichtigen Heranführen (für mich eh immer nur die Feigheit, auf junge Spieler zu setzen, nett umschrieben) zu beenden. Arp, der im Training nicht auffälliger ist als andere, zeigt den Verantwortlichen eindrucksvoll, wie es ausgehen kann, wenn man einfach mal mutig agiert und der eigenen Jugend eine Chance gibt. Wobei, Tatsuya Ito nicht minder, um den ebenfalls stark aufspielenden Japaner bei allem Arp-Hype nicht zu vergessen. Und ja, es ist nicht auszuschließen, dass der HSV in den letzten Jahren auch kein Talent dieser Qualität hatte. Aber das ist eine Theorie, die man dem HSV eher anlasten muss, denn er hat es auch nie probiert, herauszufinden. Von daher tut Arp dem HSV gleich in vielfacher Hinsicht einen unschätzbaren Gefallen: Er bestätigt den Mut, die Qualität im HSV-Nachwuchs – und er hilft dabei der Bundesligamannschaft maßgeblich. Mehr kann man nicht erwarten.

Auch nicht, dass er seinen Vertrag verlängert. Denn bei aller Wertschätzung für den HSV, die Fiete Arp zweifellos mitbringt, geht es hierbei um seine Karriere. Insofern kann auch niemand ernsthaft erwarten, dass ein Manager des HSV Arp aktuell dazu bewegen kann, seinen Kontrakt, der noch bis 2019 läuft, hier vorzeitig zu verlängern. Vielmehr darf der HSV aktuell froh sein, mit Arp auch einen Berater an dessen Seite zu wissen, der bekannt dafür ist, Talenten den bestmöglichen sportlichen Weg zu bereiten: Jürgen Milewski. Womit wir zur nächsten sehr guten Situation kommen, die Arp quasi ungewollt erzwingt: Er zwingt den HSV, sich zu entwickeln und ihm so eine Perspektive aufzuzeigen – oder er ist weg und brandmarkt alle Verantwortlichen, die das nicht zu verhindern wussten.

Arp könnte tatsächlich die lange Lethargie beenden, die sich beim HSV seit Jahren eingeschlichen hat. Viel Geld für teure Spieler ausgeben und hoffen, dass es so einfach und schnell, ohne große Inspiration geschweige denn Kreativität besser wird. Denn gebracht hat das nichts. Außer Schulden und die Arroganz, dass es schon immer irgendwie gut gehen werde. Zur Not eben mit weiteren Kühne-Millionen. Alles kontraproduktiv zur Entwicklung des Klubs, der sportlich abstürzte – und auch heute in akuter Gefahr ist, wie die Tabelle verdeutlicht. Anstatt gerade in Phasen des wirtschaftlichen Schiefstandes vermehrt in die eigene Jugend zu investieren, hieß es immer wieder, man müsse oben investieren, in sportlichen Erfolg, um sich damit auf allen Ebenen zu rehabilitieren. Und wäre nicht plötzlich dieser 17-Jährige um die Ecke gekommen, hätte es dieselbe Diskussion wahrscheinlich auch im Winter wieder gegeben...

Insofern ist Arp ein Projekt für diesen HSV, das selbstheilende Wirkung haben kann. Er kann das Paradebeispiel für alles das werden, was der HSV in den letzten Jahren verpasst hat und was er schaffen muss, wenn er wirklich irgendwann wieder unabhängig sein will. Und so sehr auch ich mir hier wünsche, dass Arp beim HSV über 2019 hinaus bleibt, so realistisch muss man sagen, dass es (Stand heute) schon überraschend wäre, angesichts der zahlreichen Interessenten, die neben tollen Gehältern mit internationalem Fußball und ob der Top-Mitspieler mit deutlich besserem Trainingsniveau ködern können.

Daher noch mal: Arp ist lange kein Problem, sondern liefert in Natura einen Lösungsansatz für die HSV-Probleme. Sich mit Arp zu rühmen darf dabei eine kleine Randerscheinung sein, kein Thema. Vielmehr aber muss Arp beim HSV zum neuen Maßstab für die eigene Nachwuchsarbeit herhalten. Und wenn das wirklich irgendwo von irgendeinem HSV-Mitarbeiter als Problem gesehen wird, dann nur von den HSV-Verantwortlichen, die diesem erforderlichen Standard nicht gewachsen sind.

Einer, der die neue Situation mit Arp für sich richtig übrigens gut erkannt zu haben scheint, ist Bobby Wood. Der US-Amerikaner war zuletzt für den Youngster aus der Startelf geflogen und sagte gerade die Länderspielreise mit dem US-Nationalteam ab, um sich in Hamburg optimal auf das nächste Bundesligaspiel vorbereiten zu können. Hier hat Arp offenbar schon einmal eine Portion Extra-Motivation hervorgekitzelt. Auch deshalb ist Arp für diesen Verein aus meiner Sicht in allen Belangen ein Gewinn – und nicht als zukünftiges Problem zu sehen...

In diesem Sinne, morgen, Mittwoch und Freitag wird jeweils um zehn Uhr öffentlich trainiert.

 

Bis dahin,

Scholle

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