4. Dezember 2020
Als ich Olaf Ringelband angesprochen hatte bezüglich eines Blogs über die Art, wie man in Hamburg mit der aktuellen Situation umgeht und was man hier (vor allem aus Sicht des Trainers) besser machen muss, hatte ich mir gedacht, dass ein derart inhaltsstarker Blog folgen würde. Danke dafür noch einmal, Olaf! Die Reaktionen zeigen auch sehr deutlich, dass nicht nur ich, sondern auch der allergrößte Teil der HSV-Fans Deinen Lösungsansatz nachvollziehen können. Denn die inzwischen in Hamburg verankerte Leistungskultur muss in Gänze hinterfragt werden. Wobei: Das wird sie schon. Vom Trainer. Die nächste Möglichkeit, die Wirkung zu überprüfen, werden wir am Sonnabend gegen Hannover 96 haben.
Gegen einen Klub, dem es aktuell schlechter geht als dem HSV. Als Tabellenvierzehnter rangieren die Niedersachsen mindestens elf Plätze hinter den eigenen Erwartungen, die vor Saisonbeginn klar „Wiederaufstieg“ hießen. Der umstrittene Klubboss und Mehrheitsgesellschafter Martin Kind legte in dieser Woche auch deshalb einen kleinen Interview-Marathon hin. Er musste die Probleme seines Clubs erläutern. „Die Entwicklung ist mindestens kritisch“, sagte der 76-Jährige, „weiter sollte es in der Tabelle nicht mehr runtergehen.“
Ich hatte vor ein paar Tagen einmal im Blog geschrieben, dass die Wahrnehmung des HSV extern meistens nicht so schlecht ist, wie hier in Hamburg und um näheren Umfeld selbst. Und auch diesmal ist es so. Ich habe einen sehr guten Bekannten, der seit einigen Jahren bei Hannover 96 arbeitet und mit dem ich mich immer wieder sehr gern und intensiv über Fußball austausche. Er hatte mir in der vergangenen Saison schon erzählt, dass sich in Hannover eine Art des Gegeneinanders im Klub und dem direkten Umfeld entwickelt habe, die gefährlich sei und auch die besten Ansätze vergiftet. In etwa so, wie man es hier in Hamburg in den letzten Jahren in den Gremien beobachten konnte – und wie es einige noch immer sehen.
Viele sehen bei Hannover 96 einen Kader mit Spielern wie Kaiser, Haraguchi oder Maina, der für Zweitliga-Verhältnisse nominell herausragend besetzt ist. So, wie es beim HSV seit zwei Jahren ebenso war. Die Erwartiungen konnte aber weder der HSV zuletzt erfüllen, noch Hannover aktuell. 96-Trainer Kocak verweist zwar immer wieder auch auf die Profis, die den Verein Richtung erste Liga verlassen haben: Anton, Guidetti oder Horn. Hinzu kommen die Verletzungsprobleme. „Wir sind jede Woche gezwungen, etwas zu ändern“, so der Coach, der sich über die Geduld seitens des Vereines ihm gegenüber öffentlich freute. Klingt alles – gar nicht so gut. Für Kocak. Und für Hannover. Denn so reden Fußballfunktionäre meistens, bevor sie den Trainer wechseln.
Dennoch – nein gerade deswegen muss der HSV vor diesem Nordduell besonders wachsam sein. Zumal die Niedersachsen im Gegensatz zum HSV in den letzten Spielen spielerisch überzeugt haben. Auswärts haben die 96er zuletzt allerdings auch sieben Spiele verloren. „Wir treffen auf einen angeschlagenen Gegner, der individuell aber sehr gut besetzt ist“, warnt HSV-Trainer Daniel Thioune. Der Druck von außen sei „nicht größer als der, den wir uns selbst auferlegen“, meinte der 46-Jährige. Oder anders formuliert: Es ist ein Spiel, in dem beide Trainer versuchen, nach außen Überzeugung zu demonstrieren, in Wirklichkeit aber nicht viel mehr als darauf hoffen, dass es besser wird. Es ist - wie auch bei der Leistungskultur - alles Kopfsache.
Personell indes hat der HSV-Coach keine Probleme. Heute konnte auch Jan Gyamerah wieder voll mitmischen, nachdem er gestern vorzeitig das Training abgebrochen hatte. Ob der Rechtsverteidiger gegen Hannover beginnen wird, ist offen – aber eher unwahrscheinlich. Vieles deutet daraufhin, dass Josha Vagnoman morgen von Beginn an spielen wird. Ebenso wie Aaron Hunt, der gegen Heidenheim ausgefallen war, jetzt aber wieder gesund ist. Anders Hannover 96. Da fallen gleich sechs Spieler aus. Innenverteidiger Simon Falette fehlt gesperrt, mit Timo Hübers (Knieprobleme) fehlt Trainer Kenan Kocak ein weiterer Mann fürs Abwehrzentrum. Mittelfeldspieler Franck Evina muss wegen eines Außenbandanrisses im rechten Knie pausieren, für Mike Frantz ist das Fußballjahr wegen eines Muskelabrisses im Oberschenkel beendet. Mit Philipp Ochs hat sich ein Allrounder am Knie verletzt, Offensiv-Ass Linton Maina verletzte sich zudem am Donnerstag im Training am Außenband.
So viel zu den Fakten. Entscheidender als die Ausfall-Listen aber wird sein, welche elf (plus maximal 5 Einwechselspieler) sich morgen auf dem Platz über 90 Minuten konzentriert und vor allem fokussiert (klingt so platt – ist aber so…) präsentiert. Thioune hat unter der Woche nach außen den weiter ruhigen Kurs gefahren, soll aber nach innen deutlicher geworden sein. „Der Trainer zeigt uns unsere Fehler auf, analysiert sie mit uns und sagt uns, was wir besser machen müssen“, berichtete Moritz Heyer meinen Mopo-Kollegen. Das könne dann auch mal lauter werden: „Was das betrifft, hat er eine sehr klare Ansprache. Der Trainer lebt uns vor, dass harte Arbeit belohnt wird und wie hart wir auch künftig arbeiten müssen, um erfolgreich zu sein.“ Klingt gut. Aber das Thema hatten wir diese Woche ausführlich genug besprochen.
Bleibt noch die mögliche HSV-Aufstellung. Zuletzt war immer wieder die Rede davon, dass sich Klaus Gjasula Hoffnungen machen dürfe auf einen Platz in der Startelf. Und sollte sich der Albaner in den Einheiten, die ich nicht gesehen habe, deutlich besser präsentiert haben, als ich beobachten konnte, okay. Ansonsten aber - das sage ich ganz deutlich – hat Gjasula in der Startelf nichts verloren. Er würde das Spiel nur (noch) langsamer machen. Und sollte zusätzlich auch Hunt wieder in der Startelf stehen – dann freut sich darüber wohl nur Kocak, befürchte ich…
In diesem Sinne, ich melde mich morgen wieder bei Euch. Ebenso wie meine Kollegen Kevin und Janik aus dem Studio von der Live-Couch (ab 12.30 Uhr!), werde ich live für Euch im Stadion vor Ort sein und Euch hoffentlich im Anschluss daran erläutern können, weshalb der HSV den nächsten Heimsieg eingefahren hat.
Bis dahin!
Scholle