Marcus Scholz

8. November 2018

 

Er ist in bestechender Form - und das sogar sehr konstant. Douglas Santos zuzusehen als HSV-Fan macht einfach mächtig Spaß. Der Brasilianer ist bislang allen Gegenspielern überlegen. Hinten hat er die Außenstürmer kaltgestellt, während er nach vorn immer wieder gefährliche Situationen kreiert hat. Zuletzt gegen das Spitzenteam 1. FC Köln war er es schließlich, der mit einem fulminanten Sololauf samt Torschuss den spielentscheidenden Treffer initiierte - Lasogga brauchte nur noch abzustauben. Er gehöre in die Champions League, und,  er könne innerhalb des Teams immer wieder hervorstechen lobten Torhüter Julian Pollersbeck und Sportvorstand Ralf Becker den Linksverteidiger, der im Sommer noch auf einen Wechsel gedrängt hatte. Der HSV hatte ihm diesen Wunsch allerdings damals in Person Beckers verweigert und eine Mindestablösesumme in Höhe von 25 Millionen Euro für ihn aufgerufen. Daraufhin sprangen alle Interessenten ab. Zu teuer.

Inzwischen hat der HSV über Vorstand Ralf Becker das Gespräch zu Santos gesucht und ihm eine vorzeitige Vertragsverlängerung angeboten. Ein logischer Schritt angesichts der Leistungen - und des Charakters! „Natürlich hatte er eigene Gedanken und die konnten wir so nicht erfüllen“, hatte Trainer Christian Titz im Sommer im Trainingslager noch über Santos gesagt, „aber er lässt sich das in keiner Sekunde anmerken. Nicht vor dem Training, nicht während der Einheiten - und auch nicht danach. Douglas ist vorbildlich und einwandfrei. Er wird ein ganz wichtiger Teil der Mannschaft werden.“ Und das ist er.  Zweifellos. Auch Hannes Wolf hat das in kürzester Zeit erkannt. Santos ist sogar so wichtig, dass er von vielen Kritikern zum besten Spieler der Zweiten Liga hochgelobt wird.

Und das freut mich für ihn. Sehr sogar. Denn Santos ist nicht der normale Typ Top-Fußballer, der eben noch beim Jubeln vor der eigenen Fankurve die Raute auf seinem Trikot küsst, um nur Minuten nach Schlusspfiff mit dem Berater über bessere Optionen zu diskutieren und sich aus dem Vertrag zu pressen, sobald ein solches Angebot vorliegt. Nein, Santos ist tatsächlich ehrlich. Er glaubt an Gott und die von der Kirche vermittelten Werte - und er hält sich daran. Das betont er in fast jedem Interview. Okay, jetzt mag man zur Kirche ja stehen wie man will, aber in diesem einen Fall hat es bislang nur positive Folgen. Denn das Ergebnis ist: Santos, der etwas andere Top-Fußballer.

Aber bei aller Freude über diesen Durchstart des Brasilianers, der unter Markus Gisdol vor etwas mehr als einem Jahr noch aussortiert werden sollte, darf man den Blick für die Realität nicht verlieren. Denn Santos ist letztlich das, was sich dieser HSV zum obersten Ziel gesetzt hat: Er ist ein Spieler, der beim HSV besser und vor allem teurer geworden ist. Sollte es im Winter ein Angebot geben, das in der Nähe der vom HSV veranschlagten 25 Millionen Euro liegt, wird der HSV ihn ziehen lassen (müssen). Da kann  ein Reiner Calmund noch hundertmal erzählen, dass man das mit allen Mitteln vermeiden muss - der HSV kann gar nicht anders. Er hat dafür schlichtweg nicht die Mittel. Vielmehr ist der HSV inzwischen ein Ausbildungsverein. Wenn man die eigenen Finanzen nicht durch ein Wunder konsolidiert, wird man am Personal sparen und bestenfalls daran verdienen müssen. Ergo: Günstig einkaufen, teuer verkaufen.

„Warum bist Du so pessimistisch?“, haben mich meine Freunde gefragt, als wir genau dieses Thema jüngst diskutierten. Und ich babe geantwortet, dass das rein gar nichts mit Pessimismus zu tun hat. Im Gegenteil: Wer predigt, den langen, langsamen aber eben auch vernünftigen Weg gehen zu müssen/wollen, der muss wissen, was alles dazugehört: Und ein Verkauf von Topspielern ist ein ganz wesentlicher Teil der aktuellen Strategie, den Verein finanziell zu konsolidieren. Insofern dürfen wir uns natürlich immer freuen, wenn ein HSVer so stark performt wie Santos. Wir müssen aber auch wissen, dass es dessen Verbleib beim HSV immer unwahrscheinlicher macht. Denn eines ist sicher: Auch wenn er es so natürlich nicht öffentlich sagen kann, darf man ganz fest davon ausgehen, dass Sportvorstand Ralf Becker schon lange auf der Suche nach einem günstigen und vielversprechenden Nachfolger für die linke Abwehrseite unterwegs ist.

Denn Becker ist tatsächlich derjenige, der „fleißiger und findiger“ sein muss als die Konkurrenten.  Er wird zu eben dem gezwungen, was die gefühlt letzten 35 Sportchefs hier bei ihren Amtsantritten versprochen hatten. Becker  steht vor der Aufgabe, aufsteigen zu müssen. Besser dieses als nächstes Jahr. Parallel zum schnellen Aufbau einer erstligatauglichen Mannschaft wird er immer wieder personelle Rückschläge in Kauf nehmen müssen. Nämlich die, dass seine Topspieler teuer verkauft werden und er nur einen Bruchteil der Einnahmen zur Re-Investition in Ersatz zur Verfüg gestellt bekommt. Und dann heißt es wirklich: Findiger sein. Kreativer sein. Schneller sein als die Konkurrenz. So, wie es fast alle sein müssen.

Eine neue, verbesserte Konkurrenzsituation gibt es aktuell auch in der Innenverteidigung zu verzeichnen. Leo Lacroix hat gegen Köln eine gute Leistung gezeigt und damit den Druck auf David Bates erhöht. Heute im Training agierte Lacroix sogar im vermeintlichen A-Team, während sich parallel zum Mannschaftstraining der zuletzt Langzeitverletzte Gideon Jung auf sein Comeback vorbereitete. Der zuletzt am Knie operierte Innenverteidiger absolvierte Lauftraining und war teilweise auch wieder am Ball. „Die Verletztenzeit hat sich schon kann hingezogen“, freute sich Jung über sein Trainings-Comeback. Wie weit er ist? „Es war heute die zweite Einheit mit dem Ball. Bisher läuft meine Reha sehr gut, aber wir müssen abwarten, wie das Knie jetzt reagiert.“ Klare Pläne, wann Jung wieder voll belastbar sein soll, gibt es noch nicht. Zwar hatte Titz zuletzt gehofft, noch in diesem Jahr auf Jung zurückgreifen. Aber es gilt auch heute noch, dass man von Tag zu Tag schauen wolle. Jung: „Ob ich in diesem Jahr noch einmal spielen kann, kann ich aktuell nicht sagen.“

Heute ebenfalls wieder dabei war Hee-chan Hwang. Bei dem Südkoreaner wollte Trainer Hannes Wolf nach dessen Einsatz gegen Köln kein zusätzliches Risiko eingehen und hatte ihn am Dienstag geschont. Heute war der Offensivspieler wieder voll dabei und dürfte in diesem Zustand für das Spiel am Sonnabend bei Erzgebirge Aue eine ernsthafte Alternative für die Startelf sein. Allein, für wen? Denn weder Khaled Narey, noch Fiete Arp oder Pierre Michel Lasogga würde ich herausnehmen. Und ich hoffe ganz stark darauf, dass Hannes Wolf vorerst vorn nichts verändert. Zumal ich finde, dass Arp in seinem zweiten Spiel auf ungewohnter Position schon einen deutlichen Fortschritt gegenüber seinem ersten Auftritt auf der linken Außenbahn gemacht hat. Und um mal das oben Geschriebene mit der aktuellen Situation zusammenzubringen: Auch das Festhalten an einem Fiete Arp kann sich auf lange Sicht bezahlt machen. Sportlich - und später auch finanziell.

Apropos Finanzen: Der kurze Zwist zwischen HFV-Präsident Dirk Fischer und HSV-Vorstandsboss Bernd Hoffmann scheint nicht mehr als ein Sturm im Wasserglas gewesen zu sein. Zumal klar ist, dass es nicht in Fischers Wirkungsbereich liegt, die HSV-Finanzen zu beurteilen. Andererseits hat er auch nicht mehr gesagt, als das, was Bernd Hoffmann in verschiedenen Interviews über die Finanzsituation schon öffentlich verkündet gesagt hatte. Dafür hat sich jetzt Heinrich Hoeper, Gründer von „DeltaFleisch“, als Kandidat für das am 19. Januar zur Wahl anstehenden Amt des e.V.-Präsidenten ins Spiel gebracht.

Auch, weil er eine Idee habe, wie man den HSV saniert. „Ob ich gewählt werde, ist ja eine andere Sache. Ich habe so meine Vorstellungen, wie man diesen Verein dann auch sanieren muss“, sagte Höper bei Hamburg1. Höper ist seit Jahrzehnten HSV-Fan und zählt zum engen Freundeskreis von Uwe Seeler. Noch heute gilt seine Loge im Volksparkstadion als Anlaufpunkt für ehemalige HSV-Größen. Neben ihm steht mit der Notarin und Ex-Aufsichtsrätin Katrin Sattelmair bereits eine weitere Kandidatin zur Wahl. Zudem - sofern meine Infos richtig sind - werden sich noch mindestens zwei weitere Kandidaten um das Amt bewerben.

In diesem Sinne, bis morgen! Da wird übrigens unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert.

Bis dahin!

Scholle

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