Marcus Scholz

15. Dezember 2018

Es ist entspannend, wenn man am Freitagabend vorgelegt hat. Dass es ein Spiel bei einem Gegner war, das - bei allem Respekt - schon ob der offensichtlichen Tor-Ungefahr der Gastgeber unverlierbar war, egal. Erst einmal. Genauso wie die Tatsache, dass man es trotz besserer Möglichkeiten wieder einmal nur knapp mit 2:1 gewinnen konnte ist erst einmal egal. Zumindest bis Montag, wo Trainer Hannes Wolf seine Männer wieder zum Training geladen hat. Und dann wird auch die Nachbesprechung des Spiels in Duisburg anstehen, das bei aller Freude über die drei Punkte auch einige „Themen“, wie Wolf diese Schwächen nennt, auf den Plan gerufen hat. Und auch diesmal gäbe es in allen Mannschaftsteilen wieder solche „Themen“. Aber okay, es ist ein Klagen auf höchstem Niveau, wenn man unmittelbar nach dem Erreichen des Herbstmeistertitels mehr auf die Schwächen denn auf das Erreichte eingeht.

Oder?

Ich sage nein. Denn der HSV muss bei allem geforderten Fokus auf das jeweils nächste Spiel schon heute immer auch die kommende Saison im Blick behalten. Angefangen bei Sportvorstand Ralf Becker, der durchgehend nach preisgünstigen Verstärkungen auf Erstliganiveau sichtet. Und auch der Trainer muss intern die Entwicklung der Mannschaft auf den Aufstieg ausrichten. Zunächst einmal mit dem Blick aufs nächste Spiel, ganz logisch. Ohne Siege kein Aufstieg. Er darf auch gar nicht anders arbeiten, um seine stets erdenden und vor allem warnenden Worte vor der Stärke der Gegner nicht selbst fressen zu müssen. Intern aber, also im Dialog mit seinem Sportvorstand, wird auch Wolf andere Maßstäbe ansetzen müssen, wenn es um die Planungen für einen möglichen (und sehr wahrscheinlichen ) Aufstieg geht. Und das ist auch alles genau so richtig. Egal wie unromantisch das für all diejenigen klingt, die sich über die Siegesserie des HSV in der Zweiten Liga freuen und erste Anflüge von Euphorie verspüren.

Der HSV ist inzwischen ein Zweitligist. Ein guter Zweitligist, wie nicht zuletzt die Tabelle ausweist. Problematisch wird es nur, wenn man jetzt schon anfängt, Erstligamaßstäbe an den HSV anzulegen. denn diese Mannschaft ist abgestiegen, weil sie eben nicht erstligareif war. Und sie hat noch die vermeintlichen Leistungsträger abgeben müssen. Ergo: Diese Mannschaft hat noch nicht den Anspruch, erstligareif zu sein. Sie hat nur den Anspruch, aus der Zweiten Liga in die Erste aufzusteigen. Diesen Anspruch MUSS sie haben! Aber bitte: Setzt nicht das eine mit dem anderen gleich. Denn DAS sollte die Qualität dieser Zweiten Liga gezeigt haben: Ein guter Zweitligist hat schwerlich das Niveau eines schwachen Erstligisten. Und wer das nicht glauben mag, dem empfehle ich einen kurzen Blick auf die Tabelle der Ersten Liga, wo die souveränen Vorjahres-Düsseldorf und Nürnberg weiterhin mächtig straucheln.

Von daher sollten wir das Thema HSV sportlich weiterhin unbedingt zweiteilen. Zum einen in die aktuelle Qualität im Vergleich zu den aktuellen Anforderungen der Zweiten Liga. Und dann natürlich in die aktuelle Qualität im Hinblick auf die Notwendigkeiten, sich auf einen möglichen Aufstieg erfolgreich vorzubereiten. Was ich meine? Ein Beispiel: Für die Zweite Liga reichen derart eindimensionale Verteidiger wie David Bates und teilweise auch Leo Lacroix offensichtlich. Deshalb muss man sie maximal starkreden, ihnen Vertrauen schenken. Aber Fakt ist: Stand heute würde man mit diesen beiden Innenverteidigern in der Ersten Liga gegen (nahezu) jeden Gegner zu große Probleme bekommen. Ebenso die Offensive, wo wir uns über Pierre Michel Lasoggas Treffsicherheit in den letzten Monaten gefreut haben. Aber sollte der HSV in der Ersten Liga nicht mehr so oder zumindest ähnlich dominant pressen und über die Außen in die Offensive vorstoßen können - das konnte der HSV die letzten Jahre Erstklassigkeit schon nicht - dann muss man sich auch die Frage stellen, inwieweit Lasogga für die Erste Liga geeignet ist. Wohlgemerkt: Öffentlich nicht. Und schon gar nicht heute. Aber intern. Und das durchgehend.

Wolf selbst bleibt dabei, sich öffentlich nur um das zurückliegende und maximal bis zum bevorstehenden Spiel zu äußern. Den Fokus bewahren, nichts für selbstverständlich nehmen, und vor allem die Spannung beibehalten - das sind die Dinge, die Wolf bedingungslos einfordert. Unaufhörlich. Klingt langweilig, ist es auch. Aber es ist eben auch das einzig richtige. Und wir Außenstehende täten gut daran, das auch so zu handhaben. Einziger Unterschied: Die Fans dürfen sich auch mal laut und etwas überschwänglicher freuen…

Und auch heute blieb Wolf seiner Linie treu. Auch heute war für den HSV-Coach noch nichts so gut, wie er es haben möchte. „Von den Ergebnissen her ist es bislang top gelaufen. Fußballerisch gibt es aber immer Dinge, die wir besser machen wollen. Die Jungs investieren viel und legen in allen Spielen eine hohe Leistungsbereitschaft an den Tag. Die letzte Spiele waren eng, die Liga ist stark. Wir dürfen nicht nachlassen, sonst gewinnen wir diese Duelle nicht mehr.“ Langweilig? Vielleicht. Ist aber schnurz. Denn viel wichtiger als das ist, dass es einfach gut ist, weil es einfach die Wahrheit ist.

Wolf nimmt sich bei allem nicht aus. Vielmehr macht er sich zur Einheit mit seinen Spielern, spricht immer von „wir“ - auch bei Niederlagen. Achtet mal darauf, wie viele Trainer bei Siegen von „wir“ und bei Niederlagen von „die Spieler“ oder „die Mannschaft“ sprechen. Wolf macht das nicht. „Ich freue mich, dass die Jungs in den letzten Wochen solche Leistungen gezeigt und gute Ergebnisse geliefert haben. Es bleibt aber dabei, dass wir dafür auch in Zukunft hart arbeiten müssen. Wir bekommen nichts geschenkt.“ Soll heißen: Hannes Wolf setzt auf Eigenmotivation. Und die hat er bei seiner Mannschaft inzwischen erkannt: „Die Mannschaft ist sehr leistungsbereit. Das sieht man in jedem Training. Und das sieht man auch im Spiel.“

Gedanken, wie es im Winter weitergeht und ob personell noch mal nachgebessert werden muss, stellen sich derzeit nicht. Fin anziele ist nichts möglich - und es wäre sinnfrei, wenn Wolf jetzt Neue fordern und damit sein Vertrauen bei der Mannschaft aufs Spiel setzen würde.  Und allein deshalb schon sagt er: „Die Mannschaft ist top besetzt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, genauso auch in die Rückrunde zu gehen. Trotzdem haben wir natürlich auch die Verantwortung, zu überprüfen, ob wir es nicht noch besser machen können.  Wir sind in Gesprächen. Aber die Frage ist ja auch, was überhaupt möglich und realisierbar wäre. Es gibt auch keine Position, auf der ich Bedarf sehe.“

Zumal ja schon zwei Neue im Kader stehen. Wolf: „Wir bekommen die Neuzugänge aus den eigenen Reihen: Gideon Jung, Papadopoulos und Pierre-Michel Lasogga, der jetzt auch schon vier Spiele in Folge nicht dabei war.“ Letztgenannter soll schon gegen Kiel am kommenden Sonntag wieder im Kader stehen können. Heute stand der Angreifer bereits mit den Ersatzspielern auf dem Trainingsplatz. „Eine Prognose im Hinblick auf das Kiel-Spiel ist nicht so einfach“, sagt Wolf, „klar ist, dass die Wade wieder zu 100 Prozent hergestellt werden muss. Er bewegt sich schon ganz gut, aber ich will mich noch nicht zu früh festlegen. Nur wenn er zu 100 Prozent fit ist, wird er im Kader in Kiel dabei sein.“ Des Weiteren sprach Wolf heute über…

…Lewis Holtbys Ärger über dessen Auswechslung: „Das ist geklärt. Ich muss die Entscheidung treffen dürfen. Aber es ist auch völlig nachvollziehbar, dass ihm diese Entscheidung in diesem Moment nicht gefällt. Das kann ich total verstehen. Es ist gut, dass er sich nicht darüber freut – auch wenn man das vielleicht nicht jedes Mal direkt so zeigen muss. Aber das sind Kleinigkeiten. Wir haben ein gutes Miteinander – und das muss auch so bleiben. Da müssen wir ein bisschen aufpassen, aber das war wirklich nicht dramatisch.“

…Aaron Hunts Leistung: „Er ist sehr fleißig. Sehr konstant. Er ist einfach ein sehr guter Fußballer, der immer wieder letzte und vorletzte Pässe liefert. Aber er arbeitet da vorne auch unheimlich viel. Ein sehr guter, sehr wichtiger Spieler.“

…das Gerücht, das Hunt langsam sein soll: „Wir haben insgesamt ein sehr gutes Tempo auf dem Platz und wir haben Spieler, die dieses Tempo gut anspielen können. Da gehört vor allem Aaron dazu. Aber wenn er will, kann er auch selbst ganz schön schnell laufen. Er ist aber auch nicht der Spieler, der jedes Mal in die Tiefe startet. Soll er auch gar nicht.“

 …das Hinspiel gegen Kiel: „Ich war unterwegs und habe das Spiel damals tatsächlich im HSV-Netradio gehört. In voller Länge. Ich hatte einfach Bock gehabt. Aber ich werde es mir jetzt nicht noch einmal angucken, weil es einfach zu lange her.“

…die Unterstützung der Fans: „Das ist tatsächlich großartig. So viele Leute an einem Freitagabend in Duisburg. Das ist schon außergewöhnlich. Das macht auch was mit der Mannschaft. Die nehmen das komplett wahr.“

…die Psychologie des Erfolgs: „Das ist ganz wichtig für den Kopf, dass man eine Mischung hinbekommt aus „das wird schwer“ und „wir können das hinbekommen“. Genau diese Mischung braucht man. Respekt und Vertrauen in die eigene Stärke.“

…die Konkurrenzsituation an der Tabellenspitze: „Keiner hat sich aufgegeben. Jedes Spiel ist ein Pokalspiel – und das wird auch genau so weiter gehen. Mannschaften wie St. Pauli und Union schnuppern ja auch an den Top Drei.“

In diesem Sinne verbleibe ich mit einem ganz fetten Dank an meinen Lieblings-Ex-Kollegen und den besten Wünschen für Euch! Genießt das Wochenende, erholt Euch ein wenig und dann hören wir uns am Montagmorgen wieder mit dem MorningCall. Morgen könnt Ihr hier Tobias Eschers Taktikanalyse lesen. Und die wird lesenswert. Das kann ich Euch schon heute verraten!

Bis dahin! Scholle

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