Marcus Scholz

27. November 2019

Es hätte lauter sein können. Nein, ich behaupte sogar, in jedem einzelnen der letzten fünf bis zehn Jahre wäre es deutlich lauter geworden, wenn ein stolzer Spieler wie Kyriakos Papadopoulos sich aus der Versenkung heraus gemeldet hätte. Es wären keine netten Worte in Richtung Klub gefallen. Und es wäre der aktuelle Trainer mehr oder weniger indirekt angegriffen worden. Schließlich stellt er ihn ja nicht mehr auf. Aber in diesem Fall war mal wieder die Überschrift das Dramatischte an der ganzen Geschichte über den bei der U21 zwischengeparkten Griechen, der gern eine neue herausfordernde Aufgabe hätte. Überraschend, da Papadopoulos durchaus bekannt dafür ist, sein Herz auf der Zunge zu tragen. Dass er letztlich aber die Möglichkeit eines ihm wohl gesonnenen Mediums nur dafür nutzt, um sich anderweitig beim 1. FC Köln anzubieten und beim HSV noch mal öffentlich über einen letzten Auftritt zu bitten - schon DAS allein ist ein sehr gutes Zeugnis für alle HSV-Verantwortlichen.

Bernd Hoffmann, Jonas Boldt und Co. haben es hinbekommen, die Verhältnisse wieder geradezurücken. In den letzten Jahren waren es zumeist die Spieler, die bestimmten, was passiert. Sie standen nicht selten über dem Verein und wurden dafür intern auch noch gepudert. Das ist inzwischen anders. Die Spieler werden wie Angestellte mit Respekt aber eben auch einem den Klubzielen untergeordneten Anspruch ausgestattet behandelt. Dazu gesellt sich noch ein Trainer, der über eine außergewöhnlich große, natürliche Autorität verfügt - kurzum: es passt. Endlich mal keine Nebenkriegsschauplätze mehr, die für den etwaigen sportlichen Misserfolg verantwortlich gemacht werden können. Der Teamgeist wird beflügelt durch eine Mannschaft, die sich menschlich und karrieretechnisch auf Augenhöhe bewegt. Es herrscht eine zweifellos flache, aber eben auch eindeutige Hierarchie vor, die sich vor allem sportlich begründet. Maßgeblich hier: Hecking.

Hecking macht ernst - Geheimtraining wird bewacht

Und der hat heute mal so richtig Ernst gemacht. Die Sichtschutzplanen am Trainingsplatz wurden noch höher gezogen, Ordner umstellten den Trainingsplatz weitläufig. „Es bringt uns gar nichts, wenn unser Geheimtraining am nächsten Tag so öffentlich ist, dass mir mein Trainerkollege nach dem Spiel sagt, er habe sich allein über die Berichterstattung schon hervorragend auf uns einstellen können“, schimpfte Hecking zuletzt und drohte: Wenn es so weiterginge, würde er ansonsten komplett auf das öffentliche Training verzichten müssen.

Ein Gedanke, der bei geplanten Überraschungen für die kommenden Gegner durchaus nachvollziehbar ist. Wäre ich Trainer, würde ich tatsächlich auch Geheimtrainings abhalten, die auch tatsächlich unveröffentlicht bleiben. Das ist zwar doof für uns Journalisten, aber nichts anderes als professionell. Allerdings gibt es angesichts des ausgedünnten Kaders für das Spiel gegen den VfL Osnabrück eh nicht allzu viele Varianten, die wahrscheinlich erscheinen. Insofern war es heute absolut okay - aber auch ohne Sicht auf die Geschehnisse stellen sich nur zwei Fragen: Wer kehrt ins Training zurück? Und wer wird ganz vorn beginnen?

 

Zur ersten Frage: Torhüter Daniel Heuer Fernandes kehrte heute wieder ins Mannschaftstraining zurück, nachdem er gestern schon mit dem Torwarttrainier individuell trainiert hatte. Seinem 68. Startelfeinsatz in Folge - hoffentlich über die gesamten 90 Minuten - steht dementsprechend nichts mehr im Wege. Und auch ansonsten gibt es für Hecking nicht allzu viel Grund, seine Elf gegenüber dem Dresden-Spiel zu verändern. Zumindest nicht gegenüber der Elf, die in der zweiten Halbzeit mit korrigiertem System gegen Dresden das Spiel drehte. Und dass ein Aaron Hunt wieder spielen wird, ist mehr als wahrscheinlich. Dafür war seine ordnende Rolle gegen die Sachsen am Sonnabend einfach zu deutlich vermisst worden bis dahin.

Ganz vorn würde ich persönlich Martin Harnik spielen lassen. Das hatte ich gestern schon geschrieben. Problem hierbei ist nur, dass dann durch den Ausfall des gesperrten Bakery Jatta neben Sonny Kittel kein weiterer Außenstürmer da wäre. Selbst wenn Hunt gegenüber dem Dresden-Spiel für Moritz in die Startelf rücken würde, wäre mit Kittel zwar ein Außenstürmer da - aber der zweite fehlt. Jairo Samperio ist für mich aktuell eine Option als Einwechselspieler. Aber gegen einen so robust zu erwartenden Gegner wie den VfL Osnabrück in deren heimischen Stadion „Bremer Brücke“ wäre ein Samperio in der aktuellen Form noch keine Option für 90 Minuten. Auch deshalb hat Bobby Wood, wie ich gestern ja schon geschrieben hatte, tatsächlich Chancen, noch einmal beginnen zu dürfen. Zumal neben Xavier Amaechi auch Lukas Hinterseer nahezu sicher ausfallen wird.

Wood profitiert von Ausfällen - bekommt er seine letzte Chance?

Trotz des schwachen Auftrittes gegen Dresden also wieder Wood ganz vorn? Ich sage sogar: Gerade wegen seines schwachen Auftrittes! Denn gerade Wood wird wissen, dass er keine sportlich begründeten Ansprüche stellen kann. Umso wichtiger wird es für ihn sein, diese zu liefern und so eine (für ihn glückliche) Fügung zu nutzen. Er muss dem Trainer zu zeigen, dass der Auftritt gegen Dresden nicht mehr sein Standard ist. Warum das passen kann?  Weil Wood sicher kein Freund des gepflegten Kurzpassspiels - dafür aber körperlich sehr wohl in der Lage, sich gegen kräftige Verteidiger zu behaupten. Und dass es massiv auch darauf in Osnabrück ankommen wird, das hatten wir ja eben schon. Nebenbei ist es für Wood sowas wie die letzte Chance, bevor Hinterseer wieder zurückkommt. Und mit seinem Auftritt in Osnabrück kann Wood maßgeblich beeinflussen, ob und wie intensiv sich der HSV im Winter nach einem neuen Angreifer umsieht…

Wobei dafür wiederum auch die Finanzen wichtig sind, womit ich auch an dieser Stelle noch einmal kurz Stellung zu den bevorstehenden Rekord-Pyrostrafen des DFB nehmen will. Wobei, das ist eigentlich schnell erklärt:

  1. Pyros sind verboten und das Zündeln und Abfeuern selbiger gehört entsprechend hart bestraft.
  2. Die Fan-Beauftragten kennen einen Großteil der Übeltäter und sollten diese melden. Dafür sind Regeln und Gesetze nunmal da. Soll heißen: Die Übeltäter sollten ohne jede Rücksicht zur Rechenschaft gezogen werden. Solange der HSV für das Vergehen seines Fans zahlen muss, werden diese nicht abgeschreckt.
  3. Die auf 250.000 Euro hochgeschraubte Geldstrafe seitens des DFB für den HSV ist unverhältnismäßig. Und vor allem erreicht man mit Geldstrafen genau gar nichts - abgesehen davon, den DFB noch reicher zu machen. Das wissen alle. Auch die scheinheiligen DFB-Verantwortlichen, die sich zwar als Moralapostel aufschwingen, aber den Weg zu einer Lösung so lange bewusst umschiffen, wie sie davon profitieren.

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich wie immer um 7.30 Uhr pünktlich mit dem MorningCall bei Euch, ehe ich mich um 11.30 Uhr via Facebook live von der Pressekonferenz mit Trainer Dieter Hecking melde und Euch um 13 Uhr vom Training berichte, das übrigens wieder öffentlich ist. Am späten Nachmittag beantworten wir dann im „Community Talk“ wieder Eure Fragen und sprechen über die letzten Top-Kommentare. Bis dahin wünsche ich Euch allen erst einmal einen richtig schönen Champions-League-Abend!

Scholle

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