Marcus Scholz

13. Juni 2018

**** Der heutige Blog kommt erst gegen Mitternacht***

 

Ich habe noch nicht einmal getippt. Aber das ändert sich jetzt. Ganz langsam taste ich mich heran an das, was da in Russland passiert. In unserer von ein paar Freunden groß angelegten Tipprunde werde ich mich heute Abend anmelden. Zusammen mit meinem Sohn werde ich die ersten zwei Spieltage tippen. Allein, was ich über die deutsche Mannschaft denken soll, weiß ich noch nicht. Und das, obwohl die 23 nominierten Spieler an sich für eine Qualität sprechen, die trotz der riesigen Konkurrenz insbesondere aus Brasilien und Frankreich eine Titelverteidigung erhoffen lässt. Allerdings waren die letzten Wochen mehr davon geprägt, alles zu zerreden. Angefangen mit der zweifelsfrei diskutablen aber auch vertretbaren sportlichen Entscheidung wie der Nichtnominierung von Leroy Sané bis hin zu den politisch relevanteren Themen wie Gündogan und Özil.

Und vorweg: Ich werde diese Diskussion hier nicht neu führen, obgleich ich meine Meinung dazu habe. Denn auf der einen Seite immer wieder zu betonen, dass Politik nicht in den Sport gehört, selbiges aber außer Kraft zu setzen, wenn es einem mal nicht so passt – das funktioniert nicht. Und dass Fußballer nicht alle die Fähigkeiten besitzen, die Tragweiten derartiger Aktionen zu überblicken wissen wir doch nicht erst seit Özil/Gündogan. Der Bundestrainer hat sich entschieden und jetzt kommen andere große Ex-Profis und meinen, sich hier zu einem Urteil erdreisten zu dürfen. Wahnsinn! Zumal es wie bei Effenberg und Co. Leute sind, die in ihrer Karriere selbst Dinge gemacht haben, die zu Ausschlüssen führten bzw. hätten führen müssen – irgendwie typisch...

Aber wie gesagt: Lasst uns das Thema hier außen vor lassen und über Fußball sprechen. Denn der kommt an sich eh etwas kurz, finde ich. Oder habt Ihr heute einen großen Aufschrei mitbekommen, nachdem mal ebene die WM 2026 an Mexiko, die USA und Kanada vergeben wurde? Ich nicht. Außer ein paar Pushmails aufs Handy nichts. Dabei waren die Vergaben dieser großen Wettkämpfe einst große Events.

Apropos: Russland – Saudi Arabien. So beginnt also morgen die 21. Fußball-Weltmeisterschaft, die am Freitag mit Ägypten gegen Uruguay (14 Uhr) und Marokko gegen den Iran (17 Uhr) fortgesetzt wird, ehe Freitagabend mit Spanien gegen Portugal das – zumindest aus meiner Sicht - erste wirklich interessante Duell auf dem Plan steht. Übersichtliches Pflichtprogramm, oder? Eher nicht. Denn gerade bei den vermeintlich „Kleinen“ werden die HSV-Verantwortlichen gucken.

Christian Titz zumindest. Denn Sportvorstand Ralf Becker hat andere Themen. Becker reiste heute nach Brasilien, um dort die Gespräche mit den beiden HSV-Akteuren Walace und Douglas Santos zu führen. Und während Walace unbedingt den Klub verlassen und dabei noch eine höhere Ablösesumme einbringen soll, will Douglas Santos weiterhin erstklassig spielen. Becker selbst hat sich nach Rücksprache dazu entschlossen, das Nötige mit dem Nützlichen zu verbinden und wird in Brasilien in Sachen Walace Verhandlungen führen, während der persönliche Besuch bei Santos noch mal verdeutlichen soll, wie wichtig der Linksfuß für den HSV ist. Denn das ist er für Trainer Christian Titz noch immer.

Becker setzt ebenso wie Titz weiter auf Charakter und persönliche Beziehungen. Er macht es wie Dietmar Beiersdorfer in seiner Anfangszeit und sucht den persönlichen Kontakt. „Verschwendete Zeit“ werden jetzt viele denken. Und ja, es mutet vielleicht etwas seltsam an in einer Zeit, wo der schnöde Mammon den Fußball beherrscht. Auch beim HSV der letzten Jahre.  Ich glaube aber – übrigens insbesondere bei dem richtig guten, weil sehr ehrlichen Typen Santos -, dass etwas antizyklisches Arbeiten im Fußballprofibusiness ein sehr wohl Erfolg versprechendes Alleinstellungsmerkmal sein kann.

Mehr noch: Es ist vielleicht der einzig richtige Weg, um sich selbst klar zu positionieren und zugleich nachhaltig zu demonstrieren, dass man in Hamburg weiß, wo man steht. Man wähnt sich nicht mehr als „schlafender Riese“, als „große Nummer im deutschen Fußball“ oder als „richtiges Brett“, wie es Beckers Vorgänger hier bei ihren Antritten über den HSV immer wieder sagten. Vielmehr weiß man, dass man fleißiger und findiger sein muss als andere. Oder besser formuliert: Man weiß endlich, wie man fleißiger und findiger ist.

Dass es dennoch eine Reihe von Entwicklungen geben wird, die man jetzt weder abschätzen noch beeinflussen kann – logisch. Bei der WM werden Filip Kostic, an dem Klubs aus Italien und Spanien interessiert sein sollen, und Albin Ekdal vorspielen. Erst danach wird man beim HSV wissen, in welchen Preisklassen man letztlich suchen und einkaufen kann. Klar aber ist, dass Becker, Titz, Spors und Co. nicht mehr in den Preiskategorien früherer Tage einkaufen wollen. Notgedrungen – aber eben auch vernünftigerweise. Bernd Hoffmann hat zudem noch mal ganz deutlich gemacht, dass man nicht mehr den leichten Weg über Klaus Michael Kühnes Millionen gehen wird. Zumindest dann nicht, wenn man dafür weiter Tafelsilber verkaufen muss. Kurzum: Der neue HSV-Weg stimmt.

Und allein ob dieser Erkenntnis freue ich mich irgendwie doch auf die WM. Drei bis vier Spiele am Tag live – für Fußballjunkies wie mich ein Traum. Aber wem sage ich das...

In diesem Sinne, bis morgen.

Scholle

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